Bürgergeld für Ukrainer "Warum sollten sie ausgeschlossen werden?"

Markus Söder will Ukrainern das Bürgergeld streichen. Doch das Vorhaben könnte nach hinten losgehen, warnen Experten.
Die Bundesregierung will Geflüchtete aus der Ukraine künftig schlechterstellen. Nach Plänen der schwarz-roten Koalition sollen Ukrainerinnen und Ukrainer, die seit dem 1. April 2025 nach Deutschland gekommen sind oder noch kommen, nicht mehr wie bisher Bürgergeld erhalten, sondern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Allerdings gibt es große Zweifel, ob damit überhaupt Geld gespart werden kann.
Im vergangenen Jahr beliefen sich die Gesamtausgaben für das Bürgergeld auf 46,9 Milliarden Euro, rund acht Prozent des Bundeshaushalts. Etwa 6,3 Milliarden Euro davon entfielen auf Geflüchtete aus der Ukraine. Im Juli erhielten rund 519.000 Ukrainerinnen und Ukrainer Bürgergeld, hinzu kamen etwa 200.000 Kinder.
Über die Hälfte der Gemeldeten stand dem Arbeitsmarkt aber nicht zur Verfügung – sie besuchten einen Integrationskurs, machten eine Weiterbildung oder betreuten Angehörige. Tatsächlich arbeitslos gemeldet waren 217.000 ukrainische Staatsangehörige.
Wenige Betroffene, keine Ersparnis
Nun hat das Bundesarbeitsministerium einen Gesetzentwurf für einen sogenannten Rechtskreiswechsel vorgelegt. Demnach sollen nach dem 1. April 2025 alle neu ankommenden Ukrainerinnen und Ukrainer kein Bürgergeld mehr erhalten, sondern in das Asylbewerberleistungssystem wechseln. Betroffen wären nach Schätzungen bislang rund 21.000 Menschen seit dem Stichtag.
- Studie: Darum arbeiten viele Ukrainer in Deutschland nicht
- Pro & Contra: Bürgergeld für Ukrainer war von Anfang an falsch
- Hitzige Bürgergeld-Debatte: Rückendeckung für Söders Vorstoß
Die Maßnahme soll laut Entwurf 1,3 Milliarden Euro sparen. Gleichzeitig würden jedoch etwas höhere Kosten für Asylbewerberleistungen entstehen. Hauschefin Bärbel Bas (SPD) räumte bereits Mitte Juli im ZDF ein: "Das ist in der Tat für den Gesamthaushalt weniger eine Ersparnis." Eine nennenswerte Entlastung für Bund, Länder und Kommunen sei daher nicht zu erwarten.
Kein Druck mehr, sich einen Job zu suchen
Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sieht das Vorhaben kritisch. "Wenn wir wirklich sparen wollen, müssen wir Menschen in Arbeit bringen", sagte er t-online. Laut Berechnungen seines Instituts würden 100.000 Arbeitslose weniger eine Ersparnis von rund drei Milliarden Euro bringen.
Der beste Weg dafür sei das Bürgergeld, so Weber: "Beim Jobcenter schlagen die Empfänger automatisch auf und bekommen alles unter einem Dach: ihre Leistungen, aber auch Arbeitsförderung, Beratung und Vermittlung." Der Gesetzgeber sollte sie nicht aus einem System nehmen, das ihnen hilft, so der Arbeitsmarktforscher.

Zur Person
Enzo Weber ist Professor für Wirtschaftswissenschaften und Forschungsbereichsleiter am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Er gilt als einer der führenden Experten für Arbeitsmarktprognosen und die Integration von Geflüchteten.
Empfängern des Asylbewerberleistungsgesetzes stehen rund 100 Euro weniger zur Verfügung. Während alleinstehende Erwachsene im Bürgergeld monatlich 563 Euro erhalten, liegt der entsprechende Satz bei den Asylbewerberleistungen nur bei 441 Euro. Mietkosten werden aber weiterhin übernommen. Doch anders als beim Bürgergeld "gibt es keinen Druck, sich Arbeit zu suchen, und auch keine Sanktionen, wenn jemand nicht mitmacht", merkt Weber an.
- Bürgergeld-Protokolle: "Prekärer geht's nicht"
- Sozialreferentin: Söders Vorstoß beim Bürgergeld für Ukrainer "nicht umsetzbar"
Eine Frage der Gerechtigkeit
Außerdem sieht der Arbeitsmarktexperte ein Gerechtigkeitsproblem. Eigentlich bekommen nach Deutschland Geflüchtete nur so lange Asylbewerberleistungen, bis ihr Status anerkannt sei. "Danach bekommen sie ganz naturgemäß Bürgergeld." Ukrainer fallen derweil unter die sogenannte Massenstromrichtlinie. Das heißt: Sie müssen keinen Asylantrag stellen und auch kein Verfahren abwarten. "Warum sollte nun gerade diese eine Nationalität aus dem Bürgergeld ausgeschlossen werden?", fragt Weber rhetorisch.
Das Bundesarbeitsministerium betonte jedoch, dass der Rechtskreiswechsel helfen könnte, den Zugang zu staatlichen Leistungen strenger zu reglementieren und die Kommunen gezielter zu entlasten. Der Deutsche Landkreistag befürwortete die Maßnahme grundsätzlich, forderte jedoch zugleich, dass Asylbewerber künftig stärker zur Arbeitsaufnahme verpflichtet werden müssten.
CSU-Chef Markus Söder verwies jüngst darauf, dass trotz der Unterstützung durch das Bürgergeld die Beschäftigungsquote unter Ukrainern in Deutschland zu niedrig sei. Laut Bundesagentur für Arbeit lag sie im Mai bei nur etwa 35 Prozent. In anderen europäischen Ländern ist die Arbeitsquote jedoch deutlich höher – etwa in Litauen (57 Prozent), Dänemark (53 Prozent) oder Polen (48 Prozent).
Niedrige Arbeitsquote in Deutschland
Weber räumt den Vorsprung anderer Länder ein. "Wir müssen uns ankreiden, dass wir am Anfang, in den Jahren 2022 und 2023, zu langsam waren." Es habe sehr lange Wartezeiten auf Sprachkurse und Integrationskurse gegeben, sodass die Vermittlung spät gestartet sei.
"Aber seit 2024 sind die Jobaufnahmen stark gestiegen", berichtet Weber. Laut der Bundesagentur für Arbeit liegt die Jobaufnahmequote ukrainischer Arbeitsloser aus der Grundsicherung (3,2 Prozent) inzwischen über dem Durchschnitt aller Arbeitsloser (2,4 Prozent).
Es liegt im Interesse aller, auch für unsere eigene Wirtschaft, daraus etwas zu machen.
Enzo Weber
Zudem sei die Strategie anderer Länder, "Geflüchtete in egal welchen Job zu vermitteln, mittelfristig nicht der beste Weg", erklärt Weber. "Viele Ukrainer haben einen hohen Bildungsstand. Es liegt im Interesse aller, auch für unsere eigene Wirtschaft, daraus etwas zu machen."
Aktuell gibt der deutsche Arbeitsmarkt jedoch wenig her. Alexander Kubis, Volkswirt am IAB, beschreibt die Lage so: "Die Zahl der offenen Stellen sinkt und die Zahl der Arbeitslosen steigt." Auf drei Millionen Arbeitslose kommen eine Million offene Stellen. "Die Auswirkungen der schlecht laufenden Wirtschaft zeigen sich immer deutlicher", warnt Kubis.
Weniger einfache Jobs für viele Suchende
Derzeit sind rund 279.000 Ukrainerinnen und Ukrainer sozialversicherungspflichtig beschäftigt, hinzu kommen 53.000 geringfügig Beschäftigte. Meistens arbeiten sie in Zeitarbeit, Gebäudemanagement, Handel, Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Gastgewerbe.

Zur Person
Alexander Kubis ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am IAB. Seine Schwerpunkte liegen in der Analyse von Fachkräftebedarf, demografischem Wandel und Beschäftigungseffekten. Der Volkswirt gilt als gefragter Experte, wenn es um die großen strukturellen Herausforderungen des deutschen Arbeitsmarkts geht.
Im Bereich der Helferjobs, die keine Berufsausbildung erfordern, ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt besonders schlecht. "Im Helferbereich haben wir eine Arbeitslosenquote von 17 Prozent", so Kubis. Das ist deutlich höher als die Gesamtquote, die bei rund sechs Prozent liegt. Hinzu kommt, dass "unter den Arbeitslosen über die Hälfte nur einen Job im Helferbereich" sucht, erklärt Kubis.
Deutlich gefragter sind dafür weiterhin Fachkräfte und Experten. "Wir stecken voll im demografischen Wandel. Die Babyboomer verlassen aktuell massiv den Arbeitsmarkt. Es gehen gut ausgebildete Leute, die von den Betrieben nachbesetzt werden müssen", erklärt Kubis.
Dafür sind aber in den meisten Fällen in Deutschland anerkannte Abschlüsse nötig. Die zu bekommen, ist für Geflüchtete jedoch oft langwierig und bürokratisch. Das Jobcenter könnte nach dem geplanten Rechtskreiswechsel neu angekommene Ukrainerinnen und Ukrainer nicht mehr dabei unterstützen, in Beschäftigung zu kommen. Für sie wäre dann direkt die Bundesagentur für Arbeit zuständig.
- Telefonat mit Enzo Weber
- Telefonat mit Alexander Kubis
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP