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Corona-Pandemie: Ist eine Impfpflicht auch in Deutschland möglich?


Corona-Kurs in den USA
Ist eine Impfpflicht auch in Deutschland möglich?

  • David Schafbuch
  • Annika Leister
Von David Schafbuch, Annika Leister

Aktualisiert am 10.09.2021Lesedauer: 5 Min.
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Angela Merkel zu Besuch bei Joe Biden: Die Bundeskanzlerin hat bis jetzt immer wieder sich gegen eine Impfpflicht ausgesprochen. (Archivfoto)Vergrößern des Bildes
Angela Merkel zu Besuch bei Joe Biden: Die Bundeskanzlerin hat bis jetzt immer wieder sich gegen eine Impfpflicht ausgesprochen. (Archivfoto) (Quelle: UPI Photo/imago-images-bilder)

Die USA wollen mit einer Impfpflicht für viele Arbeitnehmer die nächste Corona-Welle brechen. Auch in Deutschland fordert eine Partei jetzt die Impfpflicht. Juristisch ist das zurzeit aber schwierig. Noch.

Die Geduld von Joe Biden ist offenbar am Ende. Nachdem die USA mit schwachen Impf- und gleichzeitig steigenden Infektionszahlen kämpfen, verkündete der US-Präsident einen neuen Kurs im Kampf gegen die Corona-Pandemie: "Wir werden geimpfte Mitarbeiter vor ungeimpften Kollegen schützen", versprach Biden am Donnerstag im Weißen Haus.

Seit Juli baut sich in den USA eine vierte Welle auf. Am Donnerstag vermeldeten die USA mehr als 170.000 Neuinfektionen innerhalb der vergangenen 24 Stunden, die Sieben-Tage-Inzidenz lag bei 316. Vor allem der Süden kämpft mittlerweile wieder mit vollen Intensivstationen.

Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Inzidenz zurzeit bei 84, das Robert-Koch-Institut meldete fast 13.000 Neuinfektionen am heutigen Freitag. Bei der Impfquote hat Deutschland die Amerikaner nach einem zähen Start überholt: Während hierzulande fast 62 Prozent der Menschen bereits vollständig geimpft sind, kommen die USA lediglich auf 52 Prozent.

Doch auch in der Bundesrepublik stockt der Impfturbo seit Wochen, die Appelle der Politik verfangen nicht mehr. Bei einigen Politikern reißt mit Blick auf den Herbst nun ebenfalls der Geduldsfaden bei Ungeimpften. Eine Partei macht konkrete Vorschläge für eine Impfpflicht. Aber wären ähnliche Maßnahmen wie in den USA hier rechtlich überhaupt denkbar?

Das sieht Bidens Aktionsplan für die USA vor

Biden hat einen Aktionsplan vorgestellt, der den Druck auf ungeimpfte Amerikaner deutlich erhöhen soll: Im Kern verhängt die US-Regierung eine Impfpflicht für zahlreiche Arbeitnehmer. Abgesehen von wenigen Ausnahmen aus gesundheitlichen oder religiösen Gründen wurde eine verpflichtende Impfung für alle Mitarbeiter von Behörden ausgesprochen. Sie gilt auch für jeden, der Aufträge der Regierung annimmt. Auch alle Mitarbeiter in Gesundheitseinrichtungen, die Zahlungen der staatlichen Krankenversicherung annehmen, müssen künftig eine vollständige Immunisierung gegen das Coronavirus nachweisen.

Darüber hinaus gilt die Pflicht landesweit für alle Unternehmen, die mehr als 100 Mitarbeiter beschäftigen. Alternativ können Arbeitnehmer dort aber pro Woche einen negativen Corona-Test vorlegen. Betroffen von den neuen Regelungen sind insgesamt rund 100 Millionen Menschen.

Grüne fordern Impfpflicht für mehrere Berufsgruppen

Die Grünen liebäugeln mit Bidens Plänen. Sie wollen in Deutschland ähnlich vorgehen und fordern in einem ersten Schritt eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen: Angestellte im Pflege-, Gesundheits- und Bildungsbereich sollen zeitnah zur schützenden Spritze verpflichtet werden, wenn es nach den Grünen geht. "Wenn es uns nicht zeitnah gelingt, die Impfquote unter diesen Beschäftigten auf das notwendige Maß zu steigern, dann muss es für diese Berufsgruppen sehr bald eine Impfpflicht geben", sagte Janosch Dahmen, Grünen-Politiker und Mitglied des Gesundheitsausschusses im Bundestag, t-online am Freitag.

Bisher haben die Grünen auf Aufklärung und Freiwilligkeit gesetzt. Mit Blick auf den Herbst aber wird Dahmen, der selbst Mediziner ist, zunehmend nervös. "Die Regierung duckt sich wegen des Wahlkampfs gerade weg", sagt er. Nur keine unangenehmen Nachrichten verbreiten, nur keine harten Einschnitte – so laute die Devise der Bundesregierung derzeit. "Doch wir können nicht bis nach der Wahl mit Maßnahmen warten. Jeder Tag zählt", findet Dahmen.

Wie Charité-Virologe Christian Drosten warnt Dahmen eindringlich vor dem Herbst, wenn sich das Leben wieder nach drinnen verlagert. Eine Impfquote von etwas über 60 Prozent reiche dann bei weitem nicht aus, eine Überlastung der Krankenhäuser und vor allem eine hohe Belastung für Familien drohe. Denn nun würden sich vor allem Kinder infizieren. Auch wenn sie seltener auf den Intensivstationen landeten: lange Krankheitsverläufe und Krankenhausaufenthalte seien möglich.

"Deutschland ist grade auch im europäischen Vergleich sehr weit zurückgefallen", kritisiert Dahmen. Nachbarländer wie Dänemark hätten Impfquoten weit über 80, Irland sogar über 90 Prozent. Davon sei Deutschland sehr weit entfernt. Der Grünen-Politiker sieht die Schuld klar bei der Bundesregierung: "Ich halte diese Impfunterschiede nicht für kulturell, sondern für politisch verursacht." Versagt habe die Bundesregierung bei der Aufklärung und bei dem Angebot mobiler Impfungen. Jetzt stehe sie in der Pflicht.

CDU: "Glaube, es gibt mehr Geimpfte als in der Statistik aufgeführt"

Noch aber stehen die Grünen als Mahner und Treiber für eine sehr viel härtere Gangart alleine da. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte immer wieder betont, eine Impfpflicht sei kein Thema. Abgesehen von den Grünen scheuen die anderen Parteien harte Einschnitte – und zweifeln zum Teil daran, dass überhaupt so harte Maßnahmen notwendig werden. "Ich glaube, dass wir mehr Geimpfte und Genesene haben, als derzeit in der Statistik aufgeführt sind", sagte Erwin Rüddel, Gesundheitsexperte der CDU im Bundestag, t-online. Rüddel weiß zum Beispiel von Betriebsärzten, die viele Menschen geimpft haben – aber nicht wissen, wie sie die Zahlen ans RKI melden sollen. Eine Umfrage gab zuletzt Mitte August Grund, an der Statistik zu zweifeln: Darin gaben im Vergleich zur RKI-Statistik ein wesentlich höherer Teil der Befragten an, bereits geimpft zu sein.

Von der SPD heißt es: Die Impfkampagne stocke, es sei nun extrem mühsam und zeitaufwendig, Menschen für die Impfung zu gewinnen. Zwingen wolle man aber niemanden. Ganz ähnlich klingt es bei der FDP: "Durch Anreize kann man wesentlich mehr erreichen als durch Zwang", sagte Christine Aschenberg-Dugnus t-online.

Im Gegensatz zu den Sozial- und Christdemokraten wollen die Liberalen nicht einmal indirekt Druck machen, indem sie Ungeimpften über die 2G-Regel den Zutritt zu bestimmten Bereichen des öffentlichen Lebens verbieten. Unisono plädieren CDU, SPD und FDP für neue, bessere Aufklärungskampagnen und mobile Impfangebote, die Menschen unmittelbar erreichen. Keine Spur gibt es hier von einer Impfpflicht, auch nicht für bestimmte Berufsgruppen.

Juristisch möglich – mit hohen Hürden

Rein juristisch ist eine Impfpflicht wohl möglich. Allerdings dürften die Hürden für ähnliche Maßnahmen wie in den USA in Deutschland sehr hoch sein. "Eine Impfpflicht ist möglich, wenn alles andere nicht mehr hilft", sagte Volker Boehme-Neßler t-online, Jurist für Öffentliches Recht an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Er geht davon aus, dass verpflichtende Impfungen nur dann durchsetzbar sind, wenn die Regierung mit anderen Maßnahmen die Impfquote nicht verbessern konnte, etwa durch Informationskampagnen oder durch mehr mobile Impfteams. Sollte sich danach die vierte Welle weiter verstärken, sei eine Impfpflicht denkbar. Den Punkt habe Deutschland aber noch nicht erreicht.

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Der Jurist hält es stattdessen für wahrscheinlicher, dass die Regierung ungeimpften Personen in den kommenden Wochen stückweise das Leben erschweren wird. Einige Maßnahmen wurden dafür bereits beschlossen: Ab Oktober wird ein Großteil der ungeimpften Bevölkerung für Corona-Schnelltests selbst zahlen müssen. Auch Lohnfortzahlungen für Ungeimpfte in Quarantäne könnten demnächst in einigen Bundesländern wegfallen: In Nordrhein-Westfalen wurde die Regelung bereits beschlossen, Baden-Württemberg und Bayern könnten bald folgen. "Die Schraube wird gerade auch in Deutschland angezogen", stellt Boehme-Neßler fest.

Lockdown für Ungeimpfte in Baden-Württemberg

Wozu dieser Weg im Herbst ohne eine Impfpflicht führen kann, zeigt sich ebenfalls in Baden-Württemberg: Sollte den Kliniken dort bald eine Überlastung drohen, könnte es zu einem Lockdown für Ungeimpfte kommen. Ohne Impfung hätten die Menschen dort dann etwa keinen Zugang mehr zu Restaurants, Kultur- oder Sportveranstaltungen. Eine entsprechende Verordnung soll ab Montag gelten.

Juristisch sieht Boehme-Neßler allerdings auch dort große Probleme: "Verfassungsrechtlich und auch politisch ist das noch problematischer. Denn dadurch werden große Teile der Bevölkerung ungleich behandelt." Bei den derzeitigen Impfquoten würde eine entsprechende Regelung bundesweit bedeuten, dass mehr als ein Drittel der Bevölkerung erneut mit großen Einschränkungen leben müsste. Boehme-Neßler nennt das "verfassungsrechtlich kaum machbar".

Verwendete Quellen
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