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Deutschland: Jeder dritte Zuwanderer kommt wegen Job in die Republik


Neue Studie
Hunderttausende Zuwanderer haben schon bei der Einreise einen Job

  • Florian Schmidt
Von Florian Schmidt

Aktualisiert am 21.06.2020Lesedauer: 4 Min.
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Eine Frau an einer Nähmaschine (Symbolbild): Viele Zuwanderer kommen nach Deutschland, um hier zu arbeiten.Vergrößern des Bildes
Eine Frau an einer Nähmaschine (Symbolbild): Viele Zuwanderer kommen nach Deutschland, um hier zu arbeiten. (Quelle: imago-images-bilder)

Fast 3,5 Millionen Migranten zog es binnen zehn Jahren nach Deutschland. Der Anteil derer, die für oder bereits mit einem Job kamen, ist größer als die meisten annehmen. Für das Land ist das gut, so Experten.

Es ist ein Diktum, das nicht nur die rechtspopulistische AfD immer wieder bemüht: Wer als Zuwanderer nach Deutschland kommt, lebe hierzulande oft von Sozialleistungen, finde keinen Job, suche häufig nicht mal einen und trage folglich kaum bei zu Wachstum, Wohlstand, unser aller Wohlergehen.

Doch ist dem wirklich so? Mitnichten. Tatsächlich zog es in den vergangenen Jahren einen großen Teil der Zuwanderer wegen der Arbeit nach Deutschland. Und die allermeisten von ihnen haben auch einen Job gefunden – oder hatten bereits bei der Einreise einen in der Tasche.

Zu diesem Ergebnis kommt eine bislang unveröffentlichte Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die t-online.de exklusiv vorliegt. Demnach kamen im Zeitraum von 2007 bis 2017 rund 3,5 Millionen Menschen nach Deutschland. Knapp 30 Prozent von ihnen – rund eine Million Menschen – hatte ein sogenanntes "Erwerbsmotiv", kam also her, um zu arbeiten.

Bildung und Familie sind weitere wichtige Zuwanderungsgründe

Zehn Prozent der Zuwanderer zogen nach Deutschland, um hier zur Schule oder zur Uni zu gehen, rund 27 Prozent kamen aus familiären Gründen. Die übrigen rund 33 Prozent gaben andere Zuwanderungsgründe an, zum Beispiel die Flucht aus dem Heimatland.

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"Die Daten stammen aus den regelmäßigen Haushaltsbefragungen des Mikrozensus", sagt Studienautor Wido Geis-Thöne. "Erstmals konnten wir daran erforschen, aus welchen Motiven die Zuwanderer nach Deutschland gekommen sind."

Besonders interessant: Von der einen Million "erwerbsorientierter" Zuwanderer hatten 67 Prozent nach eigenen Angaben bereits zum Zeitpunkt der Einreise einen Job in Deutschland. Bemerkenswert sei außerdem, so Geis-Thöne: "Der beobachtete Zehnjahreszeitraum umfasst auch die Jahre 2015 und 2016, in denen viele Flüchtlinge nach Deutschland kamen."

Hoher Arbeitsanteil trotz Flüchtlingszustrom

Von diesen wiederum hätten sich bis Ende 2017 viele noch im Asylverfahren gefunden, einige hätten erst noch Deutsch lernen müssen. "Dass der Anteil der Zuwanderer mit einem klaren Erwerbsmotiv trotzdem so hoch ist, hat uns erstaunt", so der Ökonom.

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Geis-Thöne hat mithilfe der Daten eine Reihe weiterer Aspekte analysiert, unter anderem die Herkunftsländer der Migranten, ihr Geschlecht und ihren Wohnort in Deutschland. t-online.de fasst die fünf wichtigsten Ergebnisse der Studie zusammen:

  • Diejenigen, die vor allem für Arbeit nach Deutschland kamen, stehen heute fast alle in Lohn und Brot. 87,2 Prozent von ihnen sind erwerbstätig. Das heißt: Sie kamen wegen eines Jobs, hatten ihn womöglich schon bei der Ankunft, und fanden und behielten ihn in den Folgejahren auch.
  • Frauen kommen häufiger aus familiären Gründen nach Deutschland. Unter den Frauen beläuft sich der Anteil, die wegen der Familie einwanderten, auf 41,1 Prozent – nur 22,4 Prozent kamen primär deshalb, um hier zu arbeiten. Hintergrund dieses Ergebnis dürfte sein, dass zunächst Männer zum Arbeiten einreisen, die ihre Familie später nachholen.
  • Mehr als die Hälfte der Zuwanderer aus dem EU-Ausland kam in den betrachteten zehn Jahren wegen der Arbeit nach Deutschland. Ein Grund dafür ist die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union, die es all ihrer Bürger erlaubt, in jedem EU-Land zu arbeiten. Die größte Gruppe unter ihnen machen Polen aus, gefolgt von Rumänen und Bulgaren.
  • Umgekehrt gaben Zuwanderer aus Drittstaaten deutlich seltener an, nur wegen des Jobs nach Deutschland zu kommen. Besonders deutlich wird das am Beispiel China: Fast 61 Prozent der chinesischen Zuwanderer kamen wegen der Bildung nach Deutschland – nur 15,7 waren erwerbsorientierte Migranten. Ursache dafür: Die Hürden für ein Arbeitsvisum sind deutlich höher als im Falle von EU-Ausländern.
  • Die Verteilung der Zuwanderer nach Einwanderungsgründen ist in jedem Bundesland unterschiedlich (siehe Grafik). So gaben unter den Migranten, die heute in Bayern leben, 39 Prozent ein Erwerbsmotiv an. Dafür zog es nur 8,1 Prozent in das Bundesland, um dort zu studieren. Nach Berlin kam hingegen fast jeder Fünfte (18,4 Prozent) wegen der Bildung. Die Ursache: In der Hauptstadt gibt es gleich drei renommierte Universitäten, die Studenten aus der ganzen Welt anziehen.

IW-Volkswirt Geis-Thöne leitet aus diesen Ergebnissen auch direkte Tipps für die Politik ab. "Unsere Studie zeigt, dass in den vergangenen Jahren viele Zuwanderer mit Erwerbsmotiven nach Deutschland gekommen sind und hier am Arbeitsmarkt erfolgreich Fuß fassen konnten", so der Experte. "In der Zukunft brauchen wir diese Arbeitskräfte umso mehr, damit wir das Wohlstandslevel halten können."

Viele Babyboomer gehen in Rente

Zwar ist wegen der Corona-Krise die Wirtschaft in Deutschland derzeit ohnehin stark eingebrochen, sodass es derzeit weniger Arbeitskräfte braucht. Allerdings erwarten viele Experten ab den kommenden Jahren wieder eine Erholung. Dann sei es umso wichtiger, auf gut ausgebildete Arbeitnehmer zu setzen, so Geis-Thöne.

Denn ein Problem gab es bereits vor Corona: den demografischen Wandel. "In den nächsten Jahren gehen mit den Babyboomern deutlich mehr Menschen in Rente als junge Menschen auf den Arbeitsmarkt kommen werden", sagt Geis-Thöne. "Deshalb benötigen wir Fachkräfte aus anderen Ländern."

Politik müsse Zuwanderung weiter erleichtern

Schwierig sei allerdings, dass auch in den Hauptherkunftsländern der heutigen Migranten mit Erwerbsmotiv in der EU der demografischen Wandel zunehmend spürbar werde. Es gebe auch dort immer weniger junge Leute – die noch dazu in ihrer Heimat leichter gut bezahlte Jobs fänden.

"Die Bundsregierung sollte sich deshalb darum bemühen, den Zuzug von Menschen aus Drittstaaten zu erleichtern", sagt der Ökonom. "Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist da schon ein wichtiger und richtiger Schritt."

Zusätzlich aber sollte die Politik die Rahmenbedingungen schaffen, dass junge Menschen leichter auch ins deutsche Bildungssystem einwandern können. "Wichtig wäre, dass geeignete Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, dass sie in Deutschland erfolgreich eine duale Ausbildung durchlaufen und im Anschluss als Fachkraft tätig werden können", so Geis-Thöne.

Verwendete Quellen
  • IW-Report 10/2020
  • Gespräch mit IW-Ökonom Wido Geis-Thöne
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