Strompreis-Debatte Regierung plant neue Umlage für alle Verbraucher

Die Bundesregierung plant offenbar die Einführung einer neuen Umlage, die alle Stromverbraucher zahlen sollen. Der Strompreis kann für Verbraucher so nicht nachhaltig sinken.
Auch in der Sommerpause gibt es für die schwarz-rote Koalition keine Ruhe beim Thema Strompreise. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hat am Wochenende schnelle Korrekturen bei der Stromsteuer angemahnt. "Die Menschen und die Unternehmen in Deutschland brauchen eine Entlastung", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Ich erwarte und hoffe, dass der Bundesfinanzminister hier schnell eine Priorität setzt – und die Bundesregierung ihr Wahlversprechen einlöst."
Statt wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, die Stromsteuer für alle abzusenken und damit einen wesentlichen Beitrag für geringere Strompreise zu leisten, hatte das Bundeskabinett Ende Juni entschieden, nur die Industrie sowie Land- und Forstwirtschaft bei der Stromsteuer zu entlasten. Nach Informationen von t-online verhandelt das Bundeswirtschaftsministerium nun sogar über die Einführung einer neuen Stromumlage.
Gaskraftwerke: 20 Gigawatt Neuanlagen geplant
Diese Umlage soll dazu dienen, die geplanten neuen Gaskraftwerke zu refinanzieren. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) will bis zu 20 Gigawatt an neuen Kraftwerkskapazitäten installieren lassen – sofern sie dafür von der EU eine Bewilligung bekommt. Die Kraftwerke sollen dann verlässlich Strom liefern, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. In diesem Fall spricht man von einer Dunkelflaute.
Diese Absicherung der Stromversorgung sollen nach dem Willen der Wirtschaftsministerin alle Stromverbraucher bezahlen. Das geht aus einer schriftlichen Anfrage des Bundestagsabgeordneten Michael Kellner (Grüne) an die Bundesregierung hervor, dessen Antworten t-online vorliegen. Zuerst hatte "Politico" darüber berichtet.
Jeder soll zahlen
Demnach soll jeder Stromverbraucher einen Beitrag dafür zahlen, dass die Gaskraftwerke am Netz sind, auch wenn gerade kein Strom aus dem Kraftwerk benötigt wird. Damit wird sichergestellt, dass sich der Erhalt der Anlage wirtschaftlich für den Betreiber lohnt. Dies nennt man im Fachjargon Kapazitätsmarkt.
"Das EU-Beihilferecht fordert im Fall eines Kapazitätsmarkts eine verursachergerechte Refinanzierung", erklärt die Bundesregierung in ihrer Antwort. Dazu, wie hoch die neue Stromumlage ausfallen könnte, gebe es noch keine genauen Zahlen, heißt es weiter. Es steht auch nicht fest, ob dieses Mittel gewählt wird, um die Kraftwerke zu finanzieren. Sollte keine Umlage eingeführt werden, müsste allerdings der Staat einspringen und zahlen.
"Die Antwort der Bundesregierung zur Kapazitätsmarktumlage zeigt, dass die Pläne von Katherina Reiche teuer werden für alle Stromkunden, auch für die Industrie", kritisiert Kellner im Gespräch mit t-online. "Obwohl Berechnungen im Ministerium noch aus der letzten Legislaturperiode vorliegen sollten, verschweigt die Bundesregierung, wie hoch die Kosten ausfallen könnten."
Neue Umlage so hoch wie Stromsteuer heute
Nach Angaben von "Politico" hat die letzte Bundesregierung mit einer Stromumlage in Höhe von etwa zwei Cent/kWh gerechnet. Das entspricht ungefähr dem, was Verbraucher heute an Stromsteuer zahlen.
Die Deutschen hatten im zweiten Halbjahr 2024 nach Angaben des Statistischen Bundesamts die höchsten Strompreise der EU. Für Neukunden liegt der Preis aktuell zwischen 30 und 40 Cent pro Kilowattstunde. Im günstigsten EU-Land, Ungarn, zahlen die Verbraucher zehn Cent/kWh.
Dabei machen Netzentgelte, Steuern und Umlagen den Großteil des deutschen Strompreises aus. Etwa 25 Prozent der Kosten kommen von Steuern und Umlagen, 30 Prozent gehen auf die Netzentgelte. Aus diesem Grund halten Experten die Absenkung der Stromsteuer für so bedeutsam – im Gleichschritt mit einer Reform der Umlagen.
Energiewende nur mit günstigerem Strom
"Ohne Reform der Strompreisbestandteile wird die Energiewende nicht bei den Haushalten ankommen", formuliert es der im März von sechs Forschungsinstituten erarbeitete Ariadne-Report zur Energiewende deutlich. Die Absenkung von Steuern und Umlagen sei "von hoher Bedeutung für die Wärmewende, die Antriebswende im Verkehrssektor und den Klimaschutz in der Industrie."
Den Prognosen zufolge wird Strom im Großhandel – also ohne Verbrauchersteuern und Umlagen – in den kommenden 20 Jahren deutlich sinken, laut Ariadne-Report auf sieben bis acht Cent/kWh bis 2045. Wenn Steuern, Netzentgelte und Umlagen aber weiter so hoch bleiben, verpuffen diese Effekte – von der Einführung einer neuen Umlage ganz zu schweigen.
- Eigene Recherche
- Ariadne Report: "Ariadne Report: Szenarien für eine klimaneutrale Zukunft – März 2025"
- Statistisches Bundesamt: "Umwelt und Energie in Europa"
- Bundesnetzagentur: "Strom- und Gastarife im Überblick"