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Nach Wirecard-Skandal: Anleger sollen Finanzaufsicht Bafin verklagen können


Nach Wirecard-Skandal
Anleger sollen Finanzaufsicht Bafin verklagen können


25.09.2020Lesedauer: 3 Min.
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Die Firmenzentrale von Wirecard in München-Aschheim (Symbolbild): Der Bilanzskandal hat Zehntausende Kleinanleger um viel Geld gebracht.Vergrößern des Bildes
Die Firmenzentrale von Wirecard in München-Aschheim (Symbolbild): Der Bilanzskandal hat Zehntausende Kleinanleger um viel Geld gebracht. (Quelle: Jan Huebner/imago-images-bilder)

Was ist nötig, um Anleger vor Bilanzskandalen wie bei Wirecard zu schützen? Die Verbraucherzentrale hat jetzt einen 14-Punkte-Plan für Finanzminister Scholz entworfen – der es in sich hat.

Der Bilanzskandal beim Zahlungsdienstleister Wirecard hat nicht nur dem Ansehen Deutschlands geschadet und große Investoren um viel Geld gebracht. Auch Zehntausende Kleinanleger haben durch den rasanten Kursverfall der Aktie Millionen Euro verloren. Viele fühlen sich betrogen, einige gar um ihre Altersvorsorge gebracht.

Um das künftig zu verhindern, hat jetzt der Verbraucherzentrale Bundesverband (Vzbv) umfassende Reformvorschläge formuliert – die zum Teil weit über die Ideen hinausgehen, die jüngst Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) in seinem "Aktionsplan" aufgestellt hat.

Eine der Kernforderungen in dem 14-Punkte-Plan, der t-online exklusiv vorliegt: Künftig sollen Anleger und Verbraucher sowohl die Wirtschaftsprüfer als auch die staatliche Bankenaufsicht Bafin auf Schadenersatz verklagen können, sofern die Kontrolleure ihre Pflichten verletzt haben.

"Aufsicht im Dienste von Verbrauchern"

"Die Politik muss die richtigen Lehren aus dem Wirecard-Skandal ziehen und grundlegende Reformen einleiten", sagte Vzbv-Vorstand Klaus Müller t-online. "Der Finanzmarkt und ihre Aufsicht müssen glasklar auch im Dienste von Verbrauchern stehen. Dazu müssen insbesondere die Regeln für Wirtschaftsprüfer verschärft werden, um sie bei Pflichtverletzungen stärker in die Haftung nehmen zu können."

Konkret schlägt der Vzbv Folgendes vor:

  • Volle Haftung: Sowohl die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften – im Falle von Wirecard handelt es sich um die Firma EY – als auch die Finanzaufsicht Bafin sollten künftig komplett gegenüber Verbrauchern haften. Einzige Bedingung dafür: Es muss klar sein, dass sie ihre Kontrollpflichten "grob verletzt" haben. Momentan beläuft sich die Haftungshöhe der Abschlussprüfer auf maximal vier Millionen Euro, also nur einen Bruchteil des möglichen Milliarden-Verlusts, den Anleger mit Wirecard-Aktien realisieren mussten. Bei der Bafin ist sogar umstritten, ob sie gegenüber Kleinanlegern überhaupt haftet. Würde diese Idee umgesetzt, hieße das konkret: Kleinanleger könnten nicht nur die Betrugsfirma selbst auf Schadenersatz verklagen, sondern auch die Prüfer und die staatliche Finanzaufsicht gerichtlich belangen. Wer dann vor Gericht glaubhaft machen kann, die Verlust-Aktien aufgrund des Vertrauens in die Prüfberichte gekauft zu haben, kann auf Geld hoffen.
  • Bessere Aufsicht: Die Abschlussprüfer, also zum Beispiel EY, sollten stärker "durch eine unabhängige Stelle" anlasslos kontrolliert werden. Sinnvoll sei auch, dass eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft niemals für mehr als drei Jahre am Stück die Bilanzen ein und desselben Unternehmens testiert, also freigibt. "Danach ist eine Cooling-Down-Phase von wiederum drei Jahren vorzusehen", heißt es im 14-Punkte-Plan des Verbands, der damit weit strenger ist als Scholz selbst: Letzterem schwebt eine Rotation der Prüfer nach erst zehn Jahren vor.
  • Aktien-Verbot für Bafin-Mitarbeiter: Wer bei der Bafin arbeitet, soll künftig nicht mehr Aktien von Unternehmen handeln dürfen, die die Bafin kontrolliert. Zuletzt war bekannt geworden, dass zahlreiche Bafin-Angestellte selbst mit Wirecard-Papieren gezockt hatten, was die Unabhängigkeit der Behörde infrage stellte.
  • Mehr Transparenz: Nach dem Willen des Vzbv soll die Bafin künftig Beanstandungen bei Unternehmen, die sie prüft, öffentlich machen. "Auch die Reaktion des Unternehmens sollte transparent gemacht werden", heißt es in dem Papier. Zudem solle die Finanzaufsicht alle halbe Jahre einen Bericht erstellen, der belegt, mit welchen Verbraucherproblemen sie sich zuletzt beschäftigt hat – und welche Lösungen sich ergeben haben.

"Bei der Bafin gibt es viele Baustellen", ordnet Müller die Forderungen ein. "Während Banken, Finanzvermittler und Unternehmen die Finanzaufsicht bei Pflichtverletzungen grundsätzlich in die Haftung nehmen können, ist dies für Verbraucher kaum möglich. Das muss sich ändern."

Auch Scholz hat Pläne zur Reform der Bafin

Erst das Risiko haften zu müssen, halte zu pflichtgemäßem Verhalten an. Davon müssten auch Verbraucher profitieren. "Zudem müssen Ziele, Zwecke, Funktion und Reichweite der Bafin für die Vergangenheit aufgearbeitet und für die Zukunft klar definiert werden", so Müller weiter. Zu vermeiden seien in Zukunft etwa geteilte Zuständigkeiten mit anderen Behörden.

Nach Bekanntwerden des Wirecard-Skandals Ende Juni hatte auch Scholz, dem die Bafin unterstellt ist, zügig eigene Ideen zur Reform der Behörde vorgelegt. Sein "Aktionsplan", der wiederum 16 Punkte umfasst, deckt sich in Teilen mit den Wünschen der Verbraucherschützer.

Für Wirecard-Geschädigten kommen die Reformen zu spät

So ist auch Scholz für eine strikte Trennung von Unternehmensberatung und Wirtschaftsprüfung – zwei Dienstleistungen, die nicht nur im Falle von EY oft vom selben Unternehmen angeboten werden. Zudem will Scholz die Befugnisse der Bafin ausweiten: Künftig soll sie etwa mittels eines Sonderprüfers in Verdachtsfällen schneller als sonst eingreifen und die Bilanzen von Unternehmen kontrollieren können.

Wie schnell es zu einer Umsetzung der einen oder der anderen Idee kommt, ist offen. Scholz plant, dass die Gesetze zur Reform der Finanzaufsicht erst im Frühjahr 2021 fertig sein sollen- Kritiker aus der Opposition halten das für zu spät – was übrigens auch für die jetzt enttäuschten Wirecard-Aktionäre gilt.

Verwendete Quellen
  • 14-Punkte-Plan des Vzbv
  • Statement von Vzbv-Vorstand Klaus Müller
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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