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Ältere Bewerber klagen über den Arbeitsmarkt: "Habe wenig Hoffnung"


Leser über Arbeitslosigkeit im Alter
"Man findet ab einem bestimmten Alter nichts"


Aktualisiert am 09.08.2025 - 10:42 UhrLesedauer: 6 Min.
Eine ältere Bewerberin (Symbolbild): Menschen im Alter haben schlechtere Chancen.Vergrößern des Bildes
Eine ältere Bewerberin (Symbolbild): Ältere Bewerber haben es schwer auf dem Arbeitsmarkt. (Quelle: Getty / ljubaphoto)
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Der Arbeitsmarkt schwächelt, die Arbeitslosenzahlen steigen. Wie schwer es ist, besonders im Alter beruflich wieder Fuß zu fassen, berichten drei ältere Betroffene.

Die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre, die Vereinheitlichung von Arbeitslosengeld für alle Altersklassen, die Einführung einer Aktivrente: All diese modernen Konzepte haben eines gemeinsam: Sie gehen davon aus, dass auch ältere Menschen noch für den Arbeitsmarkt interessant sind.

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Politiker betonen regelmäßig, welch hohen Wert Arbeitnehmer beziehungsweise Bewerber mit Jahrzehnten Berufserfahrung für die Unternehmen haben. Drei t-online-Leser wundern sich über diese häufig hervorgebrachte Erzählung. Denn sie machen gänzlich andere Erfahrungen.

"Ich schrieb Bewerbungen ohne Ende"

Brigitte jobbte nach dem Abschluss der Mittleren Reife in verschiedenen Firmen und hatte diverse Jobs, unter anderem in einer Schlachterei, bis sie mit Anfang 30 eine Umschulung zur Speditionskauffrau absolvierte. Fortan führte sie in einem Betrieb viele Jahre lang die Buchhaltung. Als es zur Betriebsaufgabe kam, wurde sie plötzlich arbeitslos. Damals war sie Ende 40.

Die berufliche Beständigkeit, die die Niedersächsin endlich erreicht hatte, fand ein jähes Ende. Sie hatte große Probleme, einen neuen Job zu finden. "Ich schrieb Bewerbungen ohne Ende und bekam ausschließlich Absagen. Es wurden immer merkwürdige Begründungen angegeben, zum Beispiel der Arbeitsweg sei zu lang. Ich denke eher: Ich war den Arbeitgebern selbst mit Ende 40 schon zu alt."

Von der Arbeitsagentur hätte sich Brigitte mehr Unterstützung gewünscht. "Ich musste denen immer nur nachweisen, dass ich Bewerbungen abschickte. Aber die vermittelten mir nie einen Job, nicht ein einziges Mal", beklagt sie. Nach zwei Jahren unermüdlicher Bemühungen gab sie die Suche nach einer kaufmännischen Tätigkeit auf. "Ich überlegte mir: In welcher Branche wird händeringend gesucht, sodass sie auch eine Arbeitswillige in ihren Fünfzigern nehmen? Die Antwort lag auf der Hand: in der Altenpflege."

Ohne jegliche Arbeitserfahrungen in dem Bereich bekam sie eine Anstellung beim Deutschen Roten Kreuz und wurde Altenpflegehelferin. Altenpflegerin konnte sie nicht werden, weil ihr die Ausbildung dafür fehlte. Umso niedriger fiel das Gehalt aus. "Ich bekam nur einen Bruchteil meines früheren Verdienstes – und dabei war das Schwerstarbeit. Aber ich war letztlich froh, wieder zu arbeiten."

Gesundheitliche Probleme, die Brigitte schon vorher hatte, verstärkten sich durch die körperliche Arbeit in der Altenpflege. Ihre Halswirbelsäule war beschädigt und musste operiert werden. Sie war lange krankgeschrieben, fiel aus der Lohnfortzahlung und später aus dem Krankengeld heraus, landete mit 62 Jahren im Arbeitslosengeld. Aufgrund der Perspektivlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt ließ sie sich eine Schwerbehinderung bescheinigen, sodass sie früher in Rente gehen konnte. "Denn ich stellte mir die Frage: Ich bin jetzt 62, wer soll mir denn jetzt noch einen Job geben?"

Heute ist Brigitte 64, also seit zwei Jahren Rentnerin. Zurückblickend stellt sie fest: "Als ich jung war, hatte ich nie Probleme, eine Arbeit zu finden. Aber im Alter ist das extrem schwierig. Die Arbeitgeber wollen am liebsten junge Leute mit 30 Jahren Berufserfahrung, für die sie wenig zahlen müssen", spottet die t-online-Leserin. Vorschläge wie die Anhebung des Renteneintrittsalters hält sie für "total realitätsfremd".

"Ich darf nicht aufgeben"

Paula schloss nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung im Einzelhandel ab und arbeitete fortan zehn Jahre lang in der Modebranche. Als sie das unterforderte, absolvierte sie mit Anfang 30 eine Umschulung zur Bürokauffrau. Sie wurde Sekretärin der Geschäftsführung in einem Unternehmen und machte einen Ausbilderschein. Als ihre letzte Auszubildende auslernte, beendete ihr Arbeitgeber im September 2024 jedoch das Arbeitsverhältnis plötzlich. Damals war sie 58.

"Seitdem suche ich intensiv nach einer passenden Stelle. Das Problem ist: Man findet ab einem bestimmten Alter nix mehr. Mit spätestens Mitte 50 ist man für den deutschen Arbeitsmarkt zu alt", glaubt sie. "Aber ich darf nicht aufgeben, denn ich muss ja irgendwann mal wieder Geld verdienen. Außerdem fehlt mit der Arbeitsalltag, eine so lange Arbeitslosenphase hatte ich noch nie."

So wie Brigitte ist die 59-Jährige von ihrer Arbeitsvermittlung enttäuscht. "Wenn ich mir die Damen und Herren bei der Agentur für Arbeit angucke: Die geben sich keinerlei Mühe, die älteren Leute in Arbeit zu bringen. Von deren Seite aus muss mehr Unterstützung kommen, zum Beispiel mal den Hörer in die Hand zu nehmen und beim Arbeitgeber nachzufragen, wie es aussieht."

Ihr Antrag auf ein Bewerbungstraining lehnte ihre Arbeitsvermittlerin ab. Paula sei ausreichend qualifiziert, lautete die Begründung. Insgeheim vermutet sie, dass die Mitarbeiterin der Agentur das Coaching für rausgeschmissenes Geld für eine zu alte Bewerberin hält.

"Ich habe im Moment wenig Hoffnung, wenn ich mir die Lage auf dem Arbeitsmarkt anschaue. Da blicke ich sehr pessimistisch in die Zukunft", gesteht sie. "Hätten wir einen Arbeitsmarkt, der floriert, auf dem es brummt, wäre ich die Erste, die sich für Maßnahmen wie das Vereinheitlichen des Arbeitslosengeldes auf ein Jahr ausspricht. Stattdessen werden doch überall Leute entlassen."

In der derzeitigen Situation findet sie die Idee, für jeden Arbeitslosen, unabhängig vom Alter, maximal zwölf Monate Arbeitslosengeld auszuzahlen, unverschämt. Ältere hätten es nun einmal zu schwer, etwas Neues zu finden. "Solange das Denken in den Köpfen der Arbeitgeber fehlt, Ältere einzustellen, wird sich nichts ändern. Der Staat müsste deshalb eine Auflage einführen, die Unternehmen dazu verpflichtet, Ältere einzustellen – oder sie zumindest einzuladen, um ihnen eine Chance zu geben."

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"Dass es so schwierig wird, hätte ich nicht gedacht"

Rolf entschied sich nach dem Abitur in den Achtzigerjahren für ein duales Studium des Maschinenbaus. Das brachte ihm eine Anstellung in einem großen deutschen Maschinenbauunternehmen ein, in dem er über 30 Jahre lang beschäftigt war – 25 davon in Führungspositionen. Er konnte sich über "ein relativ gutes Gehalt" freuen, wie er berichtet.

Doch mit der Weltwirtschaftskrise 2008 ging es mit dem Betrieb kontinuierlich bergab, sodass Entlassungswellen und Effizienzsteigerungsmaßnahmen folgten. Irgendwann warb der Arbeitgeber proaktiv mit Aufhebungsverträgen, die vor allem älteren, gut verdienenden Mitarbeitern wie ihm schmackhaft gemacht wurden.

Im Telefoninterview mit t-online verrät der t-online-Leser: "Irgendwann hatte ich die Nase voll und nahm mit 57 ein Abfindungsangebot an." Denn das Stresslevel war so hoch, dass sich sogar "gesundheitliche Zipperlein" zeigten. Für ihn war es zum damaligen Zeitpunkt die beste Entscheidung, die er bis heute nicht bereut. Doch er rechnete nicht damit, für den Arbeitsmarkt so unattraktiv zu sein.

"Ich nahm die Arbeitslosigkeit bewusst in Kauf, in der Annahme, zeitnah woanders anfangen zu können. Aber dass es so schwierig wird, hätte ich nicht gedacht, denn ich bringe eine gewisse Qualifikation mit. Irgendwann bewarb ich mich auf Stellen, für die ich klar überqualifiziert war. Es nützte trotzdem nichts, man wollte mich nicht. Und das, obwohl ich eine hohe Flexibilität, Motivation sowie die Bereitschaft zeigte, ein um 50 Prozent geringeres Jahresgehalt und zwei Stunden Fahrtzeit in Kauf zu nehmen."

Es dauerte zwei Jahre, bis das Glück zuschlug und der Baden-Württemberger einen Job in der Stadtverwaltung im Bereich Klimaschutz fand. Das Arbeitsverhältnis ist jedoch auf drei Jahre befristet, 2026 läuft der Vertrag aus. "Und wenn die drei Jahre um sind? Wer weiß", sagt der 61-Jährige ernüchtert in die Zukunft blickend.

Mit 62 wäre er noch zu jung, um direkt in Rente gehen zu können. Er spekuliert darauf, dass der jetzige Arbeitgeber die Anstellung verlängert. Andernfalls stellt er sich darauf ein, wieder Arbeitslosengeld zu bekommen – so lange, bis er mit 63 frühzeitig Rente beziehen kann. Jedoch wären die Abschläge in Höhe von rund 15 Prozent für ihn schmerzhaft.

Die Erzählung von Politikern, ältere Arbeitnehmer seien für den Arbeitsmarkt doch so interessant, weil sie wertvolle Erfahrungswerte mitbringen, ist für Rolf "nicht nur eine Verklärung der Realität, es ist eine Illusion und völlig weltfremd". Die Lebenswirklichkeit, meint er, sei eine andere: "Unternehmen sind daran interessiert, ältere Arbeitnehmer loszuwerden und nicht neue teuer einzustellen. Es mag Ausnahmen geben in Kleinbetrieben oder im Handwerk, aber in der Großindustrie können Sie das vergessen."

Wenn auch deutlich schlechter bezahlt und mit einer Fahrtzeit von täglich zwei Stunden, ist er froh, erstens keine auslaugende Führungsverantwortung mehr zu haben, und zweitens etwas Gutes zu tun. "Klimaschutz ist mir wichtig und sogar ein Stück weit Berufung für mich. Es ist toll, dazu einen Beitrag leisten zu können."

Verwendete Quellen
  • Telefoninterviews mit t-online-Lesern. Um ihre Anonymität sicherzustellen, wurden ihre Namen geändert.
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