Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Es betrifft das Herz Die dunklen Seiten der harmlosen Süßmacher

Jüngste Studien warnen vor Gesundheitsrisiken durch Süßungsmittel wie Xylit und Erythrit. Sie stehen unter Verdacht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu begünstigen.
Betörend süß und dabei viel weniger oder kaum Kalorien als Zucker, und dann noch dieser tolle Name: Zuckeralkohole. Das klingt doch eindeutig einladender als der sperrige Begriff "Zuckeraustauschstoffe", darum handelt es sich nämlich hier.

Zur Person
Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der "Spiegel"-Bestsellerliste. Ihr neuestes Buch "Genial ernährt! – Klüger essen, entspannter genießen, besser leben" wurde gerade veröffentlicht. Mehr
Einige kommen in Pflanzen vor, die meisten bastelt sich die Lebensmittelindustrie allerdings aus Zucker und Stärke, etwa für Süßwaren, Backwaren oder Kaugummi. Im Großen und Ganzen unterscheiden wir zwischen acht Zuckeralkoholen, auch Polyole genannt. Ein Teil ihrer chemischen Struktur ist der des Zuckers ähnlich, ein anderer der des Alkohols. Man erkennt sie daran, dass sie oft auf "-it" enden. Ihr Süßfaktor liegt bei 0,4 bis 1,0 im Vergleich zum Haushaltszucker. Sie haben dabei meist 2,4 kcal pro Gramm, nur Erythrit hat mit 0,2 kcal pro Gramm deutlich weniger.
Birkenzucker hört sich gesund an
Der Vorteil der Polyole liegt darin, dass sie überwiegend ohne Insulin verstoffwechselt werden, und der Blutzucker – wenn überhaupt – nur geringfügig beeinflusst wird. Produkte, die damit gesüßt werden, dürfen als "zuckerfrei" beworben werden. Man darf allerdings bei 10 bis 20 Gramm pro Tag mit Blähungen und ab 20 bis 30 Gramm pro Tag mit Durchfall rechnen. Zuckeralkohole (ausgenommen Erythrit) sind also schon mal nichts für Leute mit Reizdarm. Und wer den ganzen Tag zuckeralkoholhaltige Kaugummis kaut, muss deutlich mehr pupsen. Dafür sind Verbindungen wie Sorbit (E420), Xylit (E967), Erythrit (E968), Maltit (E965) oder Isomalt (E953) verantwortlich.
Zwei besonders häufig eingesetzte und viel diskutierte Zuckeraustauschstoffe sehen wir uns hier mal exemplarisch etwas genauer an, um zu zeigen, welche Überraschungen möglich sind: Xylit ist zur Zahnpflege in Zahncreme und Kaugummis enthalten, denn es hemmt insbesondere das Wachstum des Kariesmachers Streptococcus mutans. Jenseits des Badezimmers findet es auch in der Küche Verwendung, als Streusüße unter dem penetrant gesund klingenden Namen "Birkenzucker".
Möglicher Zusammenhang mit Schlaganfällen
Leider gibt es schlechte Nachrichten zu Xylit: Das Deutsche Herzzentrum der Charité hat zwei Studien vorgestellt, die sich mit Xylit sowie dem Kollegen Erythrit beschäftigen. Eine Studie, veröffentlicht im "European Heart Journal", untersuchte den Zusammenhang zwischen dem Konsum von Xylit und dem Risiko für schwerwiegende Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall.
Mehr als 3.300 Herz-Kreislauf-Patienten wurden über drei Jahre hinweg beobachtet. Die Forscher um den Kardiologen Marco Witkowski stellten fest, dass eine höhere Konzentration von Xylit im Blut möglicherweise mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall einhergehen könnte. Der beobachtete Anstieg des Risikos lag bei 57 Prozent. Die Studie zeigt einen statistischen Zusammenhang, beweist jedoch keine direkte Ursache-Wirkung-Beziehung. Die Ergebnisse gelten insbesondere für Herz-Kreislauf-Patienten und lassen sich nicht uneingeschränkt auf die allgemeine Bevölkerung übertragen. Hier muss weiter geforscht werden.
Xylit kommt natürlicherweise in geringen Mengen im menschlichen Körper vor, hier als Zwischenprodukt im Stoffwechsel von Glukose. Pro Tag werden 5 bis 15 Gramm Xylit produziert, hauptsächlich in unserer Leber. Xylit findet sich in kleinen Mengen in Obst und Gemüse, ist jedoch in zahlreichen künstlich gesüßten Lebensmitteln und Getränken stark angereichert (nicht selten mehr als 1.000-mal höher als in der Natur). Die Aufnahme von Xylit über die Nahrung erhöht die Konzentration im Blut signifikant, was das potenzielle Risiko beeinflussen könnte. Es wird vermutet, dass Menschen mit Stoffwechselvorerkrankungen höhere Xylit-Konzentrationen im Blut haben könnten. Diese Patienten sind möglicherweise bereits von einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen betroffen, unabhängig von Xylit.
Achtung bei Hunden
Allerdings konnten Laborversuche und Tests auch mit gesunden Probanden zeigen, dass Xylit bei hohen Konzentrationen die Verklebung von Blutplättchen fördert, was die Neigung zu Blutgerinnseln erhöhen könnte. Noch ist das letzte Wort sicherlich nicht gesprochen, denn es fehlt noch der Beweis, dass Xylit tatsächlich eine Ursache für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist. Es braucht also weitere Studien. Dennoch sind die bisherigen Daten so überzeugend, dass die Wissenschaftler schon jetzt klar sagen können, dass Xylit für Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit Vorsicht zu genießen ist, und der Konsum gering bleiben sollte.
Für Hunde ist Xylit übrigens lebensgefährlich. Bei ihnen führt Xylit zu einem Insulinschock: Sehr viel Insulin wird ausgeschüttet, der Hund unterzuckert, und auch seine Leber versagt. Bei der Erythrit-Studie, erschienen in "Nature Medicine", wurde ebenfalls diskutiert, ob der Zuckeraustauschstoff das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch Verkleben der Blutplättchen erhöhen könnte. Im Laborversuch leitete man ein erhöhtes Thromboserisiko ab.
Erythrit wird in unserem Körper als Erythritol in kleinen Mengen aus Glukose hergestellt, allerdings in einer minimalen Menge im Vergleich zu der, die bei der Verwendung als Zusatzstoff in verarbeiteten Lebensmitteln steckt.
Weitere Forschung nötig
Nach dem Verzehr von Erythrit wurden bei den Probanden über Tage deutlich erhöhte Werte im Blutspiegel gemessen. Hohe Erythritolkonzentrationen im Blut gelten als Biomarker für künftige Fettleibigkeit und Diabetes, wobei vermutet wird, dass Menschen mit einem bereits gestörten Stoffwechsel mehr Erythrit produzieren könnten. Ein direkter Zusammenhang zwischen Erythritkonsum und diesen Erkrankungen ist jedoch nicht bewiesen. Ob Betroffene nicht nur den Haushaltszucker, sondern auch den Erythritkonsum einschränken sollten, bedarf weiterer Studien. Aus den vorliegenden Studien lassen sich keine klaren Empfehlungen oder Warnungen ableiten, da ein kausaler Zusammenhang nicht nachgewiesen wurde. Wer ganz sichergehen will, sollte bei entsprechendem Risikoprofil Vorsicht walten lassen.
Erythrit kommt natürlicherweise in verschiedenen Lebensmitteln vor – wie etwa in Birnen, Weintrauben oder Wassermelonen. Das Ausgangsmaterial bei der industriellen Herstellung ist Glukose oder Maisstärke. Erythrit erreicht etwa 60 bis 80 Prozent der Süße von Haushaltszucker. Bis zu 90 Prozent der zugeführten Menge werden schnell über den Darm aufgenommen, während der Rest möglicherweise durch Darmmikroben fermentiert wird. Erythrit ist beinahe kalorienfrei, beeinflusst den Blutzucker nicht und verursacht keine Karies. Es hat keinen unangenehmen Beigeschmack und ist daher als kristalliner Zuckerersatz sehr beliebt. Ob Erythrit die Gewichtszunahme oder ein Anwachsen des inneren Bauchfetts bewirken kann, ist nicht bewiesen und Gegenstand weiterer Forschung.
Es gibt viele Alternativen
Immerhin ist es besser verträglich als andere Zuckeralkohole und verursacht weniger Verdauungsprobleme, da der Großteil davon unverändert im Dünndarm aufgenommen wird. Auch hier brauchen wir weitere Langzeitstudien.
Sie haben ja in der letzten Kolumne erfahren, dass weder Zucker noch künstliche Süßstoffe wirklich empfehlenswert sind. Eine Reihe wirklich gesunder Alternativen ist dort aufgeführt. Auch die intelligenten Zucker sind gesund zum Süßen, wie Sie in einer weiteren Kolumne bereits lesen konnten. Schauen Sie also nach besseren Alternativen und – kommen Sie gesund durch die Zeit!
- Eigene Meinung
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