Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Millionen leiden Bei diesen Symptomen hilft nur der Kuhstall

Immer mehr Menschen leiden unter Nahrungsmittelallergien oder Unverträglichkeiten. Hilfe für die Betroffenen könnte laut neuesten Studien das Landleben bieten.
Wenn Sie heutzutage eine Einladung zu einem Abendessen aussprechen, bedeutet das meist: Sie müssen im Vorfeld alle Gäste abtelefonieren, um ihre gerade aktuelle Ernährungsform abzufragen – vor allem aber Allergien und Unverträglichkeiten.
Weltweit leiden gerade mal zwei bis drei Prozent der Erwachsenen an einer oder mehreren echten Nahrungsmittelallergien. Etwa 20 Prozent glauben jedoch, davon betroffen zu sein. Und wenn man im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg unterwegs ist, könnte man den Eindruck bekommen, dort wären es mindestens 113 Prozent oder mehr (Scherz!). Doch bevor Sie jetzt denken: "Wie gemein!" oder sich so gar nicht ernst genommen fühlen, lassen Sie uns erst mal die Begriffe klären.

Zur Person
Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der "Spiegel"-Bestsellerliste. Ihr neuestes Buch "Genial ernährt! – Klüger essen, entspannter genießen, besser leben" wurde gerade veröffentlicht. Mehr
Allergien sind Immunreaktionen, die durch genetische Veranlagung und Umweltfaktoren beeinflusst werden, während Unverträglichkeiten auf eine eingeschränkte Funktion von Verdauungsenzymen oder -kapazitäten zurückzuführen sind – wie Laktoseintoleranz, Histaminintoleranz, Glutensensitivität oder Fructoseintoleranz. Auch Reizdarm gehört dazu. Unsere moderne Ernährung, geprägt durch stark verarbeitete Lebensmittel, Umweltgifte und Zusatzstoffe, belastet das Darmmikrobiom und führt zu einer veränderten Darmflora. Dadurch reagiert der Darm sensibler, was viele als "Allergie" interpretieren, obwohl es sich doch meist um eine Unverträglichkeit handelt.
Viele dieser Unverträglichkeiten sind bis jetzt nur schwer greifbar. Dass heute gefühlt jedes Café mit einem breiten Antiunverträglichkeiten-Sortiment aufwartet, mag also einerseits Mode sein, andererseits aber auch Ausdruck dessen, dass viele Därme und Immunsysteme tatsächlich aus dem Gleichgewicht geraten sind.
Oft sind es Pseudoallergien
Mein Mann hat einmal eine ganze Tüte Asia-Cracker auf einen Schlag geleert. Kurz darauf erblühten unzählige rote, vielgestaltige und sehr juckende Quaddeln auf seinem gesamten Körper: Nesselsucht. Irgendein unschöner Lebensmittelzusatzstoff hatte sein Histamin entfesselt, jenes Gewebehormon, das in unserem Körper eine wichtige Rolle im Immunsystem, in der Abwehr körperfremder Stoffe spielt. Sein Ausstoß erhöht die Durchlässigkeit der Blutgefäße, sodass Gewebeflüssigkeit austritt und sich Quaddeln bilden. Kreist man ihre Form mit einem wasserfesten Filzstift ein, kann man nach spätestens 24 Stunden feststellen, dass die Quaddel an dieser Stelle verschwunden, womöglich aber an anderer Stelle neu aufgeploppt ist.
Damit mein Mann nicht in Atemnot fiel, denn das Ganze kann sich auch auf Schleimhäute und Atemwege niederschlagen, verabreichte ich ihm ein Antihistaminikum und Kortison. Schnell besserte sich die Haut, und eine solche Attacke hat sich seither auch nie wiederholt. Es war eine klassische Pseudoallergie. Das heißt, es hatte nie eine Sensibilisierung seines Immunsystems stattgefunden. Allergietests schlagen in solchen Fällen daher auch nicht an. Pseudoallergien ähneln einer echten Allergie, laufen jedoch ohne Beteiligung des Immunsystems ab. Da solche Reaktionen meist dosisabhängig sind, können kleine Mengen vertragen werden, während größere Symptome wie Hautveränderungen, Kopfschmerzen oder Magen-Darm-Beschwerden hervorrufen.
Gräserpollen und Tomaten vertragen sich nicht
Echte Lebensmittelallergien entstehen, wenn unser Immunsystem bestimmte Proteine in Nahrungsmitteln als Bedrohung ansieht und Antikörper dagegen bildet. Diese Sensibilisierung ist der erste Schritt zur Allergie. Bei einer erneuten Begegnung mit den vermeintlichen Feinden binden sich diese Antikörper an Mastzellen, die überall im Körper vorkommen, besonders in der Haut, den Atemwegen und im Darm. Diese Aktivierung der Mastzellen führt zur Ausschüttung von Histamin und anderen Botenstoffen, was eine Typ-I-Allergie auslöst – eine Sofortreaktion. Symptome wie Juckreiz, Hautausschlag, Atembeschwerden, Schwellungen und in schweren Fällen ein anaphylaktischer Schock treten innerhalb von Minuten bis maximal zwei Stunden auf.
Von Allergenen wie Erdnüssen weiß man, dass bereits winzige Spuren zu maximalen, bedrohlichen Symptomen führen. Betroffene sollten daher immer ein Notfallset bei sich tragen. Daneben gibt es auch Spätreaktionen, die sich erst nach mehreren Stunden in Form von Magen-Darm-Beschwerden, Hautausschlägen beziehungsweise Ekzemen oder Atemnot präsentieren können. Häufige Allergene sind Nüsse, Milch, Eier, Fisch, Schalentiere, Weizen und Soja.
Manche Pollenallergien gehen auch mit einer Kreuzallergie bei Lebensmitteln einher, weil Pollen oder Hausstaubmilbenkot ähnliche Proteine wie die in Lebensmitteln aufweisen. Typische Kreuzallergien betreffen Birkenpollen mit Äpfeln, Karotten, Nüssen und Steinobst wie Kirschen, Pfirsichen und Pflaumen, Gräserpollen mit Tomaten und Erdnüssen, Beifußpollen mit Sellerie, Karotten und Gewürzen wie Koriander sowie Hausstaubmilben mit Schalentieren wie Garnelen und Krabben. Die Reaktionen treten ebenfalls oft schnell auf und können im Verlauf von mild bis schwer reichen.
Die einzig sichere Behandlung
Zur Diagnose werden spezifische Antikörpertests im Blut oder Pricktests auf der Haut genutzt. Bei Letzterem werden Allergenlösungen auf die Haut getropft, die mit einer feinen Nadel oberflächlich eingestochen wird. Bildet sich dann eine große rote, juckende Quaddel (oder verspürt man selten sogar auch passende Symptome einer Sofortreaktion), spricht man von einer Allergie. Bei Lebensmitteln besteht die einzige sichere "Behandlung" im Meiden des Auslösers. Denn anders als bei Pollenallergien ist eine Hyposensibilisierung (Gewöhnung des Immunsystems mit kleinen allergenen Mengen) hier meist nicht wirksam oder nur begrenzt anwendbar.
Sind Symptome bereits aufgetreten, kommen Arzneimittel zum Einsatz: Antihistaminika blockieren die Wirkung von Histamin und lindern so allergische Symptome wie Juckreiz, Niesen oder Hautausschlag. Kortison wirkt stärker entzündungshemmend und wird bei schweren allergischen Reaktionen eingesetzt, um Schwellungen und Entzündungen effektiv zu reduzieren.
Stadtkinder leiden häufiger
Adrenalin ist das wichtigste Notfallmedikament bei einem anaphylaktischen Schock, es wird angewendet, um lebensbedrohliche Symptome wie Atemnot und Blutdruckabfall schnell zu bekämpfen. Eine mögliche Unterstützung gegen Lebensmittelallergien könnte die sogenannte Kuhstallpille sein. Sie führt bei Hausstaub und Pollenallergikern zu einer signifikanten Symptomverbesserung.
Dahinter steckt die Erkenntnis, dass Kinder, die auf Bauernhöfen mit Kuhställen und dampfenden Misthaufen aufwachsen, seltener an Allergien leiden als Stadtkinder. Eine zentrale Rolle spielt dabei ein Protein (Beta Laktoglobulin, BLG), das natürlicherweise in roher Kuhmilch und Kuh-Urin vorkommt, durch Pasteurisieren aber verändert wird. Studien zeigen, dass dieses Rohmilch-Protein eine besondere Struktur hat: Es enthält eine Art "Tasche", welche die Mikronährstoffe Eisen, Vitamin A und Zink bindet.
Forschungen legen nahe, dass dieses Protein die wichtigen Mikronährstoffe gezielt an die bedürftigen Allergie-Immunzellen liefert und sie so besänftigt. Studien haben auch gezeigt, dass die Mikrobenvielfalt, wie sie in Kuhställen vorkommt, das Immunsystem trainiert und so allergieschützende Effekte entfaltet. Ob auch Lebensmittelallergiker von diesen Wirkstoffen und Bakterien in Form von Nahrungsergänzungsmitteln oder aber einem Umzug in die Nachbarschaft eines Bauernhofs profitieren, bleibt abzuwarten.
Behalten Sie diskret im Auge, was Ihnen bekömmlich oder unverträglich ist, und kommen Sie gesund durch die Zeit!
- Eigene Meinung
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.