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Die Welt steht am Abgrund des Autoritarismus


Sicherheitskonferenz in München
Die Welt steht am Abgrund des Autoritarismus

  • Jonas Mueller-Töwe
MeinungEin Kommentar von Jonas Mueller-Töwe

16.02.2018Lesedauer: 4 Min.
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Marschierende Soldatinnen in Nordkorea: Droht ein Jahrhundert des Autoritarismus, vor dem der Soziologe Ralf Dahrendorf vor mehr als 20 Jahren warnte?Vergrößern des Bildes
Marschierende Soldatinnen in Nordkorea: Droht ein Jahrhundert des Autoritarismus, vor dem der Soziologe Ralf Dahrendorf vor mehr als 20 Jahren warnte? (Quelle: Archivbild/Miguel Toran/dpa-bilder)

Schwache internationale Institutionen stürzen die Welt angesichts stärker werdender autoritärer Regime in die Krise. Die freiheitliche Ordnung ist unter Beschuss – auch in Europa steht die Demokratie wieder zur Debatte.

In Europa herrscht Krieg. Er wird mit Waffen geführt. Mit Informationen. Mit Verfügungen und Gesetzen. Eine seiner Fronten verläuft durch die Ukraine, andere verlaufen durch ganze Gesellschaften. Und Europa ist nur ein Schauplatz der Konfrontation. Weltweit ringen freiheitliche und autoritäre Kräfte um Dominanz. In München sitzen ab Freitag viele von ihnen am gleichen Tisch, sprechen am gleichen Podium.

Die Welt zu Gast im "Bayerischen Hof"

Sie reisen als Gäste zur Sicherheitskonferenz im Nobelhotel "Bayerischer Hof" an, sprechen über Krieg und Frieden, die Lage in Syrien.

Der russische Außenminister wird dort erwartet, dessen Staat einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, in Syrien bombt und der zu Hause Oppositionelle einsperrt. Der türkische Ministerpräsident reist an, dessen Staat ebenfalls Krieg in Nordsyrien führt, seine Bürger zu Zehntausenden einsperren lässt und Journalisten in Geiselhaft hält.

Und auch der iranische Außenminister darf sprechen, dessen Staat Terrormilizen in Syrien und im Libanon finanziert und der seine Bürger mit einer Sittenpolizei in Schach hält. Mit dem saudi-arabischen Gesandten ist zudem eines der autoritärsten Regime der Welt vertreten – brutal, unmenschlich, totalitär – das den Jemen mit Krieg überzieht.

Der Autoritarismus dieser Staaten ist nicht nur eine Gefahr für die eigene Bevölkerung – der militärische Konflikt ist Teil ihrer außen- und innenpolitischen Strategie. Und sie sind auf dem Vormarsch: Der Impulsbericht für die Sicherheitskonferenz stellt fest: Die freiheitliche Ordnung der Welt befindet sich in einer schweren Krise, der Autoritarismus ist auf dem Vormarsch. Weniger politische Rechte und bürgerliche Freiheiten hatten die Menschen weltweit seit zehn Jahren nicht mehr.

Angriff auf die Zivilgesellschaft

Der Autoritarismus, dessen Wesen es ist, gegen die Zivilgesellschaft vorzugehen, ist dabei auch wieder in Europa angekommen.

Denn auch Österreichs Kanzler Sebastian Kurz sitzt in München mit am Tisch. Er führt in der Alpenrepublik ein Bündnis mit der rechten FPÖ. Sein Vize-Kanzler ist ein ehemaliger Neonazi, der aus seinem neuen Amt heraus noch vor Kurzem den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ORF als "Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden" diffamierte. In Osteuropa, in Polen und Ungarn finden Männer wie er ihre politische Entsprechung in Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán oder dem starken Mann von Polens Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski. Der Angriff des nationalistischen Staates auf die Zivilgesellschaft ist seit Jahren auch dort in vollem Gange. In Deutschland würde die AfD diesen Part gerne spielen, in Frankreich der Front National.

"Feindliche revisionistische Macht im Oval Office"

Neu ist – das stellt auch der vorab zur Konferenz herausgegebene "Munich Security Report" fest –, dass die wichtigsten Attacken gegen die internationale Freiheitsordnung zuletzt aus den USA kamen, die lange als Garant eben dieser Ordnung auftraten. Frisch im Amt stellte US-Präsident Donald Trump die Nato infrage, die angesichts russischer Destabilisierungsversuche in Europa dringender denn je gebraucht wird.

Ob die Verbündeten sich noch auf den atlantischen Partner verlassen können? Wer wird in dieses Vakuum vorstoßen?

Der Bericht zitiert hinsichtlich der Neuausrichtung der US-amerikanischen Außen- und Bündnispolitik den Politikwissenschaftler G. John Ikenberry: "Eine feindliche revisionistische Macht ist auf die Bühne getreten, aber sie sitzt im Oval Office, dem schlagenden Herzen der freien Welt."

Wie fern ist also noch das "Jahrhundert des Autoritarismus", vor dem der Soziologe Ralf Dahrendorf bereits vor über 20 Jahren warnte?

2018 steht die Welt am Scheideweg

Die Organisatoren der Konferenz in München gehen davon aus: Im Jahr 2018 könnte die Welt am Scheideweg stehen: Deeskalation oder Katastrophe.

Die zwischenstaatlichen Krisen, die den Aufstieg der autokratischen Gegenwelle begleiten, könnten schnell zum nuklearen Ernstfall führen – und sei es nur durch Missverständnisse. Die zunehmende Instabilität durch die Schwäche der internationalen Institutionen führe zu einer immer weiteren Eskalation: Sämtliche Versuche, Wettrüsten und die weitere Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu verbieten, könnten unter diesen Voraussetzungen zum Scheitern verurteilt sein.

Die Kriegsgefahr steigt, auch in Europa, weil gerade die autoritären Staaten unverändert auf Eskalation setzen und die liberalen Demokratien noch keine Antwort darauf gefunden haben.

Russland hat das außenpolitische Repertoire schon vor Jahren um nukleare Drohungen gegen Europa erweitert, inklusive ausufernder Angriffskriegsübungen an den Außengrenzen.

Neutrale Staaten in der Klemme

Die Provokationen gingen so weit, dass die Nato ihre Verbündeten in Osteuropa durch die Stationierung von konventionellen Truppen beruhigen musste. Das bis zum heutigen Tage neutrale Schweden sieht sich mittlerweile gezwungen, durch gemeinsame Militärübungen den Schulterschluss gegen Russland zu demonstrieren. Mittelfristig wird die Nato nicht umhin kommen, ein neues Konzept der nuklearen Abschreckung zu entwickeln.

Und damit ist noch nicht über den Nahen Osten gesprochen worden, wo mit dem Iran und Saudi-Arabien zwei autoritäre Staaten um die Hegemonie in der Region ringen – und wo sich mit den USA und der Türkei bald zwei Nato-Partner an der Front gegenüberstehen könnten. Während China in Asien und im pazifischen Raum dominanter wird.

Die Münchner Sicherheitskonferenz wird vielleicht einen kleinen Einblick geben, ob einige zwischenstaatliche Eskalationen noch umgangen werden können. Der Kampf zwischen freiheitlichen und autoritären Kräften ist deswegen noch lange nicht entschieden. Ob die westlichen Demokratien den Konflikt überdauern werden, ist noch nicht abzusehen.

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