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Knöllchen, Führerschein, Kündigung: Wann sich ein Rechtsstreit lohnt


Punkte in Flensburg?
"Wenn es um den Führerschein geht, wird's emotional"

  • Sara Zinnecker
InterviewVon Sara Zinnecker

15.03.2024Lesedauer: 4 Min.
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Stressed driver in his car, view from outside. Stuck in traffic jamVergrößern des Bildes
Ärger hinterm Steuer: Einmal zu oft geblitzt – und der Führerschein kann weg sein. (Quelle: Olga Yastremska, New Africa, Africa Studio)

Vom Knöllchen bis zur Kündigung: Zum Weltverbrauchertag erklärt ein Rechtsexperte, worüber sich Verbraucher am häufigsten streiten und wann es sich lohnt.

Sich unfair behandelt zu fühlen, zu Unrecht Gebühren zahlen und zermürbende Papierkriege führen zu müssen – Verbraucher scheinen oft am kürzeren Hebel zu sitzen, wenn es um ihr Recht geht.

Aber in welchen Bereichen lohnt es sich, rechtliche Schritte einzuleiten, und wann haben Verbraucher keine guten Chancen zu gewinnen? Zum Weltverbrauchertag sprach t-online mit Marco Klock, Mitgründer der Anwaltskanzlei Rightmart.

t-online: Herr Klock, bei welchen Streitigkeiten holen sich Verbraucher am häufigsten Hilfe vom Anwalt?

Marco Klock: Die Top-Themen sind Verkehrsrecht, Arbeitsrecht und Mietrecht. Das können wir an den Zahlen der Rechtsschutzversicherungen sehen. Im Verkehrsrecht sind es die Bußgeldbescheide. Beim Arbeitsrecht ganz klar: die Kündigung.

Marco Klock, CEO von Rightmart.
Marco Klock, CEO von Rightmart.

Zur Person

Marco Klock ist Mitgründer und CEO der Rightmart GmbH. Zu Righmart gehört eine Anwaltskanzlei mit heute 50 Rechtsanwälten, die Verbrauchern unter anderem in Verkehrs-, Arbeits- und Mietrechtssachen vertreten. Nach Angaben des Unternehmens laufen pro Jahr etwa 800.000 Anfragen ein. Rightmart arbeitet mit allen Rechtsschutzversicherungen zusammen.

Schauen wir erst aufs Verkehrsrecht. 30 Euro für ein Knöllchen würden wohl die meisten einfach zahlen, oder?

Ja, die wenigsten gehen gegen Parkverstöße vor. Anders sieht es aus, wenn neben einem Bußgeld auch der Führerschein auf dem Spiel steht, weil man vielleicht wiederholt zu schnell gefahren ist und ein weiterer Punkt in Flensburg droht. Da wird es brenzlig – und oft emotional. Viele fühlen sich ungerecht behandelt. Man kann sagen: Je höher die Strafe, desto eher lässt der Verbraucher das überprüfen.

Zu Recht?

Ja, 35 bis 40 Prozent der Bescheide sind nach unserer Auswertung fehlerhaft.

Diese Zahl klingt erst mal recht hoch. Wo liegen denn die Mängel in den fehlerhaften Bescheiden?

Man muss zwei Ebenen unterscheiden. Oft war da jemand wahrscheinlich wirklich zu schnell unterwegs: Der Verstoß war also materiell da. Formell kann der Bußgeldbescheid aber falsch sein, zum Beispiel weil falsch gemessen wurde. Ein Blitzer war vielleicht nicht richtig geeicht, oder in einer Baustelle waren die Abstandsregeln für Blitzer nicht eingehalten. Ob es moralisch vertretbar ist, gegen einen Bußgeldbescheid vorzugehen, steht auf einem anderen Papier. Es besteht aber eine reelle Chance, ihn formell anzufechten.

Was kann ich bestenfalls rausholen?

Am Ende fällt der Bußgeldbescheid, die Sanktion, nicht einfach weg. Häufig kann man aber in der Verhandlung mit der Behörde oder Staatsanwaltschaft erreichen, dass ein Punkt in eine Geldstrafe umgewandelt wird. Jemand zahlt dann vielleicht 300 Euro, kann aber seinen Führerschein behalten.

Thema Arbeitsrecht: Was raten Sie Menschen, die eine Kündigung erhalten haben?

Eine betriebsbedingte Kündigung kann ordentlich und rechtmäßig sein. Die Hürden dafür sind in Deutschland aber extrem hoch. Noch höher bei der personenbedingten Kündigung. Die Grundregel für Betroffene lautet daher, die Auflösungsvereinbarung nicht zu unterschreiben, sondern einen Anwalt einzuschalten. Der kann eine Kündigungsschutzklage einreichen. Die Chancen, eine Abfindung zu bekommen, stehen gut.

Worüber wird im Mietrecht am häufigsten gestritten?

Oft geht es um Mietminderung wegen eines Mangels in der Wohnung, zum Beispiel Schimmel. Mietrecht ist ein furchtbar konfliktträchtiges Thema, weil häufig die Vermieterseite wenig professionell ist – oder man sieht sich einem Großkonzern gegenüber. Da herrscht oft wenig Einigungswille.

Gehen wir einen Schritt zurück. Als Verbraucher fühle ich mich ungerecht behandelt. Wie sollte ich vorgehen, um zu meinem Recht zu kommen?

Zuerst sollten Verbraucher alle konventionellen Kommunikationswege nutzen, also mailen, anrufen oder einen Brief schreiben. Und noch nichts bezahlen. Wenn die Gegenseite aber nicht reagiert, sollte man relativ schnell beim Anwalt anfragen und die nächsten sinnvollen Schritte abklären. Ein erstes Orientierungsgespräch ist oft kostenlos. Wer eine Rechtsschutzversicherung hat, kann dort anfragen.

Gibt es einen Rechtsbereich, wo man selbst mit der Hilfe vom Anwalt kaum weiterkommt?

Grundsätzlich haben wir in Deutschland ein verlässliches Rechtssystem: Die Rechtsprechung ist den Verbrauchern nah. Es gibt aber Bereiche, wo es schwer werden kann, Recht durchzusetzen, etwa Online-Glücksspiel. Die Anbieter sitzen oft im Ausland und man kommt schwer an sie heran, kann den Anspruch also nicht geltend machen. Sind viele Menschen betroffen und die "Gegenseite schwer zu fassen", gibt es die Möglichkeit, dass Verbraucher ihre Ansprüche an einen Rechtsdienstleister abtreten. Sie bezahlen eine Gebühr, wenn der Dienstleister mit der Klage Erfolg hat.

Bekannt ist dieses Modell, wenn es um Fluggastrechte geht …

Ja, aber auch beim Dieselskandal oder bei Datenschutzklagen, etwa im Bereich Datenschutz, haben Rechtsdienstleister übernommen und Klagen eingereicht, ohne dass die Verbraucher ein Risiko hatten.

Die Verbraucherzentralen berichten von Fällen, in denen Kunden zum Beispiel Strom- und Gasverträge untergeschoben wurden und Widerrufe zum Vertrag ignoriert …

In diesen Fällen haben wir die Erfahrung gesammelt, dass man ohne anwaltliches Schreiben nicht weiterkommt. Weil Anbieter in diesen Fällen bereits Geld vom Konto der Betroffenen abbuchen, ist zudem Eile geboten. Allerdings sind Verbraucher hier rechtlich auf der sicheren Seite, Anbieter stehen in der Beweislast. Kunden haben gute Chancen zu gewinnen, die Kosten für den Anwalt muss dann die Gegenseite übernehmen.

Zum Schluss: Was raten Sie Menschen, die von Natur aus den Konflikt scheuen? Wann lohnt es sich zu streiten?

Je höher der Streitwert und – wichtig – das Ungerechtigkeitsempfinden, desto eher lohnt es sich, zu streiten. Das Bauchgefühl ist hier ein guter Gradmesser: Wer sich ungerecht behandelt fühlt, bekommt auch vor Gericht oft Recht.

Verwendete Quellen
  • Marco Klock im Interview mit t-online.
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