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Alexander Dobrindt über Migration: "Wir brauchen mehr Unterstützung des Bundes"


Geflüchtete aus der Ukraine
Dobrindt: "Wir brauchen deutlich mehr Unterstützung des Bundes"

Von dpa, jpd

28.12.2022Lesedauer: 4 Min.
Ukrainer stehen an einem polnischen Bahnhof Schlange: Seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine haben mehr als sieben Millionen ukrainische Flüchtlinge die polnische Grenze überquert. Seitdem sind viele Ukrainer in ihr Heimatland zurückgekehrt oder in verschiedene Länder weitergereist.Vergrößern des BildesUkrainer stehen an einem polnischen Bahnhof Schlange: Seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine sind Millionen Ukrainer geflüchtet. (Quelle: IMAGO/Dominika Zarzycka/imago-images-bilder)

Der Krieg in der Ukraine hat eine neue Migrationsbewegung ausgelöst. Insbesondere ein Bundesland zählt deutlich mehr neu ankommende Geflüchtete.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat den Bund zur stärkeren Unterstützung der Städte und Gemeinden bei der Unterbringung von Flüchtlingen etwa aus der Ukraine aufgerufen. "Wir erleben ja einen brutalen Krieg Putins gegen die Zivilbevölkerung mit dem Zerstören der Energie-, der Wasser-, der Versorgungsressourcen", sagte der Vorsitzende der CSU-Abgeordneten im Bundestag in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Natürlich wird das neue Migrationsbewegungen dann hervorrufen", ergänzte er.

Man werde die Hilfesuchenden unterstützen, versicherte Dobrindt. "Aber dazu braucht es auch eine stärkere Bereitstellung des Bundes an Möglichkeiten, das heißt auch an Gebäuden, an Versorgung, an Unterstützung. Das kann man nicht alles auf dem Rücken der Kommunen ausbaden lassen." Er forderte: "Wir brauchen deutlich mehr Unterstützung des Bundes jetzt für die Kommunen."

Ampel-Regierung will die Migrationspolitik reformieren

Zugleich unterstrich Dobrindt seine Vorwürfe an die Ampel-Regierung im Zusammenhang mit der Diskussion über einen leichteren Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft. "Die deutsche Staatsbürgerschaft darf nicht verramscht werden", wiederholte er seine in der Ampel, aber teils auch in der CDU umstrittene Äußerung. Der Bundesregierung warf er vor, mit der Vermischung von Themen wie der Fachkräftemigration, dem Asylsystem und dem Staatsbürgerschaftsrecht zur Polarisierung in den Debatten beizutragen.

Die Ampel-Regierung will die Migrationspolitik mit mehreren Gesetzesvorhaben reformieren. Um mehr Arbeitskräfte nach Deutschland zu locken, will sie etwa die Regeln für die Einreise und die Anerkennung von Berufsabschlüssen vereinfachen. Zuwandererinnen sollen den Plänen zufolge nach fünf Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten können, bei "besonderen Integrationsleistungen" nach drei Jahren – statt bislang nach acht Jahren. Unter anderem aus der Union kommt heftige Kritik an den Vorhaben.

Migration gewinnt als Protest-Thema an Gewicht

Der Verfassungsschutz rechnet zu Beginn des neuen Jahres damit, dass die Zuwanderung als Mobilisierungsthema im rechten Spektrum wieder stärker an Bedeutung gewinnen wird. "Die schlimmen Szenarien von einem "heißen Herbst" oder "Wutwinter", wie sie von vielen skizziert wurden, habe ich so nicht kommen sehen", sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, der Deutschen Presse-Agentur. Tatsächlich sei "das, was aktuell an Protesten läuft, eher ein laues Lüftchen". Er fügte hinzu: "Das weht hauptsächlich in Sachsen und Thüringen"; doch auch in diesen beiden Bundesländern seien die Teilnehmerzahlen rückläufig.

Einen deutlichen Anstieg der Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge ist 2022 in Sachsen zu bemerken. Nach Angaben der Landesdirektion kamen bis Ende November etwa 17.000 Asylsuchende in den Freistaat. In den beiden Jahren zuvor waren es 10.000 (2021) und 4.500 (2020). Zudem wurden bis Weihnachten knapp 60.000 Schutzsuchende aus der Ukraine erfasst. Insgesamt lebten zum Stichtag 30. November 29.000 Asylbewerberinnen und -bewerber im Freistaat. Durch die Reaktivierung der Balkan-Route seien seit Herbst vermehrt Menschen aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak in Sachsen angekommen.

"Bis zum Ukraine-Krieg sind wir mit 4.000 Plätzen in der Erstaufnahme ausgekommen. Dann haben wir auf 8.000 Plätze aufgestockt und diese Zahl auch konstant gehalten", sagte Regina Kraushaar, Präsidentin der Landesdirektion Sachsen (LDS). Momentan seien die knapp 8.000 Plätze zu 62 Prozent ausgelastet. Die Reserve sei aber nicht so groß wie sie aussehe, weil man nicht alle Plätze wirklich nutzen könne. Man bringe Familien und Einzelpersonen nicht in einem Zimmer unter, müsse Kranke isolieren können und Angehörige unterschiedlicher Ethnien oft räumlich trennen. "Aber: Es bleibt niemand auf der Straße."

Jeden Tag kommen 60 bis 120 Asylsuchende

Selbst an Tagen, an denen bis zu 800 Geflüchtete aus der Ukraine nach Sachsen kamen, habe man das hinbekommen, sagte Kraushaar. Derzeit würden jeden Tag etwa 60 bis 120 Asylsuchende eintreffen. Der Sächsische Flüchtlingsrat zog eine differenzierte Bilanz. "Mit den größten Fluchtbewegungen innerhalb Europas seit dem Zweiten Weltkrieg, war dies ohne Zweifel ein historisches Jahr", sagte Sprecher Dave Schmidtke.

Die Unterbringungsformen seien dabei diametral verlaufen: Wurde der Großteil der Menschen aus der Ukraine schnellstmöglich dezentral und sogar im privaten Wohnraum organisiert, müssen sich viele Geflüchtete aus anderen Nationen über Monate in Massenunterkünften aufhalten."Es ist ein Irrglaube, dass Migration ein temporäres Phänomen ist. Deshalb wünschen wir uns langfristige Unterbringungskonzepte", sagte Schmidtke.

Angesichts der angespannten Situation in der Flüchtlingsaufnahme reagiert auch Niedersachsen: Im ersten Halbjahr kommenden Jahres sollen 5.000 weitere Plätze in der Landesaufnahmebehörde geschaffen werden. Das sagte Innenminister Boris Pistorius (SPD) der Deutschen Presse-Agentur in Hannover. "Damit bekommen die Kommunen einen entsprechenden Zeitpuffer, bevor sie diese Menschen nach der Erstaufnahme bei sich aufnehmen müssen", sagte der Minister.

"Wir stellen uns auch langfristig auf mehr Schutzsuchende ein. Angesichts der Lage in der Welt sind heute so viele Menschen auf der Flucht wie nie zuvor – und das wird nicht abreißen", betonte Pistorius. Man müsse alles dafür tun, die Menschen humanitär aufzunehmen und ihnen eine schnelle Perspektive zu geben – sei es ihnen den Weg in den Arbeitsmarkt oder in die Schule zu erleichtern. "Oder für alle, die nicht bleiben können, auch der schnelle Weg zurück in die Heimat."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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