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Dax-Rekord: Wie lange hält der Höhenflug an?


Angst treibt Anleger in Aktien
Dax im Rausch: Nach der Rallye kommt der Kater


20.09.2024Lesedauer: 5 Min.
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Jubel über Kursgewinne an den BörsenVergrößern des Bildes
Jubel über Kursgewinne an den Börsen (Symbolbild): Der Dax hat ein historisches Hoch erreicht – ist das der Startschuss für die nächste Rallye? (Quelle: Clerkenwell)

Der deutsche Leitindex Dax erreicht ein historisches Rekordhoch, begünstigt durch die jüngst gesenkten US-Leitzinsen. Ob der Aufwärtstrend anhält?

Hierzulande galt die Aufmerksamkeit der Börsianer seit einer Woche in erster Linie der US-Notenbank, die nun die Leitzinsen um 0,5 Prozentpunkte auf eine Spanne von 4,75 bis 5,0 Prozent gesenkt hat. "Nicht wenige Marktteilnehmer dürften kurz nach Bekanntgabe des Zinsentscheids große Augen gemacht haben", sagte Christian Henke, Analyst vom Broker IG. Doch US-Notenbankchef Jerome Powell machte klar, dass dies nicht "das neue Tempo" auf dem Zinspfad nach unten sei.

Der US-Standardwerteindex kletterte um 1,3 Prozent auf 42.025 Punkte. Der breit gefasste S&P 500 legte 1,7 Prozent auf 5.713 Stellen zu. Für beide Marktbarometer war es ein Schlussrekord. Auch der deutsche Leitindex Dax erreichte am Donnerstag ein historisches Rekordhoch. Er stieg in der Spitze auf 19.039 Zähler. Die bisherige Höchstmarke datiert vom 3. September bei 18.990 Punkten.

Es scheint, als treibe die Angst, etwas zu verpassen, viele in Aktien, sagt Finanzexperte Joachim Goldberg von der Börse Frankfurt. Goldberg beschäftigt sich seit rund 40 Jahren mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Ob der überschwängliche Optimismus weitere Rekorde bringt?

Rutscht die US-Wirtschaft in eine Rezession?

Laut Jan Viebig, Chief Investment Officer bei der Privatbank Oddo BHF, wäre es verfehlt, aus der Höhe der Zinssenkung ableiten zu wollen, dass die wirtschaftliche Gesamtlage aus Sicht der amerikanischen Zentralbank einen drastischen Zinsschritt erfordert hätte.

Die Fed sehe derzeit keine konkrete Gefahr für ein Abgleiten der US-Wirtschaft in eine Rezession. Laut US-Arbeitsministerium ist die viel beachtete Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe um 12.000 auf 219.000 zurückgegangen und liegt damit auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau.

Dies deutet auf einen robusten Arbeitsmarkt hin. Mit jeweils zwei Prozent für die Jahre 2024 bis 2026 ist die Wachstumsprognose der Fed für die US-Wirtschaft gegenüber dem Stand vom Juni praktisch unverändert. Die US-Notenbank hat, anders als die meisten anderen Notenbanken, ausdrücklich Vollbeschäftigung als gleichgewichtetes Ziel neben Preisstabilität.

"Die Fed hat begonnen, den Fuß von der Bremse der US-Wirtschaft zu nehmen, da sich die Inflation verlangsamt und die Sorgen über die Wachstumsaussichten zunehmen", schrieb Ökonom James McCann vom Vermögensverwalter abrdn Investments. Bis Jahresende signalisierte Notenbankpräsident Jerome Powell bereits weitere Zinssenkungen.

Wie steht es um die deutsche Wirtschaft?

In Deutschland ist nach Einschätzung der Bundesbank das Ende der Konjunkturflaute nicht in Sicht. "Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiter in schwierigem Fahrwasser", heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Monatsbericht der Zentralbank. Grund sei eine erhöhte wirtschaftspolitische Unsicherheit, was die Unternehmen dazu veranlasse, weniger zu investieren. Eine Rezession sei jedoch nicht zu erwarten.

Schließlich bleibt die Frage, ob der Dax-Rekord angesichts mauer Wirtschaftsdaten gerechtfertigt ist. Marktexperte Goldmann glaubt, dass die veröffentlichten ökonomischen Daten vielmehr zu einer veränderten Sichtweise von Kommentatoren und Medien und zu einer Neueinschätzung geführt haben – und das, obwohl sich die Rahmenbedingungen nicht geändert haben.

Werden die Wirtschaftsaussichten aufgrund sinkender Zinsen nun besser?

Für Aktienanleger ist die Aussicht auf sinkende Zinsen sowohl in Deutschland als auch in den USA zunächst eine gute Nachricht. Aktien werden im Vergleich zu festverzinslichen Wertpapieren wieder attraktiver. Kredite werden günstiger, Unternehmen können sich leichter finanzieren, Investitionen werden erschwinglicher.

In der Folge wanderten in den USA vermehrt Aktien von Wohnungsbauunternehmen in die Depots. Investoren rechnen mit einer steigenden Nachfrage in diesem Sektor. Aktien von D. R. Horton, Lennar, Pulte Group und Toll Brothers legten im US-Handel um bis zu drei Prozent zu. Die Aktien der Baumarktketten Home Depot und Lowe‘s stiegen um jeweils zwei Prozent.

Die Frage, ob die Unternehmen ihre Investitionen ausweiten und die Verbraucherinnen und Verbraucher tatsächlich mehr kaufen und nicht darauf warten, dass die Kredite in Zukunft noch billiger werden, kann ohne entsprechende Daten nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Man sollte jedoch bedenken, dass der Leitzins in den USA in der ersten Jahreshälfte 2022 noch in einer Spanne zwischen 0,25 und 0,5 Prozentpunkten lag.

Dass es in absehbarer Zeit schon wieder so weit nach unten geht, darf bezweifelt werden. Salomon Fiedler von der Privatbank Berenberg geht davon aus, dass die Zentralbank ihre Zinssenkungen bei einem Leitzins von vier Prozent einstellen müsse, wenn sie einen Wiederanstieg der Inflation vermeiden wolle.

Laut "Handelsblatt" fragten sich nach der aktuellen Zinssenkung viele Beobachter, wie auch Kommentare auf X deutlich machten, warum US-Notenbankchef Powell betonte, die US-Wirtschaft sei stark, aber trotzdem die Zinsen senkte. Das erscheine auf den ersten Blick widersprüchlich, schreibt das "Handelsblatt" weiter.

Große Zinssenkungen seien in der Regel Reaktionen auf deutliche Rezessionssorgen. Hierbei sei aber zu beachten, dass Powell bei seiner optimistischen Einschätzung der Konjunktur den eigenen Zinsschritt offenbar schon mit eingerechnet habe in der Hoffnung, dass sich die Wirtschaft weiterhin robust zeige.

Wie stark ist die Angst, etwas zu verpassen?

Bei den von der Börse Frankfurt befragten institutionellen Anlegern mit mittelfristigem Anlagehorizont sei ein gestiegener Optimismus zu beobachten, der sich in einem Anstieg des Sentiment-Index niederschlage, erklärt Goldberg. Viele pessimistisch eingestellte Anleger hätten angesichts steigender Kurse die Segel gestrichen – wohl auch aus Angst, einen weiteren Anstieg des Dax zu verpassen.

Deutlich optimistischer seien dagegen die Privatanleger in Deutschland, denen die gute Stimmung an der Börse zu verdanken ist. Doch es waren wahrscheinlich nicht nur die heimischen Investoren, die zum Anstieg des Börsenbarometers beigetragen haben. Eine Umfrage der Bank of America unter internationalen Fondsmanagern ergab, dass Aktien der Eurozone in deren Gunst im Vergleich zum August wieder gestiegen sind.

Ist ein Crash möglich?

Zunächst seien die aktuellen Zinssenkungen sehr positiv für die breite wirtschaftliche Aktivität, sagte Konstantin Oldenburger, Analyst beim Broker CMC Markets. Dabei werde jedoch vernachlässigt, dass die Wirtschaft zu dieser Zeit bereits in einer Rezession stecke.

Doch die US-Notenbank nehme denjenigen etwas die Panik, die ein Szenario befürchteten, bei dem der Aktienmarkt historisch nach Zinssenkungen in einen Crash überging, so Oldenburger weiter. Für die Immobilienbranche, den Automobilsektor und teilweise auch das verarbeitende Gewerbe habe die Fed quasi den Rettungsring ausgeworfen.

Laut "Handelsblatt" könne der große Zinsschritt als Versuch einer möglichst vorauseilenden Entwicklung bzw. als Nachholung eines Schrittes interpretiert werden, den manche schon früher für angebracht gehalten hätten. Weitere Schritte dürften daher eher behutsam, aber durchaus kontinuierlich erfolgen. Nach dieser These werde die Geldpolitik also nicht locker, sondern bremse nur etwas weniger als zuvor.

Sind neue Börsenrekorde zu erwarten?

In den kommenden Wochen könnten sich die Märkte angesichts der US-Wahlen positiv, aber volatil entwickeln. Der unabhängige US-Analyst Ed Yardeni erwartet nach den US-Wahlen eine neue Börsenrallye. Ähnlich äußert sich Bjoern Jesch von der DWS im "Handelsblatt":

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"Im Vorfeld der US-Wahl dürfte die Nervosität am Aktienmarkt allerdings wieder zunehmen, was uns insbesondere für den S&P vorsichtiger werden lässt", sagt er. Längerfristig, mit Blick auf September des kommenden Jahres, ist der Stratege aber für die Aktien in den USA und der Eurozone leicht positiv gestimmt.

Die DZ Bank sieht den Dax Ende des Jahres bei 19.500 Punkten und Mitte 2025 bei 20.000 Punkten. Die neuen Kursziele implizieren für das Gesamtjahr 2024 einen Kursanstieg von 16 bis 19 Prozent – das wäre ein wirklich gutes, aber noch kein euphorisches Aktienjahr.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa und Reuters
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