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Zum journalistischen Leitbild von t-online.G7-Gipfel Trump will nicht mehr
Die Konfrontation zwischen Israel und dem Iran überschattet den G7-Gipfel. Die Staats- und Regierungschefs wollen mit Donald Trump ein Zeichen der Geschlossenheit setzen. Das gelingt nur halb, denn er verlässt den Gipfel vorzeitig.
Johannes Bebermeier berichtet aus Kananaskis, Bastian Brauns berichtet aus Washington
Friedrich Merz lächelt gequält. Der Bundeskanzler steht im Bergdorf Kananaskis vor Journalisten, die Sonne scheint, in seinem Rücken erheben sich die kanadischen Rocky Mountains. Könnte schlechter sein, eigentlich. Doch als Merz gefragt wird, was er davon halte, dass Wladimir Putin in der Konfrontation zwischen Israel und dem Iran vermitteln will, da nützt auch die Kulisse des G7-Gipfels in Kanada nichts mehr.
Das hat ja gerade noch gefehlt, so kann man sein gequältes Lächeln deuten. Auch wenn er das als Bundeskanzler etwas diplomatischer ausdrücken muss. "Ich sehe persönlich nicht, dass der russische Staatspräsident in diesem Konflikt eine vermittelnde Rolle spielen könnte", sagt Merz also. Und: "Es wäre gut, wenn Russland seinen Krieg in der Ukraine beendet." Das liege immerhin "ausschließlich und allein" in Putins Hand.
Es ist der Montagvormittag in Kanada, der Gipfel hat noch gar nicht richtig begonnen. Noch scheint alles in Ordnung, jedenfalls den Umständen entsprechend. Und die sind natürlich ohnehin schon mies. Dass der G7-Gipfel in Kanada mit Krisen überfrachtet sein würde, war von vornherein klar: der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, Donald Trumps Zollpolitik oder die Zukunft der Nato. Mit den Angriffen Israels auf militärische Ziele im Iran ist in den vergangenen Tagen nun ein weiterer Großkonflikt hinzugekommen.
Wirklich substanzielle Beschlüsse erwartet kaum jemand vom G7-Gipfel. Die Hoffnung ist trotzdem, zumindest ein Zeichen der Geschlossenheit in die Welt senden zu können. Doch selbst das gelingt nicht so wie geplant. Trump verlässt den Gipfel schon am ersten Tag. Der Westen steckt erkennbar in einer Krise.
Erst die Warnung – dann die Abreise
Es ist später Nachmittag in Kanada, als die Hoffnungen auf ein Zeichen der Einigkeit zerplatzen. Über sein soziales Netzwerk Truth Social wettert Trump zuerst gegen den Iran, dass das Regime endlich einen Deal unterzeichnen solle. "Niemals kann der Iran eine Nuklearwaffe besitzen", schreibt Trump. Dann folgt eine Warnung, die aufschrecken lässt: "Jeder sollte Teheran sofort verlassen." Was das heißen soll, weiß in diesem Moment noch niemand.
Dann folgen die ersten Meldungen: erneute heftige Explosionen an mehreren Orten im Iran, auch nahe Teheran. Trumps Sprecherin Karoline Leavitt lässt die Öffentlichkeit wissen: Der Präsident esse mit den anderen Staats- und Regierungschefs noch zu Abend. Dann fliege er sofort zurück nach Washington. Der Grund sei, "was gerade im Nahen Osten geschieht", schreibt Leavitt auf der Plattform X.
Noch vor dem Abflug aus Kanada teilt Trump seinem Nationalen Sicherheitsrat mit, sich nach seiner Rückkehr in die Hauptstadt im Situation Room, dem Lagezentrum des Weißen Hauses einzufinden.
Was genau hinter Trumps Abreise steckt, ist bislang nicht klar. Gibt es jetzt eine Gelegenheit für eine diplomatische Lösung? Oder werden die USA nun doch in den Krieg eingreifen, indem das US-Militär die unterirdischen iranischen Nuklearanlagen zerstört? Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth sagt beim Sender "Fox News" lediglich: "Wir haben Assets in der Region und die werden wir verteidigen."
Trumps widersprüchliche Signale
Der amerikanische Präsident hatte schon seit Tagen widersprüchliche Signale ausgesendet, und das als engster Verbündeter Israels. Einerseits ist jedem beim Gipfel klar, dass Donald Trump nur den Daumen zu Benjamin Netanjahus Vorgehen senken müsste, um den Krieg zu stoppen. Ohne Trumps Zustimmung, da sind sich die meisten Beobachter sicher, wäre der Angriff auf den Iran gar nicht geschehen.
Andererseits fürchtet Trump nichts mehr, als direkt in diesen Krieg hineingezogen zu werden. Er will als Präsident gesehen werden, der Kriege beendet und Frieden bringt. Eine Eskalation im Nahen Osten kann er sich darum eigentlich politisch kaum leisten. Seit Tagen betont er öffentlich, "in keiner Weise" beteiligt zu sein und fordert die iranische Regierung auf, endlich einem Deal zuzustimmen. Zugleich warnt Trump, dass eine Beteiligung der USA im Zweifel jederzeit möglich sei.
Um den Druck zusätzlich zu den Angriffen Israels zu erhöhen, baut der Präsident eine Drohkulisse auf. In der Hoffnung, dass das Regime in Teheran nicht auf den Gedanken kommt, US-Truppen anzugreifen oder die Handelswasserstraße von Hormus zu blockieren. Die Amerikaner verlegen nun ihren Flugzeugträger U.S.S. Nimitz aus Südostasien in die Kriegsregion. Mehrere Tankflugzeuge sind ebenfalls entsendet.
Die Sorge ist groß
Die große Sorge ist: Was, wenn die Situation auch nur versehentlich weiter außer Kontrolle gerät? Was, wenn verbündete Staaten in die Konfrontation hineingezogen werden? Zumindest diese Befürchtungen scheinen die G7 am Montag noch zu vereinen, zumindest für die meiste Zeit des Tages.
Bundeskanzler Friedrich Merz spricht das am kanadischen Montagmorgen ganz offen aus, als er in der Sonne vor der Kulisse der Rocky Mountains steht und die Fragen der Journalisten beantwortet. "In dem Augenblick", sagt Merz, in dem amerikanische Militärbasen oder wichtige Handelsrouten betroffen seien, "würden die Amerikaner ziemlich sicher auch eingreifen".
Donald Trump wiederum lässt schon im Tagesverlauf offen, was eigentlich seine Schwelle ist, um doch aktiv in den Krieg einzugreifen. "Darüber möchte ich nicht sprechen", sagt Trump vor Reportern. Auf Eskalation scheint er noch am Vormittag eher nicht aus zu sein. Als Trump mit Gastgeber Mark Carney, dem Premierminister von Kanada, bei seinem ersten offiziellen Termin des Tages vor die Presse tritt, wird er gefragt, ob es Signale gebe, dass der Iran reden wolle. "Ja", antwortet Trump. "Sie wollen reden, aber sie hätten das früher tun sollen." Nun sei es "für beide Seiten schmerzhaft".
Immerhin eine Erklärung
Unter den übrigen G7-Mitgliedern hatte es bereits vor Beginn des Gipfels große Hoffnungen gegeben, eine gemeinsame Position zu Israel und dem Iran sogar in einer schriftlichen Erklärung festhalten zu können. Schon tagelang ringen Unterhändler um Formulierungen, mit denen alle Staats- und Regierungschefs leben können.
Als Friedrich Merz den US-Präsidenten am Montagvormittag als einen der Ersten zu einem kurzen Zweiergespräch trifft, ist der Krieg zwischen Israel und dem Iran ein "Hauptthema", wie es aus deutschen Regierungskreisen heißt. Man sei sich "einig" gewesen, dass man "Wege aus der Eskalation finden" und das "Atomprogramm beendet werden" müsse.
Kanada hatte sich als Organisator von Beginn an dafür entschieden, lieber zu versuchen, mehrere spezifische Erklärungen zu verschiedenen Themen abzustimmen als eine große Abschlusserklärung. Und das alles, damit Trump sie am Ende nicht rückwirkend aufkündigt, wie schon einmal 2018, ebenfalls beim G7-Gipfel in Kanada.
Am Ende stellt sich zumindest das als klug heraus. Trump löst zwar mit seiner Abreise schon während des Gipfels gewaltige Unruhe aus. Eine gemeinsame Erklärung zu dem Iran und Israel verabschieden die G7 trotzdem noch. Man verständigt sich insbesondere auf folgende Aussagen: Israel habe das Recht, "sich zu verteidigen". Der Iran wird außerdem als "die Hauptquelle regionaler Instabilität und Terrors" bezeichnet. Das Land, so das Kommuniqué, dürfe "niemals über Atomwaffen verfügen".
Unterschiedlich große Kritik an Netanjahu
Dabei ist bei der Suche nach einer geschlossenen Haltung zum Krieg zwischen Israel und dem Iran bei diesem Gipfel eben nicht nur Trump das Problem. Der Westen ist auch abseits von ihm uneinig, wie mit der israelischen Regierung von Benjamin Netanjahu umzugehen ist.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron etwa hat nach den harten Angriffen Israels im Gazastreifen angekündigt, Palästina offiziell als Staat anerkennen zu wollen. Das sei ein "moralisches und politisches Erfordernis", sagte Macron. Israels Regierung sieht das hingegen als Lohn für den Terror der Hamas.
Merz hatte Israel für das Vorgehen in Gaza zwar zuletzt auch überaus deutlich kritisiert. Er verstehe "offen gestanden nicht mehr, mit welchem Ziel" Israel dort vorgehe, hatte er unter anderem gesagt. Doch eine Anerkennung Palästinas ist kein Thema, genauso wenig wie Sanktionen gegen israelische Minister. Merz' Worten folgten bislang keine Taten.
Andere Staaten hatten Sanktionen verhängt, fünf an der Zahl, darunter auch G7-Gastgeber Kanada und G7-Mitglied Großbritannien. Sie haben die Vermögen des Finanzministers und des Polizeiministers eingefroren und Einreisesperren gegen sie verhängt. Als Begründung hieß es, sie hätten "zu extremistischer Gewalt und schwerwiegenden Verstößen gegen die palästinensischen Menschenrechte" aufgerufen.
Merz dieses Mal eng an der Seite Israels
Es gibt also unabhängig von dem gemeinsamen Statement im Westen sehr verschiedene Meinungen dazu, wie eng man an der Seite der israelischen Regierung stehen sollte. Friedrich Merz' Antwort lautet diesmal: sehr eng. Das betont er schon, als er am Sonntag noch in Berlin steht, hinter ihm der Regierungsflieger, vor ihm viele Mikrofone der Journalisten.
Vier Ziele habe er, sagt Merz. Erstens, der Iran dürfe keine Nuklearwaffen entwickeln und besitzen. Zweitens: "Israel hat das Recht, seine Existenz und die Sicherheit seiner Bürger zu verteidigen." Drittens: Keine Ausweitung des Konflikts, Teheran müsse mit der Bombardierung aufhören. Viertens: Wieder Raum für Diplomatie.
Als der Bundeskanzler am Montagmorgen in Kanada vor den Journalisten steht, geht er noch weiter. Er wolle in einer Erklärung das "Selbstverteidigungsrecht des Staates Israel" betonen, sagt er. Also mehr als nur das Existenzrecht.
Dem Kanzler ist wohl schon da klar, dass es mit diesem Begriff schwierig werden dürfte. Er ist eindeutig besetzt. Und aus Sicht vieler Völkerrechtler kann sich Israel in diesem Fall eben nicht auf das Selbstverteidigungsrecht berufen, weil ein Angriff des Iran nicht unmittelbar bevorstand. Das sehen wohl auch viele Staats- und Regierungschefs so. Friedrich Merz offensichtlich nicht.
Auf dem Gipfel wirken diese Unterschiede am Ende dieses ersten Tages ohnehin fast irrelevant. Immerhin das hat Trump mit seinem vorzeitigen Aufbruch und seiner Zustimmung zur G7-Erklärung erreicht.
Menschen verlassen Teheran
Als Trump seine Rückreise aus den kanadischen Bergen nach Washington ankündigt, scheint in der iranischen Hauptstadt Panik auszubrechen. Aufgeschreckt von Nachrichten und Explosionen verlassen die Bewohner Teherans offenbar mitten in der Nacht in Massen die Stadt, in deren Großraum rund 16 Millionen Menschen leben. So zumindest zeigen es Videos, die in sozialen Netzwerken geteilt werden. Das US-Außenministerium warnt seine Bürger, unter keinen Umständen in den Iran zu reisen – und falls sie dort sind, "sofort auszureisen".
Kurz vor der Abreise gibt Trump sich fast betroffen. "Ich wünschte, ich könnte bis morgen bleiben", sagt er zu Reportern. Die von ihm zurückgelassenen Staats- und Regierungschefs seien informiert. "Aber sie verstehen das." Was bleibt ihnen angesichts der Lage auch anderes übrig. Immerhin gibt es am Schluss noch ein gemeinsames Foto mit dem US-Präsidenten. So viel Zeit muss dann doch sein.
- Begleitung der Reise des Bundeskanzlers zum G7-Gipfel in Kanada
- wsj.com: "A Battered Iran Signals It Wants to De-escalate Hostilities With Israel and Negotiate" (Englisch, kostenpflichtig)
- cnn.com: "Trump breaks with G7 allies in declining to condemn Israel over strike on Iran" (Englisch)
- spiegel.de: "Israel und Iran: "Dieser Angriff war klar völkerrechtswidrig", sagt Rechtsprofessor Kai Ambos" (kostenpflichtig)
- twz.com: "Armada Of USAF Tankers Just Deployed East Over Atlantic Spurring Speculation" (Englisch)
- Profil von Donald Trump bei Truth Social (Englisch)
- Presse-Bemerkungen von Donald Trump (Englisch)