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In diesen Branchen werden in Zukunft die Gehälter steigen


Wandel der Arbeitswelt
Darum ist es gut, dass der Preis für den Friseurbesuch steigt

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 13.07.2021Lesedauer: 3 Min.
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Eine Friseurin färbt ihrer Kundin die Haare (Symbolbild): Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig dieser Beruf ist, sagt Kolumnistin Ursula Weidenfeld.Vergrößern des Bildes
Eine Friseurin färbt ihrer Kundin die Haare (Symbolbild): Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig dieser Beruf ist, sagt Kolumnistin Ursula Weidenfeld. (Quelle: imago-images-bilder)

Corona-Pandemie, demografischer Wandel, klimaneutrale Produktion: In viele Branchen verschwinden Berufe. Doch vor allem Tätigkeiten mit Menschen werden besser bezahlt und gesellschaftlich aufgewertet werden.

Wie ein Leben ohne Friseur aussieht, haben die meisten Menschen in diesem Land im vergangenen Jahr während des Corona-Lockdowns bitter erfahren. Wie beschwerlich das Alter ohne die serbische oder bulgarische Haushaltshilfe ist, erleben gerade jetzt Tausende Senioren schmerzlich, die nach dem Mindestlohnurteil des Bundesarbeitsgerichts für ausländische Pflegekräfte nur die Wahl zwischen explodierenden Kosten oder viel weniger Dienstleistung haben.

Und was es bedeutet, die kleinen Kinder rund um die Uhr neben dem Beruf zu betreuen, wissen Eltern, seitdem die Kindergärten wochenlang geschlossen waren. Nicht nur die Wertschätzung für solche Dienstleistungen ist gestiegen. Bald werden es auch die Preise tun.

Erhöhte Preise aus der Corona-Pandemie werden bleiben

Schon jetzt rangieren einfache Dienstleistungen wie Schuhreparaturen oder der Besuch im Friseursalon unter den zehn wichtigsten Treibern der Inflation. Wer schon in der Corona-Zeit die Preise wegen der notwendigen Hygienemaßnahmen erhöht hat, wird seine Meinung jetzt nicht mehr zurücknehmen.

Denn jetzt wirkt ein zweiter Faktor auf die Kosten in den kleinen Betrieben: die Arbeitskräfteknappheit. Die wird in den kommenden Jahren zunehmen. Die Löhne werden steigen – solange, bis die Gehälter so befriedigend sind, dass mehr junge Leute diese Berufe erlernen. Oder bis das Einwanderungsgesetz den Zustrom ausländischer Hilfskräfte auch für weniger qualifizierte Arbeiten spürbar erhöht.

Es ist ein komplizierter Begriff für eine einfache Sache: personenbezogene Dienstleistungen. Im Haushalt helfen, Pflegen, Betreuen, Haare schneiden. Jahrzehntelang rangierten diese Tätigkeiten am unteren Rand des gesellschaftlichen Ansehens. Sie sind schlecht bezahlt, körperlich beschwerlich, und haben unattraktive Arbeitszeiten.

Viele Tätigkeiten werden durch Digitalisierung unnötig

Steigen die Löhne aber deutlich, werden die Berufe nach und nach auch für Einheimische wieder interessant. Ein fundamentaler Wandel in diese Richtung deutet sich an – der auch denjenigen eine berufliche Perspektive bieten kann, deren Arbeit besonders von der Digitalisierung bedroht ist.

Heute noch ist es für einen Facharbeiter der Autoindustrie kaum vorstellbar, dass er selbst oder sein Sohn einmal als Fußpfleger arbeitet. Zu deutlich sind die Lohn- und Statusunterschiede beider Ausbildungen. Doch während die Arbeit des einen von Digitalisierung und der Umstellung auf Elektromobilität bedroht ist, ist der andere auf der sicheren Seite: Bis Roboter einmal so weit sind, dass sie Schwielen abtragen und Nägel lackieren können, werden noch Jahrzehnte vergehen.

Auch für Akademiker schrumpft für die mittelmäßigen Routinejobs der Raum. Warum, fragen sich Arbeitgeber, soll ich meiner Marketingfachfrau das digitale Arbeiten – zum Beispiel von Goa aus – erlauben, wenn ich dafür eigentlich auch gleich eine preiswertere und gut ausgebildete Kraft in Indien anheuern könnte? Dieser Markt für Honorar- und Arbeitskräfte aus aller Welt war zwar auch schon vorher da – doch mit Corona, Homeoffice und digitalen Arbeitsplätzen ist er wieder neu in das Bewusstsein der Unternehmen gekommen. Je heftiger Arbeitnehmer und Gewerkschaften die Homeoffice-Option fordern, desto schneller vollzieht sich der Prozess.

Umwälzungen nur bei steigenden Löhnen möglich

Der demografische Wandel, der Umbau zu einer klimaneutralen Gesellschaft und die Digitalisierung werden in den kommenden zwanzig Jahren Perspektiven, Verdienstmöglichkeiten und gesellschaftliches Ansehen vieler Berufe verändern. Diese Umwälzungen werden nur dann einigermaßen erträglich und friedlich verlaufen, wenn in vielen Bereichen, die heute zum Niedriglohn- und Teilzeitsektor gehören, die Löhne deutlich steigen. Damit wird ein Statusgewinn für diese Berufe verbunden sein.

"Wir können nicht davon leben, dass wir uns gegenseitig die Haare schneiden", hat der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder gesagt. Damit begründete er die Ansicht, dass Deutschland einen industriellen Kern brauche, um den Wohlstand im Land sichern zu können.

An diesem Argument ist vieles richtig, nur eines nicht: Wenn in der Industrie immer mehr Roboter die Arbeit erledigen, werden Menschen eine berufliche Alternative oder von vornherein andere Ausbildungen brauchen – zum Beispiel, indem sie sich gegenseitig die Haare schneiden, Erziehungs- und Pflegearbeiten übernehmen. Nur wenn damit kein gesellschaftlicher Abstieg mehr verbunden ist, wird ihnen die Umstellung leichter fallen.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Im August erscheint ihr neues Buch: Die Kanzlerin. Porträt einer Epoche. Sie können es jetzt schon vorbestellen.

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