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Sommerpressekonferenz: Was auf Angela Merkels T-Shirt stehen müsste


Sommerpressekonferenz
Was auf einem T-Shirt der Kanzlerin stehen müsste

Eine Analyse von Jonas Schaible

20.07.2018Lesedauer: 4 Min.
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Merkel vor der Pressekonferenz, umgeben von Fotografen: Das Interesse war enorm.Vergrößern des Bildes
Merkel vor der Pressekonferenz, umgeben von Fotografen: Das Interesse war enorm. (Quelle: Markus Schreiber/ap)

Angela Merkel stellt sich vor dem Urlaub den Fragen von Journalisten. Konkret wird sie dabei selten. Sie kämpft im Grunde nur noch um ein Ziel, das größer nicht sein könnte.

Es gibt eine Sache, die geben selbst überzeugte Unterstützer Angela Merkels zu: Eine sonderlich gute Rednerin ist sie nicht. Keine einzige mitreißende Ansprache hat sie in 13 Jahren Kanzlerinnenschaft gehalten und wer genötigt ist, ihre Sätze mitzuschreiben, verzweifelt regelmäßig, weil ihr Satz scheinbar, aber eben nur scheinbar an ein Ende, das sie dann doch verschiebt, gewissermaßen auch ankommt.

Trotzdem war der Saal der Bundespressekonferenz am Freitag zur rituellen Sommerpressekonferenz der Kanzlerin so voll wie zuletzt nur Säle vor Verkündungen Horst Seehofers. Und trotzdem redete sie dann in ihren Antworten viel über politische Sprache: "Die Tonalität war oft sehr schroff", sagte sie über die vergangenen Wochen. Sie persönlich werde sich "gegen gewisse Erosionen von Sprache" wenden. Denken und Sprechen hingen eng zusammen, und da müsse man sorgsam mit Sprache umgehen.

Die spöttische Frage liegt nahe, was es über das Denken sagt, wenn Sätze über Sprache derartig gewunden geraten. Die bösmeinende Antwort lautet: Merkel denkt nicht klar. Die wohlmeinende Antwort lautet: Sie nimmt die Komplexität der Welt so ernst, dass sie sich schlicht weigert, zitierfähige, knappe, verkürzte Soundbites zu liefern und andere hart vor den Kopf zu stoßen.

Was zutrifft, ist von außen nicht zu sagen. Doch die Botschaften der rund 80-minütigen Fragerunde waren eindeutig: Merkel inszeniert sich als diejenige, die anerkennt, wie komplex die Welt ist, und die darauf drängt, angemessen komplexe Antworten in angemessen langwierigen Verhandlungsrunden mit allen Betroffenen zu finden. Schnell gehe es eben nicht, das wäre dann autoritäre, sagte sie einmal.

Einst wurde über die Kanzlerin erzählt, sie denke alles vom Ende her, also von der Lösung. Heute ist aus dieser pragmatischen Paragraphenkanzlerin eine Meta-Kanzlerin geworden: Wenn sie noch vom Ende her denkt, dann dass eine Lösung überhaupt nur möglich ist, wenn am Anfang ein ordentlicher Prozess steht, in dem alle zu Wort kommen.

Erstrangig: Handlungsfähigkeit

Sie kämpft also nurmehr für die Möglichkeit, Politik zu machen. Gar nicht mehr so sehr für bestimmte Politik selbst. Erstrangig sei, sagte sie während der Fragerunde, dass die Regierung "handlungsfähig" sei.

Wenn es konkret wurde, sagte sie entsprechend auch nicht viel Erhellendes. Hat der NSU-Prozess die Verstrickungen auch aller Behörden angemessen aufgearbeitet? Es müsse noch weitergehen, für sie sei die Akte nicht geschlossen. Noch immer gibt es keine Initiative der neuen Regierung zum Klimaschutz: Neue Versprechen machte sie nicht. Deutschland wird seine Klimaziele 2020 also verfehlen. Israels Innenpolitik wolle sie nicht kommentieren. Über Hardwarenachrüstungen für Diesel müsse im September entschieden werden.

Die Grünen zieren sich? Ihr gutes Recht!

Aber immer wenn es Grundsätzlich wurde, war eine klare Linie erkennbar.

Das erste Beispiel: ihr ungelenkes Eintreten für politische Sprache und die Betonung, Denken und Sprechen gehörten eng zusammen.

Sie bemühe sich, "den Prozess der Verwahrlosung im Zaume zu halten." Übersetzen darf man das so: Wer überspitzt und verächtlich macht und die Sprache der extremen Rechten in Teilen kopiert, wie die CSU, macht eine vernünftige Lösung in der Mitte schwer bis unmöglich.

Zweites Beispiel: ihre zurückgenommene Antwort in Bezug auf den Bundesrat.

Dort hatten die Grünen einst verhindert, dass Tunesien, Marokko und Algerien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Nun hat die Regierung einen neuen Anlauf beschlossen. Wieder hängt es am Bundesrat, dort an den Grünen, vor allem aus Hessen, wo die CDU den Ministerpräsidenten stellt. Ob es da mehr Druck auf die Grünen brauche? Nein, sagte Merkel. Politik funktioniere nicht durch Druck am besten. Und die Grünen hätten jedes Recht, zu blockieren; dann müsse man eben verhandeln und Argumente finden.

Politik nur gemeinsam

Drittes und ganz besonders wichtiges Beispiel: ihr Beharren auf Verhandlungen und Multilateralismus.

Als sie nach Trumps Handelskrieg gefragt wurde, sagte sie, sie glaube daran, dass man gemeinsam "Win-Win"-Lösungen finden könne. Europa sei dafür das beste Beispiel.

Als sie gefragt wurde, wie sie es finde, dass US-Präsident Donald Trump Russlands Präsidenten Wladimir Putin nach Washington eingeladen habe, sagte sie, sie finde, dass es "wieder zur Normalität werden muss, dass sich russische und amerikanische Präsidenten treffen". Und weiter: "Immer, wenn gesprochen wird, ist das im Grunde gut, für alle."

Immer, wenn gesprochen wird, ist das im Grunde gut, für alle. Trüge Merkel T-Shirts mit Sinnsprüchen darauf, vermutlich ließe sie sich diesen Satz drucken.

Als es um Migrationspolitik und Asyl ging, wiederholte sie: Man dürfe nicht unabgestimmt handeln, nicht einseitig und nicht zu Lasten Dritter. Man dürfe nicht über die Länder Nordafrika reden, sondern müsse mit ihnen reden. Nur so könne man Lösungen verhandeln. Nur durch Verhandlungen mit Herkunftsländern könne man Transitländern wie Libyen helfen.

Aus der Geschichte gelernt?

Doch es geht ihr, ließ Merkel durchscheinen, nicht nur um eine Steuerung der Migration und Flucht, sondern um viel mehr. Insgesamt werde sich im Umgang miteinander in Europa, auch in der Flüchtlingspolitik, zeigen, "ob wir wirklich aus der Geschichte gelernt haben". Und weiter: "Fühlen wir uns wirklich, auch wenn es für uns schwierig ist, Europa verpflichtet?"

Größere Fragen kann man nicht mehr stellen. Größere Ansprüche nicht mehr formulieren. Mehr Bedeutung kann man seiner eigenen Rolle nicht zusprechen. Oder, in den nüchternen Worten der Kanzlerin: "Ich kann nicht erkennen, dass ich im Moment nicht gefordert bin."

Verwendete Quellen
  • Pressekonferenz (vor Ort)
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