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Zum journalistischen Leitbild von t-online.DIW-Studie Aktivrente: Nur dann würde sie sich lohnen

Die bei der Aktivrente vorgesehenen Steuererleichterungen könnten ein Loch in die Staatskasse reißen. Damit es nicht so kommt, müsste einiges passieren.
Die von der Bundesregierung geplante Aktivrente soll mehr Menschen, die das gesetzliche Rentenalter erreicht haben, in Beschäftigung bringen und so die Rentenkassen entlasten. Wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) nun jedoch berechnet hat, würde die Aktivrente zunächst zu Steuerausfällen in Höhe von 770 Millionen Euro führen.
Der Grund: Schon heute arbeiten hunderttausende Rentner freiwillig weiter. Etwa 230.000 würden laut DIW künftig von einem fast doppelt so hohen Steuerfreibetrag – bis zu 2.000 Euro monatlich – profitieren. Das heißt: Pro arbeitendem Rentner würde der Staat zunächst auf etwa 3.350 Euro Steuern im Jahr verzichten. Lesen Sie hier Details zur Aktivrente.
75.000 neue Rentner in Arbeit nötig
Um die Mindereinnahmen bei der Steuer wieder auszugleichen, müssten sich mindestens 75.000 neue Rentner zum Weiterarbeiten entschließen. Dann könnte "durch zusätzliche Einnahmen von Sozialbeiträgen sowie Unternehmens- und indirekten Steuern ein kleiner Überschuss für den Staat von gut 500 Millionen Euro entstehen", so das DIW.
Ob das gelingen wird, ist unklar. Experten kritisieren etwa, dass Menschen, die ihr Leben lang körperlich hart gearbeitet haben gar nicht weiterarbeiten könnten. Auch familiäre Verpflichtungen, etwa die Pflege von Angehörigen, sprechen eher gegen eine Erwerbstätigkeit im Rentenalter.
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Mehr Netto motiviert nicht alle
Dazu passt, dass die Deutschen früher in Rente gehen, als es das gesetzliche Rentenalter vorsieht. Wie Zahlen der Deutschen Rentenversicherung zeigen, lag das Durchschnittsalter für den Renteneintritt im Jahr 2023 bei 64,4 Jahren – und damit nur geringfügig höher als in den Vorjahren.
Studien zeigen zudem, dass die Aussicht auf ein Plus im Geldbeutel nicht zwangsläufig zu Mehrarbeit motiviert. Forscher des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) gehen etwa davon aus, dass das verfügbare Einkommen durch die Aktivrente um etwa 5,5 Prozent steigen und dies nur 5.000 bis 15.000 Ruheständler mehr zum Arbeiten bewegen würde.
Vor allem Besserverdiener profitieren
Schließlich kritisiert das DIW, dass vor allem besserverdienende Rentner von der Aktivrente profitieren würden. Mehr als 600.000 Rentner in Minijobs blieben aktuell außen vor, genauso wie Selbstständige. "Sozialen Sprengstoff" sehen die Forscher darin, dass "ältere Beschäftigte steuerlich stark begünstigt werden, während jüngere Erwerbstätige voll belastet bleiben".
Vorgesehen war, dass die Aktivrente ab Januar 2026 startet. Ein Gesetzesentwurf liegt jedoch bisher nicht vor. Experten zufolge ist daher fraglich, ob es vor der Sommerpause zu einer Abstimmung kommen wird und die Aktivrente wirklich wie geplant eingeführt werden kann.
- diw.de: "Aktivrente entlastet vor allem besserverdienende Rentner*innen"
- deutsche-rentenversicherung.de: "Rentenversicherung in Zeitreihen"
- Brüll E., Pfeiffer F., Ziebarth N.: "Analyse der Einkommens- und Beschäftigungswirkungen einer Einführung des CDU-Konzepts der 'Aktiv-Rente'", De Gruyter, 2024