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Wie pflegende Angehörige besser mit der Belastung umgehen


Folgen von Dauerstress
Pflegende Angehörige riskieren Burn-out

  • Ann-Kathrin Landzettel
Ann-Kathrin Landzettel

Aktualisiert am 14.12.2022Lesedauer: 5 Min.
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Eine Frau umarmt ihre alte Mutter. Die Betreuung und Pflege der eigenen Eltern kostet viel Kraft und führt oft an die eigenen Grenzen.Vergrößern des Bildes
Eine Frau umarmt ihre alte Mutter. Die Betreuung und Pflege der eigenen Eltern kostet viel Kraft und führt oft an die eigenen Grenzen. (Quelle: fitzek/getty-images-bilder)

Sich um die kranken oder alten Eltern zu kümmern, ist für viele eine Herzensangelegenheit, jedoch kann das mit einer hohen Belastung verbunden sein.

Nicht selten erstreckt sich die Situation über Jahre. Wenn Dauerstress zur Normalität wird, riskieren pflegende Angehörige jedoch selbst ernsthafte Erkrankungen und brauchen Hilfe. Da die Pflege eines Angehörigen zu Hause oft mit einer hohen psychischen und körperlichen Belastung verbunden ist.

Die Pflegebedürftigkeit der Eltern kann sich nach und nach einstellen, sodass genügend Zeit bleibt, um alles regeln. Doch ein Pflegefall kann auch akut eintreten, etwa durch einen Schlaganfall oder einen Unfall.

Für die Angehörigen ist das ein Schock. Zu der Angst um die geliebte Person kommen Ängste und Sorgen vor den Herausforderungen, die bevorstehen. Viele fühlen sich überfordert mit der Situation. Zudem ist die Pflegebedürftigkeit der Eltern oft schwer mit dem eigenen Familienleben und dem Beruf vereinbar. Wie pflegende Angehörige Anzeichen für Überforderung erkennen und welche Hilfsangebote es gibt, um gesund die schwierige Lebensphase zu meistern.

Gute Beratung und Organisation reduzieren den Stress

Bei einer plötzlichen Pflegebedürftigkeit eines oder beider Elternteile sind die Angehörigen oft zuerst ratlos. Viele Fragen und Unsicherheiten stürmen auf sie ein: Was müssen wir in die Wege leiten? Worauf müssen wir achten? Wie ist die Versorgung gewährleistet? Und wie bringen wir alle Bedürfnisse unter einen Hut?

Christoph Lehmann ist Sozialarbeiter und Seniorenberater des Caritasverbands für die Stadt Köln e.V. Er berät seit über 20 Jahren pflegebedürftige Personen und ihre Angehörigen und begleitet sie auf dem Weg zu einem passenden Pflegemodell.

"Jeder Pflegefall ist eine ganz individuelle Situation und pauschale Ratschläge sind daher schwer", sagt Christoph Lehmann, Sozialarbeiter und Seniorenberater des Caritasverbands für die Stadt Köln e.V. "Wird ein Angehöriger aufgrund einer Akutsituation im Krankenhaus versorgt, ist es im ersten Schritt hilfreich, wenn der behandelnde Arzt den aktuellen Pflegebedarf einschätzt."

Anschließend sollte eine Beratung über den Sozialdienst im Krankenhaus erfolgen. Nach der Krankenhausentlassung könne man sich auch an Seniorenberatungsstellen, Seniorenbüros und Pflegestützpunkte wenden, die Hilfe in solchen Situationen anbieten.

Gemeinsam einen "gangbaren Weg" finden

Neben der Fülle an Informationen, Bürokratie, Anträgen und der zeitlichen Zusatzbelastung kommen häufig noch private Konflikte hinzu. Etwa, wenn die pflegbedürftige Person auf keinen Fall in ein Pflegeheim möchte, die Angehörigen die Pflege aber nicht stemmen können, weil nicht genügend eigene Ressourcen vorhanden sind. Oder wenn die pflegebedürftige Person keine fremden Menschen in der Wohnung haben möchte, etwa vom Pflegedienst oder in Form einer Haushaltshilfe. "Hier besteht ein großes Konfliktpotenzial innerhalb vieler Familien. Je besser alle Beteiligten über die pflegerischen Möglichkeiten informiert sind, desto leichter lässt sich ein gangbarerer Weg finden", sagt Lehmann.

Auch wenn sich die pflegebedürftige Person wünscht, von den Angehörigen versorgt zu werden, müssen die Möglichkeiten realistisch eingeschätzt werden. "Schauen Sie ehrlich auf die Bedarfe und ihre vorhandenen Ressourcen. Möglicherweise lassen sich Verwandte, Freunde oder Nachbarn zur Unterstützung gewinnen. Ist die Belastung voraussichtlich sehr groß, fragen Sie sich, ob Sie das leisten können und wollen", so der Sozialarbeiter.

Unehrliche Kommunikation baut Stress auf

Viele Angehörige getrauen sich nicht, "Nein" zu sagen – neben der Liebe zu den Eltern oft auch aus einem Verantwortungsgefühl heraus – selbst wenn der Pflegeaufwand kaum zu stemmen ist. Langfristig birgt auch das enormes Stress- und Konfliktpotenzial.

"In einer solchen Situation ist immer eine offene Kommunikation untereinander wichtig, in der jeder seinen Gedanken und Standpunkte offen äußern kann", sagt Lehmann. "Ein Gespräch gemeinsam mit dem Pflegebedürftigen und einen Sozialarbeiter kann helfen, Lösungen zu finden. Der Sozialarbeiter kann letztlich auch bei der Umsetzung unterstützen, etwa bei Antragsstellungen helfen und so weiter."

Austausch mit anderen Pflegenden hilft

Lehmann rät Betroffenen, nach Selbsthilfegruppen in der Umgebung zu suchen. Mögliche Angebote sind Gruppen für Angehörige von Menschen mit Demenz. Der Austausch ist für viele von großem Wert. Hier werden sie verstanden. Die anderen kennen die Belastungen und den Druck, den eine Pflegebedürftigkeit der Eltern mit sich bringen kann.

Auch können über den Austausch und die Erfahrungen der anderen neue Wege und Ideen diskutiert werden. Und manchmal reicht es schon, wenn Angehörige sich einfach die Gedanken von der Seele reden.

Die eigenen Grenzen erkennen und akzeptieren

Pflegende Angehörige können in den meisten Fällen nicht einschätzen, was auf sie zukommt und wie groß die Belastung möglicherweise sein kann. Daher ist es wichtig, auch weiterhin in der Kommunikation zu bleiben. "Ein Weg, der zuerst eingeschlagen wurde, ist nicht in Stein gemeißelt", sagt Lehmann. "Angehörige dürfen sich aus der Pflege zurückziehen – und sollen es sogar, wenn sie merken, dass sie die benötigte Unterstützung nicht mehr leisten können."

Das kann etwa der Fall sein, wenn der Pflegebedürftige gesundheitlich weiter abbaut oder weitere Erkrankungen hinzukommen, welche zusätzliche Pflege brauchen. Dann sollten auch Themen wie Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung berücksichtigt werden.

Entlastung durch externe Dienstleister

Der Weg in ein Pflegeheim steht meist erst am Ende der besprochenen Möglichkeiten. Oftmals lässt sich Stress lindern mit einem Mahlzeiten-Dienst, einer Putzkraft, Unterstützung durch den Pflegedienst bei der Körperpflege und der Medikamentenverabreichung und beispielsweise eine Physiotherapie, die zur Behandlung nach Hause kommt.

Sind die Angehörigen überfordert, leiden beide Seiten: die pflegebedürftige Person ebenso wie die betreuende Person. "Lassen Sie sich auch hier beraten, welche Hilfsmöglichkeiten gibt, wie diese beantragt und finanziell unterstützt werden können", sagt Lehmann.

Pflege und Beruf: Wie lässt sich das vereinbaren?

Der Spagat zwischen Job und Pflege stellt für pflegende Angehörige, die im Berufsleben stehen, eine große Herausforderung dar. Betroffene sollten sich daher früh erkundigen, ob sie die Möglichkeit haben

  • freie Tage beim Arbeitgeber zu beantragen
  • eine längere (meist unbezahlte) Pflegezeit beim Arbeitgeber durchzusetzen
  • finanzielle Unterstützung von der Pflegeversicherung für die Pflege zu erhalten
  • in Akutfällen einen Platz für eine Kurzzeitpflege für die pflegebedürftige Person zu finden.

Wenn der Pflegebedürftige zum Beispiel nicht über eine längere Zeit allein sein kann und keine Versorgung zu Hause möglich ist, halten Seniorenheime Notfall-Plätze vor. Die sogenannte Kurzzeitpflege kann bis zu acht Wochen im Jahr genutzt werden und wird von den Pflegekassen mit 1.612 Euro bezuschusst. "Es ist wichtig, diese Möglichkeiten zu kennen, um im Bedarfsfall den Stress zu senken und handlungsfähig zu sein", sagt Lehmann.

Burnout und Depression bei Pflegenden: Warnzeichen beachten

Wer merkt, dass Auszeiten, pflegerische Unterstützung von außen und der Austausch in Gruppen nicht mehr helfen und sich zunehmend ein Gefühl der Überforderung, Hilflosigkeit und Verzweiflung über die Situation einstellt, sollte sich nicht scheuen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Besonders pflegende angehörige sind häufig von einem Burnout betroffen.

"Es ist nicht auszuschließen, dass die Situation und die damit verknüpften Belastungen, Sorgen und Ängste in eine Depression führen können", sagt Lehmann. "Wer hier rechtzeitig reagiert und sich psychotherapeutische Unterstützung holt, kann einer Depression oder Angststörungen entgegensteuern."

Wenden Sie sich im ersten Schritt an Ihren Hausarzt und schildern Sie die Situation. Dieser kann Sie anschließend an entsprechende Ärzte oder einen Psychologen weiterleiten. Auch im Rahmen der Therapie werden Wege erarbeitet, damit Sie besser mit der Situation zurechtkommen.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Plötzlich Pflegefall – Fünf Tipps. Online-Information des Deutschen Caritasverbands e. V. (Stand: 26. November 2020)
  • Ratgeber Pflege. Alles, was Sie zum Thema Pflege wissen sollten. Ratgeber des Bundesministeriums für Gesundheit. (Stand: Aufgerufen am 21. Oktober 2021)
  • Die neue Pflegereform und was Sie dazu wissen sollten. Online-Information der Verbraucherzentrale NRW e.V. (Stand: 19. August 2021)
  • Bessere Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf. Online-Information des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. (Stand: Aufgerufen am 21. Oktober 2021)
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