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Der Staat als Inflationstreiber: Wie die Regierung die Inflation weiter antreibt


Entlastungen
Wie die Regierung die Inflation in Deutschland weiter anheizt

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 19.07.2022Lesedauer: 3 Min.
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Alles wird teurer: So entsteht die Inflation – und was daran auch gut sein kann. (Quelle: t-online)

Eine Lohn-Preis-Spirale ist in Deutschland noch nicht in Sicht. Aber ausgerechnet der Staat könnte zum Treiber der Geldentwertung werden.

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen empfiehlt Freiland-Blumenkohl, Bohnen, Linsen und "leckeren" Butterersatz. So könne man mit der Inflation bei Nahrungsmitteln von fast 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr fertig werden.

Die Bundesregierung dagegen scheint von dieser Art der Haushaltsführung nicht allzu viel zu halten. Sie diskutiert weitere finanzielle Hilfen bei den Heiz- und Benzinkosten, bei der Stromrechnung und für den öffentlichen Nahverkehr.

Die Bundesregierung liegt falsch, die Verbraucherzentrale richtig. Die Politik wird den Wohlstandsverlust dieser Energiekrise nicht kompensieren können. Schlimmer noch: Sie riskiert, mit ihrer Strategie selbst zum Treiber der Inflation zu werden. Geldentwertung mit mehr Geld zu bekämpfen, ist gefährlich.

Importierte Inflation treibt die Preise

Die Lage ist vertrackt. Die Geldentwertung wird vor allem durch importierte Waren aus dem Ausland getrieben. Benzin, Diesel, Gas, Speiseöl und Tierfutter werden im Wesentlichen in anderen Ländern eingekauft. Doch auch im Inland steigen die Preise inzwischen auf breiter Front: landwirtschaftliche Produkte, Handwerkerleistungen, Dienstleistungen, Mieten, alles wird dynamisch teurer. Nur die gefürchtete Lohn-Preis-Spirale ist noch nicht in Sicht.

Wenn selbst die mächtigste Industriegewerkschaft, die IG Metall, mit Forderungen von rund acht Prozent in die Tarifrunde zieht, wird sie wohl irgendwo zwischen 4,5 und sechs Prozent abschließen. Bei einer Inflation von geschätzt über sechs Prozent in diesem Jahr werden die Arbeitnehmer also wahrscheinlich gerade einmal ihr reales Lohnniveau halten können – wenn es gut für sie läuft. Zum Inflationstreiber werden sie nicht.

Umso kritischer wird die Rolle des Staates. Er muss als Helfer in der Not vermeiden, eine Subventions-Preis-Spirale auszulösen.

Entlastungen sind gefährlich

Dafür gibt es ein paar Anzeichen. Wer heute alle entlasten will, die mit den hohen Energiepreisen Probleme bekommen werden, hat für die Finanzierung dieses Versprechens zwei Möglichkeiten. Er kann mehr neue Kredite aufnehmen und würde damit die Politik der Europäischen Zentralbank offen konterkarieren.

Erhöht die Bundesregierung dagegen die Steuern, nimmt sie denselben Leuten die Kaufkraft wieder weg, die sie ihnen mit der anderen Hand zuschustert. Mit einer Reichen- oder Vermögenssteuer lassen sich die vorgeschlagenen Ausgaben jedenfalls nicht finanzieren.

Schlimmer noch: Je stärker die Regierung Unternehmen, kleine und mittlere Einkommen entlastet, desto gefährlicher wird das kurzfristig für die Inflation. Denn sie setzt die Kaufkraft, die sonst in der Öl- und Gasrechnung gebunden wäre, in anderen Sektoren frei:

für Rohstoffbestellungen, Lohnzahlungen, Kleidung und Nahrungsmittel. Weil sich die Inflation schon jetzt nicht mehr auf den Energiesektor beschränkt, würde der Preisauftrieb für die Heizung zwar gedämpft, der in allen anderen Sektoren aber mutmaßlich beschleunigt. Am Ende wäre nichts gewonnen.

Es braucht Druck zum Sparen

Außerdem würden die Signale zum Energiesparen verwischt. Je üppiger die Entlastung, desto geringer der Druck zum Sparen. Schon jetzt gibt es für Hartz-IV-Bezieher und Sozialgeld-Empfängerinnen kaum einen Anreiz, die Heizung künftig herunterzudrehen. Schließlich übernimmt der Staat für sie die Wohn- und Heizkosten komplett. Das betrifft immerhin fast fünf Millionen Haushalte.

Für alle gilt: Jeder muss wissen, wie hoch die Nebenkostenabrechnung eigentlich wäre. Wer sie bezahlen kann, sollte sie auch aus eigener Kraft begleichen müssen. Deshalb ist es wichtig, die Gas- und Stromrechnung nicht von vornherein herunterzusubventionieren, wie das beispielsweise beim Tankrabatt geschehen ist.

Geldentwertung bremsen – nicht beschleunigen

Direkte Transfers hätten den Nachteil, dass die Verbraucher damit machen können, was sie wollen. Aus der Perspektive freier Menschen ist das schön. Aus der Sicht einer Regierung, die die Inflation nicht befeuern soll, sieht das anders aus.

Sie möchte nämlich eigentlich auch, dass die Menschen (s.o.) viele Linsen und "leckeren" Butterersatz kaufen, solange das Angebot an Fleisch, Butter, Öl und Nudeln knapp ist. Ein Begleitbrief des Staates à la: "Liebe Bürgerin, hier schicken wir den versprochenen Scheck, aber geben Sie das Geld bloß nicht aus", ist unvorstellbar.

Deshalb wäre es vernünftig, noch einmal darüber nachzudenken, wie eine Entlastung am Ende aussehen kann, ohne dass ausgerechnet jetzt der Staat das Gaspedal für eine noch schlimmere Geldentwertung tritt.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt:

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