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Aufrüstung und Zeitenwende: Was die Mehrheit der Deutschen will


Studie
Mehrheit der Deutschen ist für Aufrüstung

Von dpa, afp, bm

Aktualisiert am 13.02.2024Lesedauer: 4 Min.
imago images 0300863378Vergrößern des BildesVerteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit Soldaten: 63 Prozent der Deutschen finden, dass die "Zeitenwende" noch nicht bei der Bundeswehr angekommen ist. (Quelle: Christoph Hardt/imago-images-bilder)
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Eine Mehrheit der Deutschen unterstützt Olaf Scholz' Plan, deutlich mehr in Verteidigung zu investieren. Die Union äußert aber auch Kritik. Zudem gibt es neue Ideen zur Wehrpflicht.

Die Ampelkoalition kann sich beim Ausbau der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands auf eine satte Mehrheit der Bevölkerung stützen. Nach einer Studie der Unternehmensberatung PwC sind 68 Prozent der Deutschen allgemein dafür, Deutschland verteidigungsfähiger zu machen. Der Bedarf sei groß: Konkret nach den Investitionen für die von Kanzler Olaf Scholz (SPD) im März 2022 angekündigte "Zeitenwende" gefragt, befürworten 57 Prozent Scholz' Plan, zwei Prozent oder mehr des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu investieren. 31 Prozent sehen dies kritisch. Die Mehrheit (63 Prozent) findet aber, dass die Zeitenwende noch nicht bei der Bundeswehr angekommen sei.

Bei der Studie stützt sich PwC auf eine repräsentative Befragung von jeweils 500 Männern und Frauen zwischen 18 und 65 Jahren am 9. und 10. Januar. Die Ergebnisse knüpfen an eine Untersuchung von 2022 an und liegen der dpa in Berlin vor.

Wolfgang Zink vom Autorenteam der Studie erklärt: "In der Befragung vom Sommer 2022 konnten wir feststellen, wie sehr die Bevölkerung unter dem Schock des russischen Überfalls auf die Ukraine stand, und wie deutlich sich ein Sinneswandel in Verteidigungsfragen vollzog. Die Ergebnisse aus 2024 unterstreichen, dass die Menschen noch immer in großer Sorge sind und mehr Anstrengungen zur Stärkung der Sicherheit wünschen".

Weniger als die Hälfte nimmt die Bundeswehr positiv wahr

Mehr Soldaten an der Ostflanke der Nato zu stationieren, halten 58 Prozent für eher notwendig, insbesondere bezüglich dessen, Bundeswehrsoldaten in Litauen zu stationieren. Zur Bundeswehr selbst äußerten sich aber nur 45,5 Prozent der Befragten positiv. 2022 nahmen noch 54 Prozent die Bundeswehr positiv wahr.

Ob sich die Ukraine mithilfe des Westens gegen Russland behaupten wird, sehen die Deutschen eher skeptisch: 39 Prozent sehen Chancen. 48 Prozent betrachten die langfristige Widerstandsfähigkeit der Ukraine eher skeptisch.

Sehr skeptisch sind die Befragten im Hinblick darauf, ob die Nato und der Westen ihre Abschreckung gegenüber Russland wie bisher fortsetzen würden, falls Donald Trump erneut US-Präsident wird. Nur 7 Prozent halten die USA diesbezüglich für verlässlich, 15,4 Prozent haben ein eher großes Vertrauen. Eine deutliche Mehrheit von 59,1 Prozent rechnet damit, dass die USA mit einem Präsidenten Trump ihre Hilfe für die Ukraine reduzieren würden. Die SPD-Politikerin Katarina Barley forderte in diesem Zusammenhang kürzlich, eine europäische Atombombe zu diskutieren, wie Sie hier nachlesen können.

Unionsfraktion fordert Strategie für Verteidigungsindustrie

Nicht nur ein Großteil der Bevölkerung ist dafür, Deutschlands Verteidigung zu stärken. Auch in der oppositionellen Union gibt es ähnliche Stimmen. So befürwortet etwa Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) die Investitionen des Rüstungskonzerns Rheinmetall in die Munitionsproduktion. Kanzler Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatten am Montag mit einem symbolischen Spatenstich den Bau einer neuen Fabrik des Konzerns feierlich begonnen. Die Fabrik im niedersächsischen Unterlüß soll jährlich 200.000 Schuss Artilleriemunition herstellen. Ein t-online-Reporter war beim Baubeginn vor Ort, hier können Sie seine Reportage lesen.

Wadephul lobte Scholz und Pistorius dafür, dass sie persönlich beim Baubeginn dabei waren. Allerdings fordert er die Bundesregierung auf, eine Strategie vorzulegen, um die Verteidigungsindustrie zu stärken. "Zwei Jahre nach Verkündung der Zeitenwende wird es höchste Zeit, dass auch die industrielle Grundlage endlich verbreitert wird", sagte Wadephul der Düsseldorfer "Rheinischen Post" am Dienstag. Die Bundeswehr könne nur dann das Rückgrat der konventionellen Verteidigung der Nato in Europa werden, wenn es dafür eine industrielle Basis gebe, die in zunehmenden Mengen modernes Gerät liefert, betonte er.

Kiesewetter: "Wir benötigen eher 300 statt 100 Milliarden Euro"

Wie sich Deutschlands Verteidigungsfähigkeit erhöhen ließe, ist umstritten. Der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter zeigt sich offen dafür, den 100-Milliarden-Euro-Sondertopf für die Bundeswehr deutlich zu erhöhen. "Eine Erhöhung des Sondervermögens für die Bundeswehr würde ich nicht ausschließen", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". "Es ist ja völlig klar, dass wir eher 300 statt 100 Milliarden benötigen, damit die Bundeswehr kriegstüchtig wird."

Kiesewetter forderte allerdings vom Bundestag, eine Zweckentfremdung des Geldes, etwa zum Stopfen von Haushaltslöchern, auszuschließen. Außerdem müsse Deutschland dauerhaft mindestens zwei Prozent der Wirtschaftskraft in Verteidigung investieren. "Das geht nur mit Umpriorisierung und mit klaren strukturellen Reformen." Ein Sprecher der Unionsfraktion sagte der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag: "Der Vorschlag von Herrn Kiesewetter ist nicht Meinung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion."

Eva Högl: Deutschland braucht Wehrpflicht wie Schweden

Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl, drängt bei der Aufrüstung auf einen anderen Aspekt: Sie fordert einen Bürgerrat zum Thema Wehrpflicht. Der Rat solle erörtern, ob ein allgemeiner Dienst in Bundeswehr und Zivilorganisationen eingeführt werden sollte. "Das Thema gehört in den Bundestag und in die Mitte unserer Gesellschaft. Ein Bürgerrat verbindet beides vortrefflich", schreibt die SPD-Politikerin in einem Gastbeitrag für das Nachrichtenportal "Table Media".

2011 hatte der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die Wehrpflicht nach 55 Jahren ausgesetzt. Das kam einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleich. Verteidigungsminister Pistorius lässt nach dem russischen Angriff auf die Ukraine Modelle einer Dienstpflicht prüfen und auch das schwedische Wehrpflichtmodell in den Blick nehmen. Dort gibt es keine reine Wehrpflicht, sondern eine allgemeine zivile oder militärische Dienstpflicht für alle jungen Männer und Frauen. Alle werden gemustert, dann wird nach Eignung und Motivation zum Truppendienst ausgesucht.

"Ich bin überzeugt, dass sich jede und jeder eine Zeitlang für unsere Gesellschaft engagieren sollte", schrieb Högl nun. Die Wehrpflicht könne in ein Gesellschaftsjahr nach schwedischem Vorbild eingebettet werden. "Wenn alle jungen Menschen einmal Post von der Bundeswehr bekommen, dann würde sich jede und jeder aktiv mit der Bundeswehr auseinandersetzen. Dann wäre die Bundeswehr allgegenwärtig, was sie fest in der Mitte unserer Gesellschaft verankern würde." Högl monierte, dass eine "ernsthafte und offene Auseinandersetzung mit konkreten Ideen und Konzepten" derzeit kaum in Gang komme. Ein Bürgerrat könne sich sachlich und ausführlich mit dem Thema auseinandersetzen.

Im Januar hatte der erste Bürgerrat des Bundestags seine Arbeit abgeschlossen. Mehrere Monate lang befasste er sich mit dem Thema Ernährung und legte im Januar seine Empfehlungen dazu vor.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und AFP
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