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Putins Krieg wird auch zum Problem für Deutschlands Biertrinker


Flaschenproduktion
Putins Krieg wird zum Problem für Deutschlands Biertrinker

Von Mauritius Kloft

Aktualisiert am 16.03.2022Lesedauer: 4 Min.
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Bierflaschen im Supermarkt (Symbolbild): Brancheninsider schätzen, dass 20 Prozent der deutschen Bierflaschen aus der Ukraine und Russland stammen.Vergrößern des Bildes
Bierflaschen im Supermarkt (Symbolbild): Brancheninsider schätzen, dass 20 Prozent der deutschen Bierflaschen aus der Ukraine und Russland stammen. (Quelle: Eibner/imago-images-bilder)

Zerbombte Fabriken und horrende Energiepreise: Der Krieg in der Ukraine setzt die Getränkeindustrie unter Druck. Experten fürchten einen Flaschenengpass, die Branche dementiert. Was ist da los?

Die Bilder sind erschreckend. Zerbrochene Fenster, vor dem Gebäude türmt sich Schutt auf: Die Fabrik des Schweizer Flaschenherstellers Vetropack im ukrainischen Gostomel bei Kiew ist bei einem Granatenangriff der russischen Truppen schwer beschädigt worden.

Die 600 Mitarbeiter konnten zwar rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden. Schon am Tag der Invasion stoppte Vetropack die Produktion in der Ukraine.

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Doch die Folgen des Krieges dürften das Unternehmen – und damit auch die komplette Getränkebranche in Europa – noch länger begleiten. Denn: Vetropack zählt zu den wichtigsten Flaschenlieferanten des Kontinents, mit Heineken beliefert die Firma eine der größten Brauereien der Welt.

Flaschenhersteller fahren Produktion herunter

Wie Vetropack am Dienstag mitteilte, schreibt das Unternehmen seine Produktion in der Ukraine für dieses Jahr komplett ab. Dadurch werde der Umsatz um etwa zehn Prozent fallen – ein hoher zweistelliger Millionenbetrag dürfte Vetropack deshalb abhanden kommen.

Derzeit werde versucht, den Ausfall in der Ukraine an anderen Produktionsstätten aufzufangen, heißt es von Vetropack. Die Firma bereite sich laut eigenen Angaben jedoch auch darauf vor, ihr Werk in Chișinău, Moldawien, zu schließen, falls es in der Nähe zu Kämpfen kommen sollte. Moldawien grenzt im Südwesten an die Ukraine.

Neben dem Schweizer Unternehmen produzieren noch weitere Firmen in der Ukraine, etwa Verallia. Dort sowie in Russland sitzen drei der insgesamt sieben Produktionsstandorte des Baden-Württemberger Konzerns. Das Werk in Zorya, im Osten der Ukraine, steht seit Anfang März still.

Brauer-Bund sieht keinen Flaschenengpass

Die deutsche Getränkeindustrie bangt deshalb um ihre Flaschen. Laut dem Branchenmagazin "Inside Getränke" stammen rund 20 Prozent der deutschen Bierflaschen aus der Ukraine und Russland.

Bei insgesamt bis zu vier Milliarden Mehrwegflaschen entspricht das einer Zahl von immerhin 800 Millionen Flaschen, die absehbar fehlen könnten. Im gesamten europäischen Markt dürften es gar 1,5 Milliarden Glasflaschen sein, schreibt das Blatt weiter, und beruft sich auf Kenner des Marktes.

Die Bierbranche dementiert derlei Prognosen. Vom Deutschen Brauer-Bund heißt es auf t-online-Anfrage kurz: "Diese Zahlen können wir nicht bestätigen."

Branche beobachtet Lage "mit Sorge"

Es existierten lediglich Schätzungen über die Mehrwegflaschen, die sich aktuell in Deutschland im Umlauf befänden. "Tatsache ist aber: Nur ein kleiner Teil der Bierflaschen kommt aus Glashütten in Russland und der Ukraine."

Vor diesem Hintergrund stellten sich weitere Fragen nicht, heißt es: "Welche Auswirkungen es hat, dass Glashütten in der Ukraine wegen des Krieges nicht mehr nach Deutschland liefern können, lässt sich gegenwärtig noch nicht abschätzen." Also alles doch kein Problem?

So einfach ist es wiederum auch nicht. Jenseits der Bierbrauer wirken Insider der Getränkebranche durchaus angespannt. Man beobachte die Lage "mit Sorge", heißt es hinter vorgehaltener Hand.

Individuelle Flasche für einzelne Biermarken

Dass sich gerade die Bierproduzenten so gelassen geben, erstaunt manchen Branchenkenner sogar. Denn Brauer setzen häufiger auf sogenannte Individualgebinde und seltener auf Pool-Mehrwegflaschen.

Das heißt: Die Flaschen sind auf eine Brauerei zugeschnitzt, etwa weil ihr Logo in der Flasche zu finden ist. Für einzelne Firmen können Lieferausfälle damit geschäftskritisch werden.

Anders sieht es bei Wasserflaschen aus. Diese sind im Regelfall einem Poolsystem angeschlossen: Eine Flasche der einen Marke kann nach Reinigung auch mit dem Wasser eines anderen Brunnens gefüllt werden. So lässt es sich leichter auffangen, wenn die Flaschenproduktion ins Stocken geraten würde.

Mineralwasserfirmen hoffen "auf Entspannung"

Trotzdem beobachten Deutschlands Wasserfirmen den Krieg in der Ukraine sehr genau. "Unmittelbar sind die Mineralbrunnen zwar nicht vom Ukraine-Krieg betroffen. Denn wir beziehen keine Flaschen aus der Ukraine", sagte Tobias Bielenstein, Sprecher der Genossenschaft Deutscher Brunnen (GDB), t-online. In dieser haben sich die deutschen Mineralwasserfirmen zusammengeschlossen, um etwa Gebinde einzukaufen.

"Doch mittelfristig könnten sich negative Folgen für uns ergeben." Etwa weil die Lieferanten weniger Glasflaschen für Mineralwasser lieferten, so Bielenstein. "Das ist nicht ausgeschlossen. Wir stehen daher in engem Austausch mit unseren Partnern."

Es bleibe abzuwarten, wie sich die Situation entwickelt und welche Folgen sich für Verbraucher ergeben. "Wir hoffen alle auf Entspannung." Das Pool-Mehrwegsystem sei aber "ein klarer Vorteil".

Glaswannen können nicht einfach abgeschaltet werden

Doch auch abgesehen von Flaschenfabriken, die im Zuge des Ukraine-Krieges schließen müssen, könnten sich negative Auswirkungen der russischen Invasion auf die Getränkeindustrie ergeben. Die Flaschenherstellung ist nämlich extrem energieintensiv.

Der Bundesverband Glasindustrie (BV Glas) warnt schon jetzt, dass ein Gas-Versorgungsengpass drastische Folgen für sie hätte. Denn die Glaswannen, die für die Glasproduktion benötigt werden, könnten nicht ohne Weiteres heruntergefahren werden.

Sie werden "unter normalen Umständen bis zu 20 Jahre lang kontinuierlich betrieben", heißt es in einer aktuellen Mitteilung. Bei einem Gas-Engpass würden indes alle Lieferketten "empfindlich und auf längere Zeit gestört werden".

Beobachter rechnen mit deutlichen Preisaufschlägen

Selbst ohne Sorge vor einem Engpass hat die Branche ein Problem: Die Preise für Erdgas und Öl sind seit Kriegsbeginn nochmals deutlich gestiegen. Auch der Brauer-Bund beklagt das.

"Leider haben sich die extrem gestiegenen Energiepreise auch auf die Preise für Neuglas ausgewirkt, dessen Beschaffung für die Brauereien zuletzt immer schwieriger geworden ist", heißt es.

"Getränke Inside" schreibt daher unter Berufung auf Branchenbeobachter, es sei "sehr kurzfristig" mit Preisaufschlägen von 20 bis 30 Prozent zu rechnen.

Brauer stehen seit Monaten unter Druck

Dabei stehen insbesondere die Brauer ohnehin seit Monaten unter Druck, unter anderem wegen der hohen Energiepreise. Neben diesen haben sich zudem die Kosten für Transportpaletten und Gerstenmalz, den wichtigsten Bestandteil von Bier, deutlich erhöht.

"Wenig überraschend ist, dass solch drastische Kostensteigerungen über kurz oder lang auf den Endpreis der Produkte umgelegt werden müssen", heißt es vom Brauer-Bund weiter.

Offen ist, in welchem Umfang Handelsriesen Preiserhöhungen akzeptieren und an Verbraucher weitergeben. Denn gerade bei großen Biermarken verkauft der Handel einen Großteil in den wöchentlichen Aktionen. Die konkreten Folgen für deutsche Biertrinker bleiben abzuwarten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • "Getränke Inside", 897: "Fall auf Knall"
  • Gespräch mit Tobias Bielenstein
  • Statement Deutscher Brauer-Bund
  • Mitteilung BV Glas
  • Ad-hoc-Mitteilungen Vetropack
  • Ad-hoc-Mitteilungen Verallia
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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