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CDU und Zukunft: Das können wir von Deutschlands erstem Kanzler lernen


Gastbeitrag von Röttgen
Was wir von Deutschlands erstem Kanzler Adenauer lernen können

MeinungEin Gastbeitrag von Norbert Röttgen (CDU)

Aktualisiert am 23.06.2020Lesedauer: 5 Min.
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Norbert Röttgen: Der CDU-Politiker fordert Mut im Angesicht der Herausforderungen in Deutschland und Europa.Vergrößern des Bildes
Norbert Röttgen: Der CDU-Politiker fordert Mut im Angesicht der Herausforderungen in Deutschland und Europa. (Quelle: IPON/imago-images-bilder)

Was lässt sich aus der Geschichte der CDU für die Zukunft lernen? Wir brauchen Mut, schreibt CDU-Politiker Norbert Röttgen in seinem Gastbeitrag – und fordert eine Armee der Europäer.

Es gab viele Momente in der 75-jährigen Geschichte der CDU, die so eng verwoben mit der deutschen Nachkriegsgeschichte ist, in der die Partei hätte verzagen können. Gerade nach dem Krieg waren die Herausforderungen enorm. Das Land lag moralisch, wirtschaftlich und politisch am Boden. Es musste einen Weg finden, mit den Schrecken des Zweiten Weltkrieges umzugehen, Verantwortung zu übernehmen und sich gleichzeitig demokratisch neu zu erfinden.

Aber Deutschland hatte Glück. Es hatte mit Konrad Adenauer einen ersten Kanzler, der bereit war, den richtigen Weg zu gehen, gleichgültig, wie schwer er war. Er wusste: "Das Wichtigste ist der Mut!" Dieser Mut hat die Partei in 75 Jahren nicht verlassen. Das haben wir immer wieder bewiesen. Mit dem gleichen Mut müssen wir nun Deutschlands und Europas Zukunft gestalten.

Der Autor Norbert Röttgen war von 2009 bis 2012 Bundesumweltminister. Anschließend wollte er Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens werden, verlor die Wahl aber gegen die SPD-Politikerin Hannelore Kraft. Seitdem ist Röttgen Außenpolitiker und derzeit Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Röttgen bewirbt sich zudem um den Vorsitz der CDU.

Der Neuling CDU

In der politischen Trümmerlandschaft, welche der Zweite Weltkrieg in Deutschland hinterließ, war die CDU ein Neuling. Sie hatte und wollte keine Vorläufer, die historisch im Alten verhaftet oder ideologisch, konfessionell verankert waren. Die Gedanken hinter der Parteineugründung waren vielmehr integrierender und pragmatischer Natur: Möglichst viele Demokraten sollten unter einem Dach vereint werden. Das Fundament war neu, einfach und sehr stabil: das christliche Menschenbild und die christliche Soziallehre. In diesem breiten, christlichen und demokratischen Selbstverständnis ist der Charakter und Erfolg der CDU als letzte verbliebene Volkspartei Deutschlands bis heute begründet.

Unter der Führung Konrad Adenauers musste die junge Partei schon bald unter Beweis stellen, dass sie willens und bereit war, couragiert völlig neue Wege zu gehen: Als Kanzler, der die soziale Marktwirtschaft und die Westbindung Westdeutschlands gegen starke innenpolitische Widerstände durchsetze, sollte Adenauer in die Geschichte eingehen.

Die fast wertlos gewordene Reichsmark wurde durch die D-Mark abgelöst, eine wesentliche Voraussetzung für den wirtschaftlichen Aufstieg. Gleichzeitig wurde die Produktion freigegeben, Gütertausch und freie Preise erhielten Vorzug vor Bewirtschaftung und Preisbindung. Stück für Stück wurde die Mangelwirtschaft ersetzt durch eine wettbewerbsorientierte Marktwirtschaft. Darauf aufbauend folgte nicht nur das deutsche Wirtschaftswunder der 1950er-Jahre, sondern auch Deutschlands Rolle als Exportweltmeister in einer globalisierten Welt. Der Mut Konrad Adenauers und Ludwig Erhards zahlt sich bis heute für Deutschland aus.

Ein Platz im westlichen Verteidigungsbündnis

Mindestens genauso wichtig und keinesfalls selbstverständlich zur damaligen Zeit war Adenauers Entscheidung, die Bundesrepublik an den Westen anzubinden. Innenpolitisch war die Westintegration heftig umstritten. Die SPD fürchtete, dass Deutschlands Chance auf eine schnelle Wiedervereinigung verspielt werde. Auch der kommunistische Ostblock schäumte vor Wut. Doch Adenauer kämpfte unbeirrt für einen Platz Westdeutschlands im westlichen Verteidigungsbündnis und an der Seite der westeuropäischen Nachbarn. Er schuf damit die Grundpfeiler unserer heutigen Außenpolitik, fest verankert in der Europäischen Union und Teil des Westens.

Das waren die Grundlagen, die es später einem anderen großen Europäer und CDU-Kanzler, Helmut Kohl, ermöglichten, selbst zweimal Geschichte zu schreiben: als Kanzler der Einheit und Wegbereiter des Euro. Nachdem Konrad Adenauer die Bundesrepublik nach Westen, in die Freiheit, geführt hatte, führte Helmut Kohl die Westdeutschen und Ostdeutschen, die mutig und friedlich die Diktatur der DDR überwunden hatten, in die Einheit.

Als sich nach der friedlichen Revolution in der DDR die Chance bot, Deutschlands Spaltung zu überwinden, handelte er beherzt. Gemeinsam mit seinem Außenminister Hans-Dietrich Genscher konnte er den sowjetischen Staats- und Parteichef Michael Gorbatschow und den US-amerikanischen Präsidenten George Bush überzeugen, ihre Zustimmung zur uneingeschränkten deutschen Souveränität und der Entscheidungsfreiheit über die Bündniszugehörigkeit zu geben.

"Jede für Europa ausgegebene Mark ist gut angelegtes Geld"

Mindestens genauso couragiert handelte Kohl mit Blick auf die europäische Einigung. Gegen schwerste Widerstände, auch aus der eigenen Partei, ebnete er 1991 in Maastricht den Weg zur Währungsunion. Ohne Helmut Kohl wäre der Euro 1999 nicht eingeführt worden, es gäbe ihn vielleicht bis heute nicht. Für Kohl war klar: "Jede für Europa ausgegebene Mark ist gut angelegtes Geld." Dass die CDU für Europa bereit ist, mutig über ihren Schatten zu springen, hat sie während der Corona-Krise erneut bewiesen. Das europäische Wiederaufbaupaket ist ein umfassendes Hilfsprogramm, das zur Innovation und Modernisierung der europäischen Volkswirtschaften und dem europäischen Zusammenhalt einen wichtigen Beitrag leisten kann.

Der Blick in die Geschichte zeigt, dass bei den wichtigen Entscheidungen für Deutschland und Europa es der CDU an Mut und Courage nicht mangelte. Dank dieser beherzten Entscheidungen ist Deutschland heute ein wirtschaftlich starkes und weltoffenes Land im Herzen Europas. Der Mut, den wir nun brauchen, besteht darin, diese Stärke zu Gunsten aller in Deutschland und Europa einzusetzen – durch politische Führung und strategische Weitsicht.

Die Welt um uns herum ist eine andere als zu Zeiten der Wiedervereinigung. Sie ist rauer und unfreundlicher. Im Osten will sich Russland in seinen geopolitischen Bestrebungen durch internationale Regeln nicht einhegen lassen. In Asien dehnt China seinen Einflussbereich politisch und militärisch aus und exportiert sein staatsgelenktes Wirtschafts- und autoritäres Gesellschaftsmodell mit zunehmendem Selbstbewusstsein in den Rest der Welt. In einigen zukunftsweisenden Industrien hat das Reich der Mitte die Technologieführerschaft bereits genommen, in anderen holt es rasant, nicht immer mit fairen Mitteln, auf. Gleichzeitig ziehen sich die USA unter Präsident Trump global zurück.

Ein Wettbewerb der Systeme

In dieser Gemengelage sind wir keine Insel der Glückseligen. Wir müssen lernen, mit dieser neuen Realität umzugehen. Das kann Deutschland nicht allein, sondern nur im europäischen Verbund. Was der Binnenmarkt für die Integration nach innen ist, müssen wir nach außen spiegeln. Für die notwendige außen- und sicherheitspolitische Neuerfindung Europas sind Strukturen der Schlüssel. Das Projekt dafür ist die Europäische Sicherheitsunion. Sie muss Sicherheit und Entwicklung, Verteidigung und Außenpolitik miteinander verbinden – denn Sicherheit ist längst viel mehr als territoriale Verteidigung. Staaten werden herausgefordert durch staatliche und nicht staatliche Akteure, territorial und im Cyberraum, technologisch und ökonomisch. Wir erleben einen Wettbewerb der Systeme.

Die Politik der Sicherheitsunion besteht darin, nach außen mit einer Stimme zu sprechen und zu handeln. Der "Euro der Sicherheitsunion" ist eine Armee der Europäer, welche die nationalen Armeen nicht ersetzt, sondern komplementär zu diesen steht. Wir brauchen außerdem Entscheidungen in der Außenpolitik, die entweder von einer Mehrheit oder einer Gruppe getroffen werden, denn mit der geforderten Einstimmigkeit von 27 Staaten lässt sich europäische Außenpolitik nicht realisieren.

Und Europa muss lernen, über seine Stärken zu reden, sie als Teil eines kommunikativen Wettbewerbs zu sehen und einzusetzen. Wir verfügen über attraktive Werte, kulturelle Vielfalt und starke, plurale Gesellschaften. Diese Potenziale müssen wir nach außen tragen. Auch dafür benötigen wir ein Instrument. Wir benötigen eine europäische BBC. All das anzupacken, braucht Mut. Nicht nur vonseiten Deutschlands, aber vor allem von uns Deutschen. Wo Deutschland gefragt ist, ist immer auch die CDU gefragt. Wir haben den Mut, also packen wir es an.

Die im Gastbeitrag geäußerten Ansichten geben die Meinung des Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online.de-Redaktion.

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