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Scholz, Baerbock und Macron in München: Es knirscht gewaltig


Scholz, Baerbock und Macron
Es knirscht gewaltig

Von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 20.02.2023Lesedauer: 5 Min.
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Olaf Scholz: Der Bundeskanzler hielt auf der Sicherheitskonferenz in München eine außenpolitische Grundsatzrede. (Quelle: Wolfgang Rattay/Reuters)

Kanzler Scholz hat Streit mit Außenministerin Baerbock, aber auch die Beziehung zu Macron scheint belastet. Das stellt Deutschland vor Probleme.

Die Welt ist im Krisenmodus. Nach dem Ende der Corona-Pandemie rangen die Teilnehmer der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz mit den Folgen der russischen Invasion in der Ukraine. In Europa tobt wieder ein Krieg, der Dialog ist gescheitert, es sprechen wieder Waffen. Die Vorzeichen für Diplomatie standen selten so schlecht, und Wladimir Putins Russland war in diesem Jahr gar nicht nach Deutschland eingeladen worden. Der Kreml möchte keinen Frieden, deshalb machen Gespräche aktuell keinen Sinn. So die bittere Erkenntnis.

Dennoch dominierte der Krieg in der Ukraine die Sicherheitskonferenz. Für den Westen ging es in München darum, den eigenen Durchhaltewillen zu beschwören und mit Staaten ins Gespräch zu kommen, die den russischen Angriffskrieg bisher noch nicht verurteilt haben. Das Ziel ist klar: In einem langen Abnutzungskrieg brauchen der Westen und die Ukraine eine möglichst starke internationale Allianz gegen Putin. Und es bedarf mehr Panzern, mehr Munition und vor allem auch Geld.

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Die Sicherheitskonferenz war demnach für den Westen ein Treffen der Selbstvergewisserung in dem bevorstehenden langen Ringen mit dem russischen Regime. Geschlossenheit in dem Kampf ist dabei kein Selbstläufer. Wer bestimmt den Kurs? Darüber gibt es nicht nur innerhalb Europas Streit, sondern auch in der Bundesregierung. Deutschland sendet international unterschiedliche Signale – und das wird zunehmend zum Problem.

Scholz: "Sorgfalt vor Schnellschuss"

In der Außenwahrnehmung wirkt Deutschland gelegentlich wie ein Ruderboot, in dem unterschiedlich schnell gerudert wird, weil die Kommandos des Steuermanns nicht gehört werden. Deutlich wurde das auch auf der Sicherheitskonferenz. Mit seinem Auftritt in München am Freitag wollte Kanzler Olaf Scholz (SPD) klarmachen, wer die Leitlinien in der deutschen Außenpolitik bestimmt. Er. Und eben nicht seine Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).

Deswegen ließ Scholz es sich nicht nehmen, am Freitag als erster deutscher Vertreter die Sicherheitskonferenz mitzueröffnen. Mit seiner Rede wollte der Kanzler der Ukraine Deutschlands unerschütterliche Unterstützung zusichern und gleichzeitig hervorheben, dass er die "Balance" bei der Waffenhilfe für die ukrainischen Verteidiger im Blick habe, damit der Krieg nicht über die Grenzen der Ukraine hinaus eskaliert.

Es gehe um Krieg. "Wir tun gut daran, alle Konsequenzen unseres Handelns sorgfältig abzuwägen", sagte der SPD-Politiker in seiner Rede. "Es gilt: Sorgfalt vor Schnellschuss, Zusammenhalt vor Solovorstellung." Das ist auch als Botschaft an Baerbock zu verstehen, die in den vergangenen Wochen immer wieder mit Scholz über den deutschen Kurs stritt und in der Panzer-Debatte im französischen Fernsehen sogar einen Alleingang wagte. Mehr dazu lesen Sie hier.

Scholz wirbt für Geschlossenheit. In seinem Kabinett ist diese aber nicht wirklich vorhanden – und auch international ringt der Westen um die Frage, welche Kriegsziele man in der Ukraine verfolgen sollte. Dieser Kursstreit sorgt für Risse im Bündnis gegen Putin und für Misstrauen untereinander.

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Führung bedeutet nicht Gleichschritt

In der Panzerfrage wird das besonders deutlich. Das Zögern des Kanzlers und die Tatsache, dass er seine Strategie selbst seinen Ministerinnen und Ministern kaum erklärt, sorgte national und international für Verärgerung. Scholz kann im Ukraine-Krieg deutsche Führung anbieten, doch als Politiker fällt es ihm persönlich schwer, voranzugehen. Applaus für seine Rede gibt es in München eher wenig, besonders im Vergleich zum Auftritt von Emmanuel Macron, der nach ihm sprach.

Scholz' Fürsprecher im Saal sagten im Anschluss an seine Rede, dass er seinen Ministern Raum zum Strahlen ließe. Seine Kritiker erklärten, dass der Kanzler selbst kaum eigene Strahlkraft in dieser Krisenzeit besitzen würde. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte.

Aber das bringt konkrete politische Probleme mit sich. Scholz hat lange gezögert und die USA unter Druck gesetzt, bis sich Deutschland für die Lieferung von Leopard-2-Panzern bereiterklärt hat. Doch nach dem deutschen Zögern sind nun auch viele andere Staaten zögerlich. Es kommen zu wenig Panzer und zu wenig Munition für die Ukraine zusammen. "Russland verschießt an einem Tag so viele Artilleriegranaten, wie Europa in einem Monat herstellt", erklärte Kaja Kallas, Premierministerin von Estland, in München.

Ein strategischer Gleichschritt ist die beste Strategie gegen Putin. So kann der Westen die Verantwortung auf möglichst viele Schultern verteilen und bestenfalls mit den USA die weltweit stärkste Militärmacht mit im Boot hat. Aber die Krise hat gezeigt, dass der Gleichschritt selten zeitgleich kommt. Es braucht Staaten, die vorangehen. Und das war in der Wahrnehmung einiger oft nicht die Bundesregierung.

Pistorius nennt anderes Kriegsziel als Scholz

Scholz möchte vorsichtig sein. Er sagt auch in München nicht, dass die Ukraine den Krieg "gewinnen" soll. Das hatte zuvor nur Annalena Baerbock erklärt, der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte den Satz dann auf der Sicherheitskonferenz. In der internationalen Wahrnehmung zeigten Pistorius und Baerbock in München Empathie und Entschlossenheit, Scholz bewies dagegen nüchternes Verantwortungsbewusstsein.

Klar: Scholz, Pistorius und Baerbock sind drei unterschiedliche Charaktere und haben verschiedene Rollen in der Regierung. Es braucht in diesem Konflikt mit Russland beides, Nüchternheit und die Fähigkeit, Menschen mitzureißen. Aber am Ende geht es auch darum, die internationalen Partner nicht zu verwirren. Denn es ist für viele internationale Beobachter noch immer unklar, welche Kriegsziele Deutschland verfolgt. Die des Kanzlers oder die der Außenministerin?

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In der aktuellen Debatte um Munition und um Kampfflugzeuge für die Ukraine ging fast unter, dass Scholz in München Deutschland internationale "Führung" bescheinigte. Auch das markiert eine Zeitenwende in der deutschen Außenpolitik. Aber es ist keine selbstbewusste Führungsrolle, sondern eine, die sich an den Amerikanern orientiert und dort einhakt. Darüber sind in Europa nicht alle glücklich.

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Drohende Gefahr in den USA

Letztlich ist es nicht nur Baerbock, die sich von Deutschland international mehr Eigenständigkeit wünscht. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron hat eine andere Vision von Europa als Olaf Scholz. In München wurden die aktuellen Risse in der deutsch-französischen Beziehung besonders deutlich: Als Scholz sprach, war Macron nicht im Saal. Als der französische Präsident danach seine Rede hielt, ging der Kanzler nach draußen.

Video | Ton zwischen China und USA wird rauer
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Quelle: Reuters

Macron würde die Europäische Union sicherheitspolitisch eigenständiger aufstellen. Mit Waffensystemen, die nicht von den Amerikanern gekauft werden, sondern die in Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich entwickelt werden. Aus der Sicht Frankreichs investiert die Bundesrepublik nun endlich Geld in die eigene Verteidigung, aber subventioniert damit amerikanische Arbeitsplätze und eben nicht europäische. Das ist ein Grund, warum die Beziehungen momentan angespannt sind.

Dementsprechend knirscht es zwischen Scholz und Baerbock und zwischen Scholz und Macron. Auf der Sicherheitskonferenz wurde deutlich, dass ihre Zusammenarbeit keine Liebesheirat ist, sondern eher ein Bündnis aus Vernunft.

Die wahre Gefahr für den Westen – neben dem Ringen mit China und Russland – liegt aber ganz woanders. Neben US-Vizepräsidentin Kamala Harris reiste auch eine Rekorddelegation des US-Senats nach München. Damit wollten die Amerikaner zeigen, dass Demokraten und Republikaner fest an der Seite der europäischen Bündnispartner stehen. Doch in Wahrheit geht es um die nächsten US-Präsidentschaftswahlen, die schon im Jahr 2024 stattfinden, und sollte dann Donald Trump oder jemand wie Donald Trump ins Weiße Haus einziehen, würde dies das Bündnis erneut erschüttern. Und Olaf Scholz bräuchte eine neue Strategie.

Verwendete Quellen
  • Redebeiträge auf der Sicherheitskonferenz in München
  • Eigene Recherche
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