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Ukraine-Krise: Boris Johnson: "Das kann der größte Krieg in Europa seit 1945 sein"


Boris Johnson: "Das kann der größte Krieg in Europa seit 1945 sein"

Von dpa, t-online, afp
Aktualisiert am 20.02.2022Lesedauer: 6 Min.
Boris Johnson: Der britische Premierminister zeichnet eine düstere Prognose im Ukraine-Konflikt.Vergrößern des BildesBoris Johnson: Der britische Premierminister zeichnet eine düstere Prognose im Ukraine-Konflikt. (Quelle: ZUMA Wire/imago-images-bilder)
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Während auf der Münchner Sicherheitskonferenz Politiker für friedliche Lösungen werben, testet der Kreml Raketen. Und Boris Johnson fürchtet einen historischen Krieg.

Neue Kämpfe im Konfliktgebiet in der Ostukraine haben die Sorgen vor einer Eskalation verschärft. Am Samstag setzten die Regierungsarmee und die von Russland unterstützten Separatisten den gegenseitigen Beschuss fort. Nach Angaben der ukrainischen Armee wurden zwei Soldaten getötet und vier weitere verletzt.

Die Aufständischen in den Gebieten Donezk und Luhansk ordneten angesichts der Lage eine allgemeine Mobilmachung von Männern für Kampfeinsätze an. Die Evakuierungen der Städte und Dörfer in den Regionen nach Russland gingen weiter.

Johnson: "Unglaubliche Ausdehnung"

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson hat in einem Interview mit der BBC eine deutliche Warnung ausgesprochen: "Der Plan, den wir sehen, könnte für etwas sein, das der größte Krieg in Europa seit 1945 ist", sagte der Regierungschef, "schon wegen der unglaublichen Ausdehnung."

Er sagte weiter: "Alles deutet darauf hin, dass der Plan in gewisser Weise schon begonnen hat", sagte Johnson, der in den vergangenen Tagen bereits sehr offensiv vor russischen "Operationen unter falscher Flagge" gewarnt hatte. So werden bewusst inszenierte Aktionen bezeichnet, für die im Nachhinein andere – in diesem Fall ukrainische Kräfte – verantwortlich gemacht werden. Russland könne etwas inszenieren, um einen Vorwand für einen Einmarsch zu schaffen, so die Sorge.

"Die Leute müssen wirklich verstehen, wie viele Menschenleben betroffen sein könnten", warnte Johnson in Bezug auf die drohende Eskalation und kündigte erneut scharfe Sanktionen für diesen Fall an. Großbritannien und die USA würden es russischen Unternehmen unmöglich machen, "in Pfund und Dollar zu handeln", was diese schwer treffen werde. Allerdings räumte Johnson auch ein, dass der russische Präsident Wladimir Putin sich davon nicht notwendigerweise aufhalten lassen werde. Man müsse annehmen, dass Putin derzeit möglicherweise irrational agiere und "die Katastrophe" nicht kommen sehe.

Separatisten wollen Reservisten mobilisieren

Der Chef der Aufständischen im Gebiet Donezk, Denis Puschilin, rief Reservisten auf, sich an die Meldestellen des Militärs zu wenden. "Ich appelliere an alle Männer der Republik, die in der Lage sind, eine Waffe in der Hand zu halten, sich für ihre Familien, ihre Kinder, ihre Frauen, ihre Mütter einzusetzen." Auch im benachbarten Gebiet Luhansk gab es einen solchen Appell. Männer im Alter von 18 bis 55 Jahren dürften die Region nicht verlassen.

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Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zählt immer mehr Explosionen in der Ostukraine: Am Freitag habe es mehr als 1.400 Detonationen nach 654 einen Tag zuvor gegeben, teilten Beobachter der OSZE mit. Laut einem Diplomaten wurden am Samstag sogar fast 2.000 Explosionen gezählt. Laut der Armee sind zwei ukrainische Soldaten getötet worden, vier weitere wurden verletzt.

Selenskyi will russische "Provokationen" ignorieren

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will nach französischen Angaben nicht auf Russlands "Provokationen" in der Ostukraine antworten. Selenskyj habe in einem Telefonat mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron betont, dass er auf die "Provokationen" an der sogenannten Kontaktlinie im umkämpften Osten des Landes nicht mit Gegenmaßnahmen reagieren werde, teilte der Elysée-Palast am Samstag mit. Selenskyj habe Macron gebeten, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Bereitschaft seiner Regierung zum Dialog zu übermitteln.

Im Westen wird befürchtet, dass Kremlchef Wladimir Putin die dortigen Kämpfe als einen Vorwand für einen Einmarsch in die Ukraine nutzen könnte, indem er behauptet, dass er die prorussische Bevölkerung in der Ostukraine schützen müsse. Der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte am Samstagabend, alles deute darauf hin, dass Russland einen "vollständigen Angriff" plane. "Es werden keine Truppen zurückgezogen, wie Russland das angibt, sondern es kommen neue Truppen hinzu."

Russland testet Raketen

Inmitten der Spannungen hielt Russland am Samstag zudem ein Manöver mit Raketen ab, die mit Atomsprengköpfen bestückt werden können. Das russische Verteidigungsministerium hatte das Manöver in Belarus am Freitag angekündigt. Es soll demnach im Voraus geplant gewesen sein. Ziel sei, die strategischen Nuklearwaffen auf ihre Zuverlässigkeit zu testen. Die Armee feuerte laut Kreml-Mitteilung ballistische Raketen und Marschflugkörper ab. Zudem sei eine Hyperschallrakete vom Typ Kinschal (Dolch) erfolgreich getestet worden.

Zusammen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin beobachtete der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko das Manöver vom Kreml in Moskau aus. Auf Fotos von Staatsmedien waren die Politiker an einem großen Tisch zu sehen. Lukaschenko war bereits am Freitag zu Gesprächen in die russische Hauptstadt Moskau gereist.

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Selenskyj fordert Unterstützung

Während Putin Raketen testen ließ, fand in München die jährliche Sicherheitskonferenz statt. Putin hatte die Einladung dazu ausgeschlagen, mehr dazu lesen Sie hier. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reiste hingegen für einen Tag nach München an und rief zu mehr internationaler Unterstützung für sein Land auf. Für den Fall eines russischen Angriffs kündigte er entschlossenen Widerstand an. "Wir werden unser Land schützen, mit oder ohne Unterstützung unserer Partner", sagte Selenskyj.


Für den Fall eines Einmarsches in die Ukraine drohten Teilnehmer der Sicherheitskonferenz der russischen Führung erneut Vergeltung an. Die EU und ihre transatlantischen Partner arbeiteten weiter an einem robusten Paket finanzieller und wirtschaftlicher Sanktionen, auch in Sachen Energie und Spitzentechnologie, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. "Das riskante Denken des Kreml, das aus einem dunklen Gestern stammt, könnte Russland seine blühende Zukunft kosten."

Die EU selbst ist nach Angaben von der Leyens mittlerweile vollständig für den Fall eines Stopps von russischen Gaslieferungen gerüstet. "Heute kann ich Ihnen mitteilen, dass – selbst bei einer völligen Unterbrechung der Gasversorgung durch Russland – wir diesen Winter auf der sicheren Seite sind", sagte sie.

China ruft zu friedlicher Lösung auf

Neben der russischen Führung machte von der Leyen auch der chinesischen Führung Vorwürfe. Für beide stehe "das Recht des Stärkeren über der Rechtsstaatlichkeit, die Einschüchterung über der Selbstbestimmung, der Zwang über der Zusammenarbeit", sagte sie.

Chinas Außenminister Wang Yi unterstützte auf der Münchner Sicherheitskonferenz Appelle für eine friedliche Lösung des Ukraine-Konflikts. Wang Yi kritisierte allerdings nicht nur den Westen, sondern überraschenderweise auch Russland. Mehr dazu lesen Sie hier.

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"Warum können sich nicht alle Seiten zusammensetzen und detailliert Gespräche führen und einen Zeitplan erarbeiten, wie dieses Abkommen umgesetzt werden kann?", sagte er am Samstag laut Übersetzung. "Das ist das, was alle Parteien tun sollten, worauf sie sich konzentrieren sollen – anstatt die Spannungen zu erhöhen, Panik zu schüren und vielleicht sogar noch das Risiko eines Krieges zu sensationalisieren."

Biden rechnet mit Angriff

US-Präsident Joe Biden hatte zuvor in Washington gesagt, dass er einen baldigen Angriff auf die Ukraine – auch auf deren Hauptstadt Kiew – erwarte. "Wir haben Gründe zu glauben, dass das russische Militär plant und vorhat, die Ukraine in der kommenden Woche, in den kommenden Tagen, anzugreifen", sagte er.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagte dazu in München: "Wir stehen, so unvorstellbar das klingen mag, vor der greifbaren Gefahr einer kriegerischen Auseinandersetzung mitten in Europa." Man wisse aber nicht, ob ein Angriff bereits beschlossene Sache sei.

Die Grünen-Politikerin hielt am Rande der Sicherheitskonferenz mit Kollegen der anderen führenden demokratischen Wirtschaftsmächte ein Krisentreffen ab und warnte Russland danach eindringlich vor einem Angriff auf die Ukraine. "Machen Sie diesen fatalen Fehler nicht, ziehen Sie Ihre Truppen ab, wenden Sie Schaden von der Ukraine und von Russland ab und lassen Sie uns reden", sagte sie an die Adresse der Regierung in Moskau gerichtet. Noch sei "die Geschichte nicht geschrieben". Noch gebe es einen einfachen Ausweg, den die russische Regierung jederzeit beschließen könne.

Scholz: "In Europa droht wieder ein Krieg"

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz warnte Russland eindringlich vor einem Angriff und rief zu Verhandlungen auf. "In Europa droht wieder ein Krieg", sagte der SPD-Politiker am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Der Anspruch müsse nun sein: "So viel Diplomatie wie möglich, ohne naiv zu sein."

US-Vizepräsidentin Kamala Harris erneuerte gegenüber Moskau Dialogbereitschaft, zeigte sich aber gleichzeitig pessimistisch. "Russland behauptet weiterhin, bereit für Gespräche zu sein, schränkt aber gleichzeitig die Möglichkeiten der Diplomatie ein", sagte sie. Das Handeln passe einfach nicht zu den Worten.

Deutsche sollen Land umgehend verlassen

Als Reaktion auf die Krise verkündete die Lufthansa ab Montag alle Flüge nach Kiew und Odessa vorerst auszusetzen. "Aufgrund der aktuellen Situation in der Ukraine werden die Airlines der Lufthansa Group ihre regulären Flüge nach Kiew und Odessa vorerst bis Ende Februar aussetzen", teilte das Unternehmen am Samstag auf Anfrage mit. Deutschland und Frankreich riefen ihre Staatsbürger in der Ukraine auf, das Land sofort zu verlassen.

Um gebuchten Passagieren eine Reisemöglichkeit anzubieten, würden an diesem Wochenende "noch einzelne Flüge" stattfinden, erklärte die Lufthansa. Von den abgesagten Flügen betroffene Gäste würden informiert und auf alternative Flugverbindungen umgebucht. Die Flüge nach Lemberg (Lwiw) fänden weiterhin statt.

Verwendete Quellen
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