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Plötzlich hilft das Coronavirus Donald Trump für die US-Wahl


Plötzlich hilft Corona Trump

Von Florian Harms

Aktualisiert am 16.09.2020Lesedauer: 5 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Donald Trump und seine Gattin Melania empfingen gestern Israels Premierminister Netanyahu und die Außenminister der Arabischen Emirate und Bahrains zur Unterzeichnung eines Kooperationsvertrags.Vergrößern des Bildes
Donald Trump und seine Gattin Melania empfingen gestern Israels Premierminister Netanyahu und die Außenminister der Arabischen Emirate und Bahrains zur Unterzeichnung eines Kooperationsvertrags. (Quelle: imago images)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Wenn die Degen sich kreuzen, wird es ungemütlich. Ähnlich dramatisch dürfte es bald zugehen, wenn sich zwei Linien kreuzen. Die beiden heiklen Striche sind in einer simplen Grafik zuhause – einer der vielen Statistiken, die seit Beginn der Corona-Krise an uns vorübergezogen sind: Die eine Linie kommt von hoch oben herab, die andere arbeitet sich langsam nach oben. Auf Kollisionskurs steuern sie aufeinander zu.

Die Abwärtskurve hat uns Erfreuliches mitzuteilen: In den USA geht die Zahl neuer Covid-19-Fälle stetig zurück. Trotz allen Kleinredens und Verharmlosens aus dem Weißen Haus haben die meisten Amerikaner die harten Lektionen der vergangenen Monate gelernt, zumindest für den Moment. Drei Viertel der Bevölkerung halten Abstand von ihren Mitmenschen. Vier von zehn US-Bürgern isolieren sich sogar vollständig von der Außenwelt. Auch das Maskentragen ist in den meisten Bundesstaaten Pflicht. Präsident Donald Trump hingegen konnte es wieder einmal nicht lassen, seine Anhänger zu einer dichtgedrängten Jubelveranstaltung zu versammeln. Aber wenn es um Covid-19 geht, fällt die Mehrheit der Amerikaner auf die große Show nicht mehr herein.

In Europa jedoch neigt sich inzwischen keine Kurve mehr erfreulich. Stattdessen kehren Meldungen, die wir seit dem Frühjahr nicht mehr gehört hatten, in den Nachrichtenticker zurück. Spanien: von Covid-19 schwer getroffen. Neue Infektionsrekorde in Frankreich. Marseille überschreitet die Corona-Warngrenze von 50 Infizierten pro 100.000 Einwohner um mehr als das Sechsfache, in der Mittelmeermetropole gehen die Plätze auf den Intensivstationen aus. "Als wir in diesem Sommer die Menschenmassen an den Stränden sahen, haben wir eine zweite Welle befürchtet", sagt die Krankenschwester Elsa Simoncini. "Nun ist sie da." Auch in Österreich erklärt Kanzler Kurz, die zweite Welle sei jetzt da. Man kann bald täglich auf den Moment warten, an dem Europa die USA bei der Zahl der Corona-Ansteckungen überholt. Es ist der Moment, an dem die beiden Kurven sich kreuzen.

Möglicherweise haben Sie jetzt das Bedürfnis, sich zu räuspern. Schlimm genug, könnten Sie sagen, dass es in Europa wieder schlechter läuft. Aber warum soll es bitteschön so wichtig sein, welche Seite des Atlantiks die Statistik anführt? Die Bekämpfung der Pandemie ist eine ernste Angelegenheit und kein Schönheitswettbewerb! Damit haben Sie natürlich recht. Nur stellt der Moment, in dem Amerika seine Führung in der bitteren Statistik an uns übergibt, tatsächlich eine Zäsur mit möglicherweise gravierenden Folgen dar.

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Denn die Corona-Krise ist die große Hypothek des US-Präsidenten. Im Endspurt des Wahlkampfs lastet sie auf ihm wie Blei. Gerade erst ist aufgeflogen, dass ihm die Gefährlichkeit der Pandemie schon Anfang Februar völlig klar gewesen ist. "Tödliches Zeug" nannte er das Virus in mitgeschnittenen Gesprächen, "tödlicher als die schwerwiegendsten Grippeverläufe". Trotzdem wollte Herr Trump die Bedrohung aus den Köpfen der Amerikaner verscheuchen wie eine lästige Fliege. Sagen wir es vorsichtig: Das sind keine optimalen Voraussetzungen für den Wahlkampfendspurt. Selbst für den skandalresistenten Präsidenten nicht.

Aber jetzt, da Europa aufs Neue in schwieriges Fahrwasser geraten und America great again geworden ist, brauchen wir die Glaskugel nicht zur Hand zu nehmen, um die nächsten Statements aus dem Weißen Haus schon einmal vorzuformulieren: Schaut auf die Loser in Europa!, dürfte es in Kürze wieder vom präsidialen Sprechpult dröhnen. Meine großartige Strategie ist aufgegangen! Das Corona-Debakel meiner Regierung: eine freche Lüge der Mainstream-Medien! So wird es vermutlich schon bald in die Welt hinaushallen, während kluge Köpfe sich mit durchdachten Einwänden abmühen. Mit denen müssen wir uns nicht weiter befassen. Würden feinsinnige Argumente im Wahlkampf eine Rolle spielen, dann wäre Herr Trump nicht Präsident.

Als wäre der erneute Siegeszug des Virus‘ in Europa nicht schon schlimm genug, mutiert der Erreger nun also auch noch zum Geschenk für einen Präsidenten, der wohl mehr zur Ausbreitung der Krankheit beigetragen hat als jeder andere. Zum Präsent für einen Egomanen, dessen Wahlsieg es uns weiterhin unmöglich machen würde, den Krisen unserer Zeit – Corona, Klima, bröckelnde Demokratien, erstarkende Autokraten – vereint entgegenzutreten. In wichtigen Swing States holt der Amtsinhaber in den Umfragen auf, der Vorsprung seines Herausforderers Joe Biden schmilzt. Wieder einmal schlägt das Virus uns also einen unerwarteten Haken. Im perfekten Moment für Donald Trump. Fast so, als würde es sich bei ihm bedanken.


WAS STEHT AN?

Ursula von der Leyen muss sich heute genau überlegen, was sie sagt. Die EU-Kommissionschefin hält eine der wichtigsten Ansprachen ihrer noch kurzen Amtszeit: die Rede zur Lage der Union. Sie will erklären, wie die EU die Klimakrise eindämmen, die Corona-Krise überstehen und die Flüchtlingsdauerkrise bewältigen kann. Seit fünf Jahren diskutiert Europa darüber, wie sich Flüchtlinge verteilen und Asylverfahren beschleunigen lassen – ohne Erfolg. Eine europäische Migrationspolitik gebe es derzeit gar nicht, hat Angela Merkel eingestanden, bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland wird Deutschland nun von seinen europäischen Partnern alleingelassen. Warum ist das so schwer und wie könnte es besser funktionieren? Der Europa-Staatsminister Michael Roth und Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius machen dazu im Doppelinterview mit meinen Kollegen Rebekka Wiese und Johannes Bebermeier interessante Vorschläge.

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Den Grünen wiederum reicht es nicht aus, was Herr Roth aus dem Außenministerium vorschlägt. In einem Positionspapier fordern sie einen Neustart der europäischen Asylpolitik. Unser Reporter Johannes Bebermeier hat exklusiv die Details.


Der Bundestag debattiert über Horst Seehofers Umgang mit der Flüchtlingskrise auf Lesbos und über das Thema Nachhaltigkeit. Letzteres wird unser Leben in den kommenden Jahren umkrempeln.

Japans Parlament wählt Yoshihide Suga zum neuen Regierungschef. Er hat angekündigt, die Politik seines Vorgängers Shinzo Abe fortzusetzen. Japan bleibt also wirtschaftlich mächtig und weltpolitisch unauffällig.

Der Sudan wird von einer Jahrhundertflut heimgesucht. Heftige Regenfälle haben riesige Landstriche in dem Wüstenstaat unter Wasser gesetzt und viele Häuser und Hütten zerstört. Hunderttausende Menschen leiden unter den Folgen, zusätzlich zur desaströsen Wirtschaft und der Corona-Pandemie.


WAS LESEN?

Auf wenige Tagesanbrüche haben wir so viele Leserzuschriften erhalten wie auf die Ausgabe vom Wochenende, in der ich die Migrationspolitik der EU-Staaten kritisierte. Viele bedenkenswerte Argumente sind darunter – sowohl für als auch gegen die Aufnahme von Flüchtlingen. Meine Kollegin Sophie Loelke hat einige Stimmen zusammengefasst.


Wie es dazu kam, dass Israel als erstes Land in den zweiten Lockdown geschlittert ist, haben Sie gestern an dieser Stelle gelesen. Was macht das mit den Menschen vor Ort? Jenny Havemann lebt mit ihrer Familie bei Tel Aviv. Hier erzählt sie von ihren Erlebnissen in der zweiten Corona-Welle.


Was ist vom Friedensabkommen zwischen Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain zu halten? Die "FAZ" erklärt, warum es in ein neues Wettrüsten münden könnte.


Beim EU-China-Gipfel unter deutscher Ratspräsidentschaft ging es zur Sache: Präsident Xi Jinping soll die Europäer gerügt haben, dass ihr Umgang mit Migranten "nicht vorbildlich" sei. Und das von einem Mann, der Minderheiten und Kritiker brutal unterdrückt. Trotz der wachsenden Differenzen ist China für Deutschland von enormer Bedeutung. Warum, erklärt Ihnen unsere Kolumnistin Ursula Weidenfeld.


Stürze, Schmerzen, Frust: Bisher verlief die Tour de France aus deutscher Sicht enttäuschend. Doch gestern fasste sich der 24-jährige Lennard Kämna aus Wedel bei Hamburg ein Herz und gewann unerwartet die 16. Etappe – der erste deutsche Sieg seit Jahren. Hier sehen Sie die letzten Minuten seiner Triumphfahrt und erfahren, welche besondere Taktik ihm zum Erfolg verhalf.


WAS AMÜSIERT MICH?

Hurra, Deutschland hat endlich eine Impfstrategie!

Ich wünsche Ihnen einen famosen Tag.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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