Börsen im Abwärtsrausch Ist das schon ein Crash?
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Erst brach der japanische Nikkei-Index ein, dann folgte der Dax, am Nachmittag erwischte es Dow Jones und Nasdaq: Die Börsen der Welt crashen. Wie konnte es so weit kommen?
An den Börsen der Welt machte sich zum Start in die neue Woche etwas breit, das man schon länger so nicht mehr gesehen hat: Panik. Am frühen Morgen verlor der japanische Nikkei-235-Index mehr als 12 Prozent. Die deutschen Indizes Dax und MDax fielen um rund 3,5 Prozent. Der S&P 500 brach zur Börseneröffnung in New York – um 15.30 Uhr deutscher Zeit – um 4,16 Prozent ein, der Technologieindex Nasdaq gar um mehr als 6 Prozent. Lesen Sie hier mehr zum aktuellen Kursrutsch.
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Wie aber konnte es so weit kommen? Und handelt es sich eigentlich schon um einen "Crash" – oder nur um einen etwas heftigeren Ausschlag an den Aktienbarometern? Wir klären die wichtigsten Fragen im Ratgeber.
Börsen brechen ein: Das sind die Gründe
Gründe für den starken Rücksetzer gibt es einige: Da ist plötzlich die aufkeimende Angst vor einer Rezession in den USA, nach schwachen Zahlen vom Arbeitsmarkt und enttäuschenden Konjunkturdaten. Aber auch die Befürchtung, dass man vom Geschäft mit und an der Künstlichen Intelligenz (KI) zu viel erwartet hatte.
Die Aktien großer Tech-Konzerne, allen voran der Chiphersteller Nvidia, hatten zuletzt deutlich an Wert eingebüßt. Starinvestor Warren Buffett trennte sich in großem Stil von Apple. Daneben fielen die Aktien von Alphabet, Amazon, Meta, Microsoft und Tesla, teilweise um bis zu rund zwölf Prozent. Insgesamt fast eine Billion Dollar an Börsenwert – weg.
Ist das schon ein Crash?
Eine feste Definition von Crash – zu Deutsch: Börsenkrach – gibt es nicht. Typisch ist aber, dass Anleger panikartig Aktien verkaufen und die Kurse damit schnell an Wert verlieren. Das Szenario verstärkt sich noch, wenn Anleger in der Abwärtsbewegung aus Angst vor immer größeren Verlusten immer mehr verkaufen. Ein solcher Abverkauf kann wenige Stunden, aber auch mehrere Tage dauern.
Verkaufen viele Anleger gleichzeitig Aktien desselben Unternehmens, kann es passieren, dass die Börse den Handel kurzfristig aussetzt: Denn dann gibt es keine zuverlässigen Kurse mehr. Wer noch Aktien kauft, wird diese nur gegen einen hohen Wertabschlag aufs Buch nehmen wollen. Am Schwarzen Montag, dem 19. Oktober 1987, verlor der Dow Jones 22 Prozent – Aktien wurden damals vom Handel ausgesetzt.
Trotz der Turbulenzen liefen die Börsen der Welt am heutigen Montag vorerst weiter. In dem Sinne ist das "Crash"-Szenario noch nicht eingetreten.
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Warum kommt es zum Crash?
An der Börse werden Erwartungen gehandelt. Börsianer blicken also meist in die Zukunft und bilden sich darüber ein Urteil – das können Konjunkturdaten sein, also die Wirtschaftsleistung, Arbeitsmarktdaten oder Inflationszahlen, aber auch Trends in bestimmten Branchen, etwa Künstliche Intelligenz (KI), und wie sich Unternehmen in dem jeweiligen Umfeld behaupten.
Einem Crash geht normalerweise ein unerwartetes Ereignis voraus; etwas, das also in der Erwartungsrechnung der Börsianer nicht Bestandteil war. Im Falle der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers 2008 etwa war lange Zeit unentdeckt geblieben, dass über Jahre vergebene Hauskredite in den USA "faul" waren und deren Ausfallrisiko enorm. Möglich ist auch ein externer Schock, ein Kriegsereignis oder ein hochansteckendes Virus, das die Weltwirtschaft lahmlegt.
Spekulation beziehungsweise eine Überreaktion von Anlegern kann schließlich auch ein Grund für einen Crash sein. 1987 war dies offenbar der Fall: Eigentlich ging es der US-Wirtschaft damals gut. Womöglich waren Aktien aber schlicht zu teuer gehandelt; durch den Crash pendelten sie sich auf einem Niveau wieder ein, das in einem angemesseneren Verhältnis zur Geschäftstätigkeit stand.
Was folgt nach dem Börsencrash?
Geht es stark abwärts, ist das für Anleger bitter. Doch die Erholung an den Märkten kommt normalerweise früher oder später. Am Ende geht es darum, einen angemessenen Preis für die im jeweiligen Index gelisteten Aktien zu finden. Kennzahlen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis helfen Analysten bei einer solchen Bewertung. An der Börse bildet sich der Aktienpreis am Ende nach Angebot und Nachfrage.
Wie lange es dauert, bis sich Börsen nach einem deutlichen Wertverlust erholen, kommt auf die Schwere des Rücksetzers an: Nach dem Börsencrash 1987 hatte der Dow Jones nach rund 15 Monaten sein voriges Niveau wieder erreicht. Der Kurssturz nach der Corona-Pandemie war sogar nach gut zwölf Monaten wieder ausgeglichen.
Anleger, die dagegen das Platzen der Technologieblase ("Dotcom-Blase") im September 2000 erlebten und acht Jahre später die Finanzkrise, mussten bis 2013 ausharren, um mit ihrem Investment wieder auf Anfangsniveau zu kommen. Grundsätzlich raten Experten, in weltweite Aktien zu investieren und lange dabei zu bleiben – um auch einmal stärkere Verlustphasen zu überstehen.
- Eigene Recherche
- americanexpress.com: "Black Monday: Der schwerste Börsencrash aller Zeiten"
- finanztip.de: "MSCI World: So funktioniert das globale Kursbarometer"
- Mit Archivmaterial