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"Die Notregierung" – das Erste zeigt deprimierende Groko-Doku


"Die Notregierung"
Groko-Doku im Ersten: Es reicht

Eine TV-Kritik von Nina Jerzy

02.12.2019Lesedauer: 3 Min.
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Angela Merkel, Bundeskanzlerin, CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesministerin der Verteidigung, CDU, und Olaf ScholVergrößern des Bildes
Angela Merkel, Annegret Kramp-Karrenbauer und Olaf Scholz: "Die Notregierung" zeichnet ein trauriges Bild der Groko – gibt es noch Hoffnung für das Bündnis? (Quelle: imago-images-bilder)

War es das mit der Groko oder geht es weiter? Seit Monaten stellt sich diese Frage – immer wieder. "Die Notregierung" zeigt das ganze Elend der großen Koalition. Doch einen Funken Hoffnung gibt es für das Bündnis.

Kurzzeitig kann einem angst und bange werden: "Die Notregierung – Ungeliebte Koalition" ist die vielleicht deprimierendste Stunde Fernsehen des Jahres. Die ARD-Dokumentation kommt dennoch zur rechten Zeit. Autor Stephan Lamby hat die große Koalition seit ihrem Start im März 2018 begleitet. Kurz vor der Premiere am Montagabend (20.15 Uhr im Ersten) überschlagen sich aber mal wieder die Ereignisse. Die SPD-Basis hat die Groko-Gegner Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken zu den designierten Parteivorsitzenden gewählt. Die Doku wurde deshalb erst unmittelbar vor der Ausstrahlung fertiggestellt, die letzten drei Minuten noch am Montag mit den neuen Entwicklungen aktualisiert.

Groko am Rande des Burn-outs

Lamby hat viele zentrale Akteure der Groko vor die Kamera bekommen und ihnen (mit Ausnahme der einstigen SPD-Hoffnung Olaf Scholz) selbstkritische Geständnisse entlockt. Doch anstatt von Erleichterung über so viel Selbsterkenntnis stellt sich beim Zuschauer Unbehagen ein. Fast wirken die Spitzenpolitiker zu erschöpft, um ihr Scheitern zu verschleiern – aber auch, um es künftig besser zu machen.

"Eine Regierung am Rande des Burn-outs", kommentiert der preisgekrönte Journalist ("Im Labyrinth der Macht – Chronik einer Regierungsbildung").

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil wirkt geradezu niedergeschlagen, wenn er rückblickend ein ums andere Mal den nächsten Tiefschlag für die Sozialdemokratie kommentieren muss. Heraus sticht die geplante Weglob-Beförderung des umstrittenen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen zum Staatssekretär. Für viele Sozialdemokraten war das der Sündenfall. "Wir hatten, glaube ich, noch nie so eine Welle von Protesten aus der Mitgliedschaft. Das hat ganz viele in der eigenen Partei auch zerstört und auf dieses Ereignis werde ich heute noch angesprochen", offenbart Klingbeil.

Youtuber Rezo hat Mitleid

Annegret Kramp-Karrenbauer räumt derart häufig eigene Fehler und Versäumnisse der Parteiführung ein, dass Lamby den YouTuber Rezo fragt, ob ihm die CDU-Chefin eigentlich leid tue. "Ey, ich hab Mitleid mit vielen Leuten aus der CDU. Rein menschlich gesehen haben die einen Scherbenhaufen", antwortet der Schöpfer des Videos "Die Zerstörung der CDU" (aktuell bei über 16 Millionen Views) nach kurzem Überlegen. "Aber die Antwort kann ja nicht sein, dass ich sie streichle. Sondern die Antwort kann nur sein, dass ich ihr sage: Ja, jetzt mach mal bitte deinen Job ordentlich."

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Was die Koalitionäre als Erfolge verkaufen – ob Grundrente, Wohngeld, Digitalisierung oder Fachkräfteeinwanderungsgesetz – das handelt die Doku im Schnelldurchlauf in wenigen Sekunden ab. Lamby konzentriert sich auf die Darstellung der Groko als Marathon des Leids. Vom Scheitern der Jamaika-Koalition geht es schnurstracks zum drohenden Auseinanderbrechen der Union im Machtkampf zwischen Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) in der Flüchtlingsfrage. "Wir haben gemeinsam in den Abgrund geschaut", erinnert sich Kramp-Karrenbauer.

Scholz, der verhinderte Kanzlerkandidat

Klingbeil hat damals schon Neuwahlen vorbereitet und sich mit der Frage beschäftigt: "Wie schnell kriegen wir denn einen Kanzlerkandidaten aufgestellt?" Wären Sie angetreten?, wollte Lamby von Scholz wissen. Der lächelte da noch süffisant und meinte: "Viele Auswahlalternativen hätte es ja nicht gegeben." Alternativen fehlen zwar immer noch. Doch der Bundesfinanzminister gilt längst als wohl zu beschädigt, um die SPD in die nächste Bundestagswahl zu führen.

Aber kann überhaupt irgendjemand die SPD retten? Lamby wirft die zwingende Frage auf, ob die Krise der Volksparteien nicht größer gedacht werden muss, ohne die Akteure aus der Verantwortung zu entlassen. "Die Notregierung" zeichnet ein Bild von Politikern im aufgeschreckten Dauerzustand, chronisch überrascht von "Fridays for Future", dem Koalitionspartner, Querschüssen aus der eigenen Partei. Kramp-Karrenbauer beschreibt Berlin als Pulverfass, in dem jeden Tag geltungssüchtige Politiker und Journalisten das Zündeln anfangen. Nach den verheerenden Wahlniederlagen in den Ländern mit Erfolgen für Grüne, Linke und AfD ist nicht mal mehr klar, wo eigentlich die politische Mitte sein soll. So viel Orientierungslosigkeit erschöpft, verunsichert, macht aggressiv, führt zu Fehlern.


Viele Hoffnungen ruhen nun auf der designierten SPD-Führung. Sie soll das Schwert sein, das den gordischen Groko-Knoten durchschlägt. Neuwahlen bergen für Union und SPD jedoch unvorhersehbare Risiken, warnt Lamby. Vielen Bürgern ist es mittlerweile mit Blick auf drängende Zukunftsfragen egal. "Wenn man mich auf die große Koalition anspricht, denke ich ad hoc sofort an zwei Kinder, die sich nicht einig werden", kommentiert die 17-jährige Schülerin Anna Moors das Geschehen in der Hauptstadt. Die womöglich größte Gefahr bringt am Ende ganz beiläufig Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, ins Spiel. "Ich würde es nicht ausschließen", sagte er auf die Frage, ob nach der nächsten Bundestagswahl eine erneute Groko denkbar sei.

Verwendete Quellen
  • "Die Notregierung", Dokumentation von Stephan Lamby im Ersten
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