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Krankenkassen: Milliardengewinne – GKV-Verband warnt dennoch


Krankenkassen
Milliardenüberschuss erwartet – doch die Lage ist "bedrohlich"


Aktualisiert am 04.06.2025 - 17:47 UhrLesedauer: 4 Min.
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Eine Gesundheitskarte einer Krankenkasse zusammen mit Bargeld auf einem Tisch (Symbolfoto): Die Ausgaben steigen. (Quelle: IMAGO/imago)
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Nach mehreren Jahren in den roten Zahlen werden die Krankenkassen in diesem Jahr Überschüsse erwirtschaften. Das hilft allerdings kaum.

Die Lage für die deutschen Krankenkassen spitzt sich zu: Nach mehreren Jahren der roten Zahlen sollen in diesem Jahr erstmals wieder Überschüsse erwirtschaftet werden – aufgrund kräftiger Beitragssteigerungen für die 75 Millionen Mitglieder in Deutschland zu Beginn des Jahres. Am finanziellen Spielraum der Kassen ändert das jedoch wenig. Denn nachdem die Krankenkassen jahrelang ihre Reserven verbraucht haben, liegen diese mittlerweile weit unter dem gesetzlichen Limit. So betonte die Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands GKV, Doris Pfeiffer, vor Journalisten im brandenburgischen Kremmen: "Die Situation ist bedrohlich."

Krankenkassen: Rücklagen liegen weit unter dem Minimum

Ende 2024 hatten die GKV-Mitglieder lediglich noch Rücklagen von sieben Prozent einer Monatsausgabe in der Hinterhand. Vorgeschrieben sind mindestens 20 Prozent. Zum Vergleich: 2018 lag der Wert noch bei 107,6 Prozent. Doch in der Folge wurde die Obergrenze von der Politik immer weiter heruntergesetzt, die Rücklagen wurden schnell aufgebraucht – und das aufgrund steigender Kosten sogar über die gesetzliche Grenze hinaus.

Der GKV-Spitzenverband bemängelt, dass mit dem Geld der Krankenkassen auch Dinge finanziert wurden, die die Regierung aus dem Haushalt hätte finanzieren müssen – etwa die Beiträge für Bürgergeldempfänger. So klagt der GKV-Vertreter für die Versicherten, Uwe Klemens: "Ein Grund für die schwierige Finanzsituation ist der schamlose Griff der beiden letzten Regierungen in die Kassen der Krankenversicherung." Drohende Finanzierungslücken seien "nur mit allerlei Tricks und Kniffen über den Griff in die Rücklagen" gestopft worden.

Nun benötigen die Krankenkassen Überschüsse, um die Reserven wieder auf ein gesetzliches Mindestmaß aufzufüllen. Allerdings gibt es jetzt schon Zweifel, ob das wie geplant gelingen wird. Denn der Zusatzbeitrag der gesetzlichen Krankenkassen war zum neuen Jahr von durchschnittlich 1,7 auf 2,9 Prozent angehoben worden, in der Erwartung, dass 2,5 Prozent für die Kostendeckung reichen. Nun rechnet Pfeiffer eher mit 2,6 Prozent. Das bedeutet, es bleiben zu wenige Einnahmen, um die Reserven aufzufüllen. Die Folge: Die Krankenkassen müssen erneut die Beiträge anheben.

Bis zum Mai haben bereits acht Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge ein weiteres Mal erhöht. Bis zum 1. Juli könnten sechs weitere folgen, sie haben die Erhöhungen bereits beantragt, berichtet Pfeiffer. Den Zusatzbeitrag legt jede Kasse je nach Finanzlage für ihre Versicherten fest. Zum Gesamtbeitrag gehört daneben noch der allgemeine Satz von 14,6 Prozent des Bruttolohns.

Grund für die Nachsteuerungen: Die Kosten steigen weiterhin unkontrolliert an. Bereits im vergangenen Jahr machten 89 der 94 gesetzlichen Krankenkassen Verluste – insgesamt 6,2 Milliarden Euro. Dabei hatten sie schon damals Rekordeinnahmen generiert. Da die Einnahmen jedoch nur um 5,3 Prozent, die Ausgaben aber um 7,3 Prozent stiegen, stehen die Kassen vor einer großen Herausforderung. Am stärksten war der Kostenanstieg in der Pflege wegen der verbesserten sozialen Sicherung von Pflegekräften. Auch die Krankenhausbehandlung wurde deutlich teuer, allerdings nicht wegen eines Anstiegs der Fälle. Vielmehr war im vergangenen Jahr der Anteil der schweren Fälle besonders hoch.

Arzneimittel nirgendwo so teuer wie in Deutschland

Ein wesentlicher Aspekt bei den steigenden Ausgaben sind die rasant steigenden Kosten bei Arzneimitteln. Denn Arzneimittel sind zwar in Europa nirgendwo so schnell verfügbar wie in Deutschland, allerdings zahlt kein anderes europäisches Land so viel pro Kopf. Seit 2012 stiegen die Ausgaben um 107 Prozent auf 56 Milliarden Euro. Besonders auffällig ist der Anstieg bei neu zugelassenen Arzneimitteln, hier sind es 176 Prozent.

Dabei sei ein Zusatznutzen für die neuen Wirkstoffe oftmals gar nicht eindeutig, berichtet Stefanie Stoff-Ahnis, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Kassenverbands. Bei einem Drittel der neuen Wirkstoffe kann kein Zusatznutzen festgestellt werden. Selbst bei Arzneimitteln, denen ein Zusatznutzen bescheinigt wird, ist dies nicht gesichert.

Denn bei einem Großteil handelt es sich um Mittel, deren Zusatznutzen nicht bewiesen ist, sondern per Gesetz festgelegt wurde – weil es sich um Mittel gegen seltene Erkrankungen handelt. Da Unternehmen Medikamente für einen solch kleinen Markt aus wirtschaftlicher Perspektive oftmals nicht entwickeln wollen, gibt es vonseiten des Staates erleichternde Zulassungsverfahren. Ob die Mittel aber wirklich wirken, wissen die Patienten nicht.

GKV-Forderung: Nur das ausgeben, was auch reinkommt

Der GKV-Spitzenverband fordert nun ein Ausgabenmoratorium. Es soll also nicht mehr Ausgaben als Einnahmen geben. Da die Einnahmen durch steigende Löhne weiterhin größer werden, wären auch keine Kürzungen nötig. Allerdings müsste etwa der Anstieg der Ärztehonorare begrenzt werden. "Es ist nicht angemessen, dass die Kassiererin höhere Beiträge zahlt, damit ein Arzt noch mehr verdient", verdeutlicht Pfeiffer.

Eine ähnliche Deckelung der Ausgaben gab es schon einmal vor rund 30 Jahren, als sich die Krankenkassen ebenfalls in einer Krise befanden. Gesundheitsminister damals: Horst Seehofer (CSU).

Die heutige Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat bereits erklärt, neue Beitragsanhebungen für Versicherte und Unternehmen vermeiden zu wollen. Die Kassen fordern derweil schnelle Maßnahmen zum Bremsen von Ausgaben. Außerdem müsse der Bund Kosten für die Versorgung von Bürgergeldempfängern als gesamtgesellschaftliche Aufgabe voll übernehmen, was jährlich zehn Milliarden Euro ausmachen würde.

Auch Verluste bei Pflegeversicherung erwartet

Die Preise sind aufgrund des gesetzlichen Prädikats als nützlich erachtete Arzneimittel dennoch hoch. Manche Gentherapien kosten bei der Einführung Millionenbeträge – pro Patient und Anwendung. "Diese Preise gefährden das solidarische System", warnt Stoff-Ahnis. Sie betont, die gesetzliche Krankenversicherung gebe deutlich zu viel Geld für Wirkstoffe ohne nachgewiesenen Zusatznutzen aus.

Schlecht ist die Situation auch bei der Pflegeversicherung, in der es Anfang 2025 auch eine Beitragsanhebung gab. Dort wird in diesem Jahr noch ein Minus von 166 Millionen Euro erwartet – nach einem Verlust von 1,5 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. In den ersten drei Monaten 2025 wurden 90 Millionen Euro Defizit verbucht. "Es wird immer enger", sagt GKV-Verbandschefin Pfeiffer. Ohne zusätzliche Mittel könnte drohen, dass weitere Pflegekassen Liquiditätshilfen benötigen. Es brauche jetzt eine "finanzielle Atempause", um grundlegende Reformen angehen zu können.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort in Kremmen
  • Statistiken des GKV-Spitzenverbands
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