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Ampel-Koalition: Die Klimapläne könnten nach hinten losgehen


Unverhoffte Nebenwirkungen
Die Klimapläne der Ampel könnten nach hinten losgehen


Aktualisiert am 02.11.2021Lesedauer: 3 Min.
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Windräder in Deutschland (Symbolbild): Mit ihren Klimaschutzplänen könnten die Grünen ein unverhofftes Wirtschaftswachstum antreiben – und damit auch eine höhere Inflation.Vergrößern des Bildes
Windräder in Deutschland (Symbolbild): Mit ihren Klimaschutzplänen könnten die Grünen ein unverhofftes Wirtschaftswachstum antreiben – und damit auch eine höhere Inflation. (Quelle: Olaf Döring/imago-images-bilder)

Im kommenden Jahr soll die Wirtschaft endlich durchstarten. Die ersten Maßnahmen der Bundesregierung dürften das Wachstum weiter befeuern. Das ist aber gar nicht im besten Interesse der Ampel-Parteien.

Häufiger als dieser Aufschwung ist ein Boom wohl noch nie verschoben worden. Zuerst waren alle sicher, dass schon das zweite Halbjahr 2020 die Erlösung von der Corona-Starre bringen werde. Dann sollten sich die wirtschaftlichen Bremsen im Winter 2021 lösen. Es folgten Aufschwungsprognosen für den Sommer, Herbst und Winter. Nun soll es 2022 losgehen. Wirklich. Für die künftige Regierung aber könnte ausgerechnet dieser Termin – wenn er denn gehalten wird – zum Problem werden.

Ihre milliardenschweren Vorhaben zum Klimaschutz, zum bezahlbaren Wohnen, zur Digitalisierung und zum Mindestlohn würden den dann ohnehin schon starken Aufschwung weiter befeuern. Die Inflation würde nicht nachlassen, die Arbeitskräfteknappheit würde sich verstärken, und am schlimmsten: Ausgerechnet die neue Regierung würde das herbeiführen, was zumindest die Grünen den Deutschen gerne ganz schnell abgewöhnen würden – starkes Wirtschaftswachstum.

Bisher gehen die meisten Wirtschaftswissenschaftler davon aus, dass die Lieferengpässe von diesem Winter an erst einmal wieder Geschichte sind. Die Handelswege sollten sich normalisieren, die Logistik geschmeidiger werden, und die Globalisierung sich auf einem neuen, niedrigeren Niveau stabilisieren. Die Energiepreise, so die Prognose, werden wahrscheinlich nach dem Winter wieder sinken.

Viel Erspartes, wenig Sorgen

Damit sind die Bedingungen für einen kräftigen Aufschwung vom Frühjahr an gegeben. Jetzt schon haben die Verbraucher begonnen, ihre Ersparnisse der Corona-Zeit zu mobilisieren, und neue Autos, Kühlschränke, Reisen oder Wintergärten zu kaufen. Normalerweise liegt die Sparquote in Deutschland bei etwa zehn Prozent des verfügbaren Einkommens, 2020 schnellte sie auf 16 Prozent hoch.

Das über das Normalmaß hinaus gesparte Geld steht jetzt für höheren Konsum zur Verfügung. Schließlich lassen die Sorgen um den Arbeitsplatz nach, die Beschäftigung ist schon fast wieder auf Vorkrisenniveau angekommen. Die Binnennachfrage ist einer der Motoren der wirtschaftlichen Erholung.

In solchen Situationen sind Regierungen eigentlich gut beraten, sich zurückzuhalten. Statt den Aufschwung zu befeuern, sollten sie die Staatsschulden zurückführen, die Sozialversicherungen sanieren und sich inflationstreibende Gesetze verkneifen.

Die Ampel plant große Investitionen

Doch die Zeiten sind alles andere als normal. Die Koalitionsverhandler der wahrscheinlichen künftigen Regierung wollen den Mindestlohn zügig auf 12 Euro anheben. Sie wollen jährlich zwischen zwanzig und fünfzig Milliarden Euro in den Klimaschutz pumpen, und sie planen wohl deutlich höhere Sozialausgaben – jedenfalls, wenn es dabei bleiben soll, Rentenzutrittsalter und -niveau stabil zu halten.

Das alles muss schnell beschlossen und ins Werk gesetzt werden, schließlich wollen SPD, Grüne und FDP dem Wahlvolk zeigen, dass nun wahrlich neue Zeiten angebrochen sind. Und schließlich kann die Regierung nur im kommenden Jahr noch einmal über das erlaubte Maß hinaus Schulden machen. Damit aber wird in den Aufschwung hineinregiert.

Schon jetzt fehlt es nicht am Geld zum Klimaschutz. Es fehlt an Rohstoffen, Material, Bauunternehmen, Arbeitskräften. Die existierenden Förderprogramme der Bundesregierung und der Kreditanstalt für Wiederaufbau werden zum größten Teil nicht ausgeschöpft, weil die Genehmigungen fehlen, die Elektroautos nicht gebaut werden, die Ladesäulen nicht installiert werden können. Noch mehr Geld wird in den kommenden drei Jahren nicht mehr Windräder bringen, sondern teurere.

Die zynischste Pointe des Wahlkampfs

In Christian Lindners, Annalena Baerbocks oder Robert Habecks Haut möchte man in diesen Tagen nicht stecken. Der FDP-Spitzenmann verhandelt über die nächste Regierungskoalition, in der er wohl entweder Finanz- oder Superwirtschaftsminister werden kann. Dass ausgerechnet ein Liberaler das Schicksal des Zauberlehrlings erleiden könnte, der die Geister, die er rief, nicht mehr loswird, ist die vielleicht zynischste Pointe der gewonnenen Bundestagswahl.

Noch dummer kann es aber für die Grünen laufen. Sie bringen ein Programm auf den Weg, das – so gut es auch gemeint sein mag – volkswirtschaftlich wie eine reine Konjunkturspritze wirkt: in einer Zeit, in der die Volkswirtschaft das wahrscheinlich gerade nicht einmal braucht.

Ursula Weidenfeld arbeitet als Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neuer Bestseller heißt: "Die Kanzlerin. Portrait einer Epoche

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