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Mehrwertsteuersenkung
Der Wumms wird noch kommen

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

30.06.2020Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Die Mehrwertsteuersenkung sollen Verbraucher auch im Supermarkt zu spüren bekommen.Vergrößern des Bildes
Die Mehrwertsteuersenkung sollen Verbraucher auch im Supermarkt zu spüren bekommen. (Quelle: Geisser/Montage t-online.de/imago-images-bilder)

Die Mehrwertsteuersenkung als Herzstück des Konjunkturpakets hat weniger Wumms als die Abwrackprämie in der Finanzkrise. Doch das ist nicht tragisch. Schließlich stehen bald Wahlen an – und ein zweites Konjunkturpaket winkt.

"Die Steuer kannst Du Dir sparen" – mit diesen oder ähnlich lockeren Sprüchen werben Einzelhändler, Maschinenhersteller und Autobauer jetzt um ihre Kunden. Die Deutschen sollen von morgen an nach Möglichkeit alles auf den Kopf hauen, was sie erübrigen können.

Autos, Fernseher, Wintergarten gefällig? Einbauküche, Weihnachtsgeschenke, mal wieder ganz groß essen gehen? Es dient einem guten Zweck: damit Deutschland wieder in Schwung kommt.

Entscheidend ist die Stimmung. Glauben die Bürger, dass pünktlich zum 1. Juli das Schlimmste überstanden ist? Oder überwiegen immer noch die Angst um den Arbeitsplatz, um das Geld, die Furcht vor einer zweiten Welle der Infektionskrankheit? Ob der Mehrwertsteuerrabatt zündet, hängt nämlich nicht so sehr von der tatsächlichen steuerlichen Substanz ab. Sondern von der Antwort auf diese Fragen – und vom Termin der nächsten Bundestagswahl.

Konjunktureffekt der geringeren Steuer bescheiden

Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung beispielsweise schätzt den nackten Effekt der "Aktion Mehrwertsteuer" auf magere 0,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Daraus entsteht kein Feuerwerk. Die Experten rätseln auch, wie viel das 130-Milliarden-Paket der Bundesregierung in diesem Jahr insgesamt bringen kann. Viele Maßnahmen werden erst im kommenden Jahr – oder noch später – wirksam.

Die Ifo-Leute denken, dass das Wachstum durch das ganze Konjunktur-Paket in diesem Jahr um knapp ein Prozent höher ausfallen wird, als ohne. Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung ist optimistischer und schätzt den Effekt auf rund 1,5 Prozent.

Auch das wirkt vor dem Hintergrund des erwarteten wirtschaftlichen Einbruchs von über sieben Prozent bescheiden. Doch es wäre eine ganze Menge, weil die Dynamik nur für fünf Monate wirksam wird. Mehr als die Hälfte des Jahres 2020 ist ja bereits verstrichen.

Konsumklima auf dem Weg der Besserung

Die Gesellschaft für Konsumforschung sieht deutliche Anzeichen für eine Erholung. Zum zweiten Mal hintereinander hat sich das Konsumklima im Juni verbessert. Die Erwerbstätigen erwarten für die nähere Zukunft ein höheres Einkommen, was dafür spricht, dass die Kurzarbeit schon jetzt zurückgefahren wird und die Arbeitnehmer sich nicht mehr so sehr vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes fürchten.

Wer ohnehin eine größere Anschaffung geplant hat, zieht den Kauf jetzt möglicherweise vor. Spürbar wird die Steuerermäßigung ja nur, wenn man eine größere Summe bezahlen muss. Und zwar für eine Sache, die bis Ende des Jahres geliefert ist. Man muss sich beeilen, wenn man profitieren will. Wenn es also gut läuft, werden in den kommenden Monaten sogar Ladenhüter wie Autos mit Verbrennungsmotoren verkauft werden können.

Abwrackprämie war wirkungsvoller

Und wenn nicht? Obwohl das Paket deutlich größer ist als das Programm nach der Finanzkrise, wird es vermutlich nicht so spektakulär wirken. Der Multiplikator ist dürftiger als in der Finanzkrise. Damals wurde mit einem Zuschuss von 2.500 Euro pro Altauto eine wahre Kaufwelle für Neuwagen in Bewegung gesetzt. Die Menschen gaben ein Vielfaches dessen aus, was sie als Zuschuss bekamen.

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Bei der Mehrwertsteuer ist das anders. Wenn die Konsumenten ab morgen an der Kasse einen Rabatt von zwei oder drei Prozent auf ihren Einkauf bekommen: Kaufen sie mehr, wenn sie beim Tanken einen Cent pro Liter sparen, wenn das Shampoo drei Cent billiger wird, oder die neue Jeans einen Euro weniger kostet? Haben sie wirklich das Gefühl, mehr Geld in der Tasche zu haben? Wahrscheinlich nicht.

Zweites Konjunkturpaket dürfte kommen

Doch auch das muss kein Beinbruch sein. Das erste Finanzkrisen-Konjunkturpaket aus dem Spätherbst des Jahres 2008 war auch ein ziemlicher Flop. Erst mit dem Nachschlag, der Abwrackprämie aus dem Frühjahr 2009, verbesserte sich die Stimmung im Land schlagartig. Im September wurde die Kanzlerin als überragende Krisenmanagerin gefeiert – und wiedergewählt.

Man darf sicher sein, dass sich die potenziellen Kanzlerkandidaten der CDU/CSU im Augenblick eingehend mit der Möglichkeit eines zweiten Konjunkturpakets auch für diese Krise beschäftigen. Schließlich muss der Abschwung allerspätestens im kommenden Sommer vorbei sein. Denn im September 2021 wird gewählt.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast "Tonspur Wissen".

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