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Corona-Konjunkturpaket: Es gibt nur in einem Punkt Einigkeit


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Riesiges Konjunkturpaket
Die Kohle muss glühen


Aktualisiert am 03.06.2020Lesedauer: 4 Min.
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Menschen in einer Fußgängerzone (Symbolbild): Die Bundesregierung entscheidet über ein gewaltiges Konjunkturpaket.Vergrößern des Bildes
Menschen in einer Fußgängerzone (Symbolbild): Die Bundesregierung entscheidet über ein gewaltiges Konjunkturpaket. (Quelle: imago-images-bilder)

Die Bundesregierung verhandelt über ein gigantisches Konjunkturpaket. Experten warnen vor einem Strohfeuer für die Wirtschaft. Sie haben Recht – und irren sich trotzdem.

Es geht um mindestens 75 Milliarden Euro. Vor dem Treffen der Koalitionsspitzen der Bundesregierung gibt es nur in einem Punkt Einigkeit: Alle sind wild entschlossen, die Wiederbelebung der Wirtschaft mit einer Riesensumme zu befeuern. Wohin das Geld am Ende gehen wird, ist allerdings nicht ansatzweise klar.

Kaum jemand bezweifelt, dass die Wirtschaft einen Impuls braucht, um wieder Fahrt aufzunehmen. Unter Wirtschaftswissenschaftlern und Politikern ist weitgehend unbestritten, dass sich der Staat dafür in einem bisher unbekannten Maßstab verschulden soll.

Die sinnvollsten Entscheidungen zur Stabilisierung der Konjunktur sind längst gefallen. Das verlängerte Kurzarbeitergeld gehört dazu, die Kredite und Zuschüsse für Solo-Selbstständige, die allgemeinen Programme zur Liquiditätssicherung der Unternehmen – und die Garantie, die Krankenkassen und Sozialversicherungen mit Zuschüssen zu unterstützen, wenn sie wegen der Wirtschaftskrise in die roten Zahlen geraten.

Konjunkturhilfe muss schnell wirken

Diese Maßnahmen wirken wie sogenannte automatische Stabilisatoren. Das bedeutet, dass der Staat auch in der tiefsten Krise seine Ausgaben und Leistungen stabil hält und dem Wirtschaftseinbruch nicht hinterherspart.

Doch heute geht es um direkte Eingriffe. Gesucht werden nun Maßnahmen, die möglichst schnell möglichst große Investitionen auslösen. Dazu müssen ein paar Bedingungen erfüllt sein: Sinnvoll ist die Starthilfe nur, wenn sie schnell – also binnen Tagen oder Wochen – wirkt und befristet ist.

Damit würden die diskutierten Infrastrukturmaßnahmen in Stromtankstellen, Straßen, Schulbauten oder 5-G-Mobilfunknetze aus dem Paket herausfallen. Hier würden zwar unzweifelhaft sinnvolle Investitionen gepusht. Doch es würde Monate oder Jahre dauern, bis die Bauanträge gestellt und genehmigt sind, Material und Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Der Konjunktur würde das alles nicht helfen.

Kommunen zu entschulden, bringt der Konjunktur nichts

Dasselbe gilt für den Vorschlag von Finanzminister Olaf Scholz (SPD), die Kommunen zu entschulden. Vor allem in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland ächzen die Städte und Gemeinden unter Milliarden an Altschulden, die ihnen alle Handlungsspielräume nehmen. Würde ihnen das Konjunkturpaket einen Teil dieser Schulden vom Hals schaffen, würde das zwar das Lebensgefühl der betroffenen Bürgermeister heben. Aber der Konjunktur brächte die Maßnahme gar nichts. Denn hier würden ja keine neuen Investitionen bezahlt, sondern Ausgaben der Vergangenheit abgelöst.

Dennoch werden sich die Koalitionäre wahrscheinlich sowohl auf Infrastrukturhilfen als auch auf eine Entlastung der Kommunen verständigen. Wenn schon, denn schon, denken sie sich. Wer weiß, wann man das nächste Mal Probleme lösen kann, die schon so lange auf der To-Do-Liste stehen, dass niemand nach ihrem Einfluss auf die Konjunktur fragt. Hauptsache, die Sachen sind endlich mal vom Tisch.

Reisegutscheine wären sinnvolle Maßnahmen

Dabei gibt es eine Menge Maßnahmen, die man stattdessen vereinbaren kann, und die ebenfalls auf der Tagesordnung stehen: Am stärksten betroffen von der Corona-Krise sind Hotels, Restaurants, private Dienstleister, Tourismuswirtschaft und Verkehr. Da viele Menschen jetzt Angst vor weiten Reisen in virusunsichere Gegenden haben, verabschieden sie sich gedanklich von den Sommerferien in fernen Ländern.

Würde es jetzt Sommerreisegutscheine (gültig bis Oktober) für die Bürger geben, könnte sich das schnell ändern. Ein Reisezuschuss von 100 Euro pro Person würde zwar am Ende rund acht Milliarden Euro kosten. Doch viele Bürger würden wahrscheinlich viel mehr Geld in die Hand nehmen, um aus dem verlängerten Wochenende im Harz eine richtige Ferienwoche zu machen.

Einfache Konsumgutscheine oder eine Überweisung von 100 Euro pro Kind würden ebenfalls direkt wirken. Doch hier ist, streng genommen, der Hebel zu klein. Wenn eine Familie nur den üblichen Wocheneinkauf oder den ohnehin geplanten neuen Schulranzen damit finanziert, bleibt auch der Impuls für die Wiederbelebung der Wirtschaft dürftig.

Das Senken von Unternehmenssteuern, großzügige Abschreibungsmöglichkeiten, oder Abwrackprämien würden besser wirken. Würden sie befristet möglich, könnten Investitionen und Käufe vorgezogen werden, der staatliche Zuschuss würde Milliarden an privaten Mitteln freisetzen.

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Kritiker warnen vor Strohfeuer

Der Konjunktur ist es übrigens egal, ob ein Auto mit Batterie oder Benzin fährt, ob die Firmen ihren Aktionären vor dem Absturz noch saftige Dividenden, und den Führungskräften ordentliche Boni gegeben haben. Sie kümmert es nicht, ob ein Unternehmen ein Frauenförderungsprogramm hat, oder seine Arbeitskräfte nach Tarif bezahlt. Aber den Politikern ist es nicht egal.

Wenn sie sich auf die Fußnoten des Konjunkturprogramms stürzen sollten und Hilfen von der Frauenquote, der Klimawirkung, den Arbeitsbedingungen oder der Führungskultur abhängig machten, würden sie am Ende die Welt vielleicht tatsächlich ein bisschen besser machen – doch der Preis dafür wäre hoch. Das Konjunkturpaket würde sein Ziel verfehlen, die Wirtschaft jetzt zu stabilisieren, weitere Entlassungen jetzt zu verhindern, drohende Insolvenzen jetzt abzuwenden.

Skeptiker warnen, dass der Konjunkturaktionismus nur ein Strohfeuer entfacht. Sie haben Recht und irren dennoch. Denn Konjunkturhilfen sind wie Grillanzünder. Zu Recht fragt hier niemand, wie lange der Brandbeschleuniger brennt, oder ob das dazugehörige Steak vom Biobauern oder aus dem Supermarkt kommt. Die Anzündhilfe soll ja nur die Kohle zum Glühen bringen.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast .

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