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"Magen-Botox" vergiftet Deutsche: Ärzte warnen vor Abnehmspritze


Mehrere Deutsche schwer erkrankt
"Lebensbedrohliche Vergiftungen" – Ärzte warnen vor Abnehmspritze

Von dpa, ari

Aktualisiert am 21.03.2023Lesedauer: 4 Min.
Eine Hand in medizinischem Handschuh hält eine Spritze, im Hintergrund steht ein Frauenkörper in schwarzer Unterwäsche.Vergrößern des BildesEin Pieks und schon purzeln die Pfunde? Mediziner warnen vor dem "Magen-Botox"-Trend. (Quelle: saiyood/Getty Images)
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Eine vermeintlich unkomplizierte Spritze mit Botox soll beim Abnehmen helfen. Doch Mediziner schlagen Alarm: Zuletzt erlitten mehrere Deutsche Vergifungen.

Sie wollten Gewicht verlieren und waren für ihre Behandlung extra in die Türkei gereist: In einer Privatklinik ließen sie sich Botox in die Magenwand spritzen. Nun sind mindestens 12 Deutsche aus fünf Bundesländern schwer erkrankt, wie das Robert Koch-Institut (RKI) mitteilt.

Ein Verband für Infektionskrankheiten in der Türkei hatte Anfang März von Fällen bei Türken und Ausländern berichtet. Die Patienten hätten sich alle dem sogenannten "Magen-Botox" unterzogen, das hauptsächlich zur Gewichtsreduktion eingesetzt werde.

Was ist bei der Behandlung in der Türkei passiert?

Nach einer Behandlung mit "Magen-Botox" in der Türkei sind mehrere Menschen schwer an einer lebensbedrohlichen Botox-Vergiftung erkrankt und mussten in Deutschland intensivmedizinisch behandelt werden. "Alle haben gemeinsam, dass sie sich zwischen dem 22. und 25. Februar in Istanbul Behandlungen unterzogen haben, bei denen Botulinum-Toxin in die Magenwand injiziert wird", teilte das RKI mit.

Warum genau die Patienten an Botulismus erkrankten, ist noch unklar. Laut RKI kann die Vergiftung zum Beispiel durch eine versehentliche Überdosierung von Botox ausgelöst werden.

Trotzdem wollen führende Mediziner keine vorschnellen Schlüsse ziehen: "Wir möchten uns nicht an Spekulationen beteiligen, warum es zu diesen Fällen kam", sagte Prof. Dr. Tim Hagenacker, Leiter des Zentrums für Neuromuskuläre Erkrankungen am Universitätsklinikum Essen. Es sei noch nicht klar, ob der Botulismus durch Überdosierungen oder Verunreinigung verursacht wurde, oder ob die Magen-Botox-Behandlung an sich ein höheres Risiko berge, da deutlich höhere Botox-Dosen verwendet werden als bei Schönheitseingriffen. Zudem sei Botox hier auch "off label", also außerhalb der Zulassung angewendet worden.

Das RKI hatte Menschen, die seit dem 22. Februar eine solche Magenbehandlung in Istanbul erhalten hatten und Symptome haben, aufgerufen, zum Arzt zu gehen. Laut Medienberichten ist die Privatklinik, in der die Betroffenen behandelt wurden, seit Anfang März geschlossen.

Was ist "Magen-Botox"?

Eine "Magen-Botox"-Behandlung soll zur Gewichtsabnahme führen. Dabei handelt es sich um ein endoskopisches Verfahren, das durch den Mund und ohne Vollnarkose durchgeführt wird. Das Nervengift Botox (Botulinum-Toxin) wird in die Magenwand gespritzt. Dort soll sich die Magenbewegung verringern, sodass die Nahrung länger im Magen verbleibt. Das Sättigungsgefühl soll länger andauern, der Appetit gezügelt werden.

Mehrere deutsche Fachgesellschaften sehen diesen Abnehmtrend skeptisch: "Der Nutzen dieses Eingriffs ist bisher nicht gut genug belegt. Wir beobachten das kritisch und sprechen keine Empfehlung aus", so der Präsident der Vereinigung der Deutschen Ästhethisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC), Detlev Hebebrand. "Der Effekt einer solchen Behandlung dürfte kaum länger als etwa sechs Monate anhalten."

Dabei ist laut Hebebrand fraglich, ob der Nutzen des Eingriffs überhaupt über den Effekt eines Scheinmedikaments hinausgeht. An Beobachtungsstudien nähmen Menschen mit Motivation zum Abnehmen teil, was die Ergebnisse verzerren könne.

Wie gefährlich ist die Abnehm-Spritze mit Botox?

Bei diesen Magenbehandlungen werden Hebebrand zufolge wesentlich höhere Botox-Mengen eingesetzt als etwa gegen Falten im Gesicht. Es sei unklar, wie lange es dauere, bis der Stoff im Körper wieder abgebaut wird.

Mehrere Anbieter dieses Verfahrens in der Türkei preisen den Eingriff im Internet auf Deutsch an, teils mit Vorher-Nachher-Fotos. Ergänzend wird teilweise zu bewusster Ernährung geraten. Als Nebenwirkungen werden zum Beispiel Übelkeit und Verdauungsstörungen angegeben. Was kaum erwähnt wird: In manchen Fällen kann die Magen-Botox-Behandlung auch zu Botulismus führen.

Was ist Botulismus?

Botulismus ist eine lebensbedrohliche Vergiftung durch das Botulinum-Nervengift. "Typisch sind Lähmungserscheinungen, die auf die Atemmuskulatur übergreifen und so zum Tod führen können", heißt es bei der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Laut RKI können Symptome wie Seh- und Sprachstörungen und Schwäche in Armen und Beinen hinzukommen. Auch treten zunächst Magen-Darm-Beschwerden auf, also Übelkeit, Erbrechen, Durchfall.

"Betroffene sollten sich möglichst schnell neurologisch vorstellen", mahnte Hagenacker vom Klinikum Essen. Besonders wichtig sei bei schweren Fällen die Unterstützung der Schluck- und Atemfunktion, damit es nicht zu schweren Lungenentzündungen oder anderen lebensbedrohlichen Komplikationen kommt.

Die gute Nachricht: "Auch Betroffene, die neurointensivmedizinisch betreut werden müssen, haben Aussicht auf vollständige Genesung", erklärte Hagenacker. Oft dauere der Genesungsprozess aber mehrere Wochen und Monate "Das Gift baut sich nur langsam ab und die geschädigten Synapsen, die die Lähmungssymptome verursachen, müssen erst wieder gebildet werden."

In Deutschland erkranken pro Jahr durchschnittlich etwa 5 Menschen an Botulismus. Die häufigste Form ist der sogenannte Lebensmittelbotulismus, der durch die Aufnahme von mit dem Toxin verunrienigten Lebensmitteln ausgelöst wird. Die Toxine werden beim Erhitzen erst bei Temperaturen von mehr als 80 Grad Celsuis zerstört.

Die DGN geht jedoch davon aus, dass angesichts der zunehmenden Verwendung von Botox im Medizin- beziehungsweise Lifestyle-Bereich "perspektivisch auch in diesem Zusammenhang mehr Fälle von Botulismus auftreten können."

Wird "Magen-Botox" auch in Deutschland angeboten?

Ja, allerdings sehr selten. Im seriösen Bereich gebe es für Magen-Botoxbehandlungen in Deutschland bisher keinen großen Markt, so Experte Detlev Hebebrand vom VDÄPC.

Ein Frankfurter Schönheitschirurg wiederum bezieht auf seiner Homepage zu den aktuellen Fällen Stellung: "Als prominenten Anwender der Methode in Deutschland haben mich Betroffene direkt kontaktiert und um Rat gebeten. Von diesen Betroffenen kenne ich die Behandlungsparameter, die in Istanbul verwendet wurden und kann eine Einschätzung der Problematik beitragen."

Der Arzt behauptet, dass er bei seinen Patienten beim Magen-Botox eine fünfmal geringere Dosis verwendet als die Privatklinik in Istanbul. Zudem beziehe er seinen Wirkstoff von einem anderen Hersteller. Wie hoch die Dosis in Istanbul tatsächlich war, ist jedoch nicht sicher belegt.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.: DGN warnt vor Botoxspritzen in die Magenwand zur Appetitzügelung und initiiert eine wissenschaftliche Aufarbeitung
  • Robert Koch-Institut: Botulismus
  • bild.de: 12 Deutsche nach Abnehm-Spritze mit Botox vergiftet
  • schumann-aesthetics.de: Magenbotox: Überdosierungen, Vergiftungen, Botulismus
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