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Plötzlicher Herztod | Betroffener berichtet: "Ich war zehn Minuten tot"


Betroffener über Nahtoderfahrung
"Ich hatte einen Herzstillstand und war zehn Minuten tot"

InterviewVon Andrea Goesch

Aktualisiert am 30.01.2024Lesedauer: 5 Min.
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Robin Windhausen hatte einen plötzlichen Herzstillstand. Nach zwei Jahren steht der 57-Jährige wieder voll im Berufsleben.Vergrößern des Bildes
Robin Windhausen hatte einen plötzlichen Herzstillstand. Sein Blick auf das Leben hat sich seitdem geändert. (Quelle: fotostudio verena neuhaus)

Der Tod kam im Schlaf. Plötzlich und ohne Vorwarnung blieb Robin Windhausen eines Nachts das Herz stehen. Dass er heute noch lebt, verdankt er seiner Frau.

Der 57-jährige Immobilienmakler, der mit seiner Frau und drei Kindern in Detmold lebt, war gerade von einem Urlaub auf Fuerteventura zurückgekehrt. Erholt und ohne jede Beschwerden. Wie gewohnt legte er sich abends ins Bett zum Schlafen. Zehn Tage später wachte er im Krankenhaus auf und erfuhr, was in jener Nacht passiert war: Sein Herz war stehengeblieben. Volle zehn Minuten.

Ohne seine Frau wäre Windhausen heute nicht mehr am Leben. Sie hatte gespürt, dass etwas nicht stimmte, und war aufgewacht. Als sie sah, dass ihr Mann leblos neben ihr lag, rief sie sofort den Notarzt und begann mit einer Herzdruckmassage, bis Hilfe eintraf. Wie der Vorfall sein Leben verändert hat und warum er seitdem keine Angst mehr vor dem Tod hat, berichtet der dreifache Familienvater im Gespräch mit t-online.

t-online: Ihr Herz blieb plötzlich stehen. Wie konnte das passieren?

Robin Windhausen: Das weiß ich bis heute nicht genau. Es gab keine Vorzeichen. Ich hatte vorher auch keine Beschwerden. Es passierte einfach wie aus heiterem Himmel.

Lagen Vorerkrankungen bei Ihnen vor?

Nein. Ich hatte zwar Bluthochdruck, aber der war medikamentös gut eingestellt. Auch meine Ärzte konnten in nachträglichen Untersuchungen keine Herzerkrankung feststellen.

Was genau geschah in jener Nacht?

Ich legte mich abends ins Bett und wachte zehn Tage später aus dem Koma im Krankenhaus auf. Am Bett saß eine Frau mit Corona-Maske. Sie hielt meine Hand. Erst später wurde mir klar, dass das meine eigene Frau war. Sie erzählte mir dann, was passiert war.

Sie haben gar keine Erinnerungen mehr an den Vorfall?

Nein. Auch meine Erinnerungen an den Krankenhausaufenthalt sind lückenhaft und nebulös, denn ich stand unter dem Einfluss starker Medikamente. Anfangs wusste ich gar nicht genau, wo ich bin. Noch heute bringe ich vieles durcheinander, wenn ich zurückdenke.

Wie lange stand ihr Herz still?

Zehn Minuten. In dieser Zeit war ich praktisch klinisch tot.

Ihre Frau hat Ihnen in jener Nacht das Leben gerettet.

Ja, sie hat sofort den Notruf angerufen und mich mit einer Herzdruckmassage reanimiert, bis der Krankenwagen eintraf. Mein Herzschlag kam erst wieder zurück, als der Arzt mich defibrilliert hat. Anschließend wurde ich ins Krankenhaus gebracht und zehn Tage in ein künstliches Koma versetzt.

Wie merkte Ihre Frau, dass Sie einen Herzstillstand hatten?

Sie erzählt, sie sei in der Nacht von einem röchelnden Atemgeräusch geweckt worden. Das war wohl mein letzter Atemzug. Sie berührte mich und merkte, dass ich nicht mehr reagierte. Als sie das Licht anmachte, war meine Haut schon ganz fahl.

Zum Glück wusste Ihre Frau, wie man eine Herzdruckmassage macht.

Ja, das hat mir das Leben gerettet. Allerdings hat meine Frau keine medizinischen Vorkenntnisse. Aber sie hat immer die Serie "Grey's Anatomy" gesehen, in der häufig reanimiert wird. Daher wusste sie, wie es geht.

Wie kam Ihre Familie mit der Situation klar, als Sie im Koma lagen?

Das war eine sehr schwere Zeit für sie. Denn der Herzstillstand war relativ lange und niemand konnte genau sagen, ob das Gehirn durch den Sauerstoffmangel geschädigt worden war. Die Ärzte haben meiner Familie gesagt, dass die Wahrscheinlichkeit hoch sei, dass ich einen irreparablen Hirnschaden davontragen würde.

Ihre jüngste Tochter hatte damals den Herzstillstand miterlebt, denn sie lag bei Ihnen im Ehebett. Das war sicher ein Schock für sie.

In der Tat. Meine Tochter war erst 11 Jahre alt. Sie hat eine posttraumatische Belastungsstörung davongetragen und musste mehrere Monate stationär behandelt werden. Meine Frau hat durchgehalten, solange ich sie brauchte, und ist erst später zusammengebrochen. Sie befindet sich bis heute in psychologischer Behandlung.

Die Situation war für alle sehr belastend. Wurde Ihrer Familie Hilfe angeboten?

Leider nein. Jeder kümmerte sich immer nur darum, wie es mir geht, aber nicht meiner Frau und den Kindern. Darunter leiden sie heute noch. Es ist mir daher ein großes Anliegen, darauf aufmerksam zu machen, dass auch die Angehörigen mehr gesehen werden und Unterstützung bekommen. Auch sie haben Schlimmes durchgemacht. Doch das rückt leider oft in den Hintergrund.

Sie hatten auch eine Nahtoderfahrung. Mögen Sie darüber berichten?

Ich erinnere mich, dass ich in einem Gang auf einem Barhocker saß. Ich trug eine Jeans, Sneakers und einen gelben Wollpulli. Vor mir war eine große Glasscheibe, durch die ich in einen Gang schaute. Ich habe mich dann gefragt: Warum sitze ich hier? Auf wen warte ich? Wenn jemand gekommen wäre und mir die Hand gereicht hätte, wäre ich womöglich gegangen. Ich bin mir sicher, dass ich das während meines Herzstillstandes erlebt habe.

Was haben Sie dabei empfunden?

Es fühlte sich okay für mich an. Ich war weder glücklich, noch fühlte ich mich unwohl. Was interessant ist: Ich habe seit diesem Erlebnis keine Angst mehr vor dem Tod.

Und auch keine Angst, dass Ihr Herz noch einmal stehenbleiben könnte?

Nein. Ich habe das Ganze insgesamt sehr gut verarbeitet. Das liegt sicher auch daran, dass ich keine Erinnerungen mehr an den Vorfall habe. Wenn ich abends ins Bett gehe, bin ich entspannt und habe keine Angst. Bei meiner Frau ist das anders.

Im Krankenhaus wurde Ihnen ein Defibrillator eingesetzt. Wie lebt es sich damit?

Man kann damit leben. Auch wenn ein gewisses Fremdgefühl bleibt. Sollte es noch einmal zum Herzstillstand kommen, würde der Defi durch Elektroschocks mein Herz wieder zum Schlagen bringen. Das gibt nicht nur mir, sondern auch meiner Frau Sicherheit.

Dann kam die Reha. Dauerte es lange, bis Sie Fortschritte machten?

Am Anfang war ich so schwach, dass ich kaum aus dem Bett aufstehen oder etwas in der Hand halten konnte. Ich fing daher mit ganz einfachen Übungen an, wie zum Beispiel einen Ball von der einen in die andere Hand zu rollen, was mir unendlich schwerfiel. Es dauerte Wochen, bis ich wieder kräftiger und belastbarer wurde. Das Cardio-Training unter ärztlicher Begleitung hat mir dabei sehr geholfen.

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Können Sie heute wieder arbeiten?

Ja, ich bin wieder berufstätig, allerdings nicht mehr in meinem alten Job in der Versicherungsbranche. Den hatte ich damals gekündigt. Heute bin ich selbstständig und arbeite als Immobilienmakler. Da kann ich mir auch meine Zeit besser einteilen und habe weniger Stress.

Hat sich Ihre Einstellung zum Leben geändert?

Ich lebe sehr viel bewusster als vorher und bin heute dankbar um jeden Tag, den ich länger leben darf. Daher kommt auch das Bedürfnis, etwas Sinnstiftendes zu machen. Ich engagiere mich als Botschafter für die Deutsche Herzstiftung, um über den plötzlichen Herztod aufzuklären und Betroffenen Mut zu machen, sich ins Leben zurückzukämpfen.

Haben Sie auch für die Nicht-Betroffenen eine Botschaft?

Wenn man jemanden sieht, der am Boden liegt und nicht mehr atmet, sollte man keine Scheu haben und ihn sofort mit einer Herzdruckmassage reanimieren. Viele haben Angst, etwas falsch zu machen. Doch man kann in solch einer Situation eigentlich nichts falsch machen, selbst wenn Rippen gebrochen werden. Eine Mund-zu-Mund-Beatmung ist nach neuesten medizinischen Kenntnissen zumindest für Laien nicht mehr empfehlenswert. Die Deutsche Herzstiftung rät daher Ersthelfern, zur Wiederbelebung nur die Herzdruckmassage anzuwenden.

Herr Windhausen, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview
  • www.herzstiftung.de: "Empfehlung Herzdruckmassage ohne Atemspende". Online-Informationen der Deutschen Herzstiftung e.V., abgerufen am 25.11.2023
  • www.dzhk.de: "Keine Scheu vor der Wiederbelebung: Herzdruckmassage rettet Leben
  • ". Online-Informationen des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung, Stand: 13.11.2023
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