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Serbien, Albanien, Mazedonien: So wahrscheinlich ist der EU-Beitritt


Balkanländer in die EU? Was dafür und dagegen spricht

Von dpa
Aktualisiert am 17.05.2018Lesedauer: 5 Min.
Die EU-Flagge weht in Polen: Am Donnerstag soll bei einem Gipfeltreffen in Bulgarien darüber nachgedacht werden, ob Staaten vom Balkan in die EU aufgenommen werden könnten.Vergrößern des BildesDie EU-Flagge weht in Polen: Am Donnerstag soll bei einem Gipfeltreffen in Bulgarien darüber nachgedacht werden, ob Staaten vom Balkan in die EU aufgenommen werden könnten. (Quelle: Jaap Arriens/imago-images-bilder)
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Eine EU mit mehr als 30 Mitgliedsländern? Zumindest die EU-Kommission hält das für wünschenswert und lockt die Balkanstaaten nach Europa. Doch wie wahrscheinlich ist ein Beitritt?

Die EU bemüht sich darum, die Länder des westlichen Balkans enger an sich zu binden. Beim Gipfel in Sofia am Donnerstag wollen Kanzlerin Merkel und die anderen Staats- und Regierungschefs der EU Serbien, Montenegro, Albanien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina und das Kosovo zu weiteren Reformen ermuntern.

Österreichs Außenministerin Karin Kneissl forderte mehr Einsatz der Europäischen Union für die Region. "Die EU hat Südosteuropa in den letzten Jahren vernachlässigt. In dieses Vakuum sind dann andere Staaten wie Russland, China, die Türkei und die Golfstaaten gestoßen", sagte sie der "Welt". Die Beitrittskandidaten müssten auch erfahren, dass die von ihnen gemachten Fortschritte honoriert werden. Eine "glaubwürdige Beitrittsperspektive" könne sie zu weiteren wichtigen Reformen motivieren.

Auch Albaniens Ministerpräsident Edi Rama sprach sich für eine engere Anbindung an die EU aus. "Europa kann nicht in eine bessere Zukunft blicken, wenn es uns außerhalb seiner Grenzen halten will", sagt er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Wenn der Westbalkan allein gelassen wird außerhalb der EU, dann entsteht eine Grauzone, in der andere Akteure versuchen könnten, Europa zu schaden." Werde der Balkan aber integriert, erhöhe das die Sicherheit Europas.

Balkanstaaten sollen an EU gebunden werden

Um die Balkanstaaten zu mehr Reformanstrengungen zu bewegen, will die EU ihnen in Sofia zusätzliche Unterstützung versprechen. In dem Entwurf für die Abschlusserklärung zu dem Treffen ist zum Beispiel davon die Rede, die Anbindung der Länder an die EU "deutlich zu verbessern". Konkret soll es etwa um Verkehrsverbindungen, die Energieversorgung und die Wirtschaftsbeziehungen gehen.

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Langfristig sollen sie dann sogar die Chance auf einen EU-Beitritt haben. Doch ist eine Erweiterung der Staatenunion überhaupt sinnvoll, wenn es den Mitgliedern schon heute schwer fällt, eine gemeinsame Linie zu finden?

Die Argumente von Erweiterungsgegnern und -befürwortern im Überblick:

Keine Sicherheit in Europa ohne den Balkan

  • Die Balkanstaaten liegen inmitten der EU und grenzen an Mitgliedsländer wie Griechenland, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Kroatien. "Wenn es in einem dieser Länder ein Sicherheitsproblem gibt, dann ist das automatisch auch ein Sicherheitsproblem für die EU", erklärte jüngst die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Besonders heikel ist das Loch inmitten der EU, da Russland, China und die Türkei ihren Einfluss in der Region derzeit deutlich ausbauen.
  • Mit rund 18 Millionen Einwohnern und einer vergleichsweise geringen Kaufkraft spielen die sechs Balkanstaaten als Absatzmarkt derzeit keine besonders große Rolle. Von der milliardenschweren Aufbauhilfe, die die EU seit Jahren leistet, sollen langfristig aber natürlich nicht russische oder chinesische, sondern europäische Unternehmen profitieren. Die EU ist nach eigenen Angaben der mit Abstand wichtigste Geldgeber und Investor in den Balkanstaaten. Allein für 2018 sind bereits 1,07 Milliarden Euro an sogenannten Heranführungshilfen vorgesehen – zusätzlich zu den knapp neun Milliarden Euro, die für den Zeitraum 2007–2017 bereitgestellt wurden.
  • Organisierte Kriminalität, Korruption und große Defizite bei Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit: Aus EU-Sicht ist bislang keiner der Balkanstaaten reif für einen Beitritt. Mit konkreten Anforderungskatalogen zeigt Brüssel aber auf, wie sie dem Ziel näherkommen können. Für die EU ist klar, dass sie niemals mehr einen neuen Staat aufnehmen will, der nicht alle Beitrittsanforderungen erfüllt.
  • Die Perspektive auf einen EU-Beitritt könnte auch die Lösung von Grenzstreitigkeiten befördern, weil alle Balkanstaaten wissen, dass sie mit einem Territorialkonflikt niemals EU-Mitglied werden können. Konkret geht es zum Beispiel um den Streit zwischen Serbien und seiner abtrünnigen früheren Provinz Kosovo.

Noch mehr Länder, noch mehr Ärger

  • Schon jetzt gilt die EU als schwerfällig. Das liegt vor allem daran, dass in Bereichen wie der Außen- und Steuerpolitik alle maßgeblichen Entscheidungen Einstimmigkeit erfordern. Nicht nur der französische Präsident Emmanuel Macron forderte deswegen, dass es vor einer Erweiterung umfangreiche EU-Reformen geben müsse. Er befürchtet, dass die Union sonst an Handlungsfähigkeit verliert.
  • In Staaten wie Deutschland, Frankreich oder Österreich stehen viele Menschen einer erneuten Erweiterung skeptisch gegenüber. Sie befürchten einen Zustrom von "Billigarbeitern", mehr Kriminalität und die Aufnahme eines "neuen Griechenlands", das dann mit Milliardenkrediten vor dem Bankrott bewahrt werden muss. Angesichts der EU-skeptischen Stimmung könnten viele Regierungen versucht sein, einen Beitritt hinauszuzögern – selbst dann, wenn die Balkanstaaten eigentlich die Bedingungen für eine Aufnahme in die EU erfüllen.
  • Wer denkt, dass sich alle Menschen in den Westbalkanländern nichts sehnlicher wünschen als einen EU-Beitritt, der irrt. In Serbien beispielsweise stehen viele Menschen dem Westen kritisch gegenüber. Sie werfen EU-Regierungen vor, im Kosovokrieg (1998–1999) eine antiserbische Position bezogen zu haben. Selbst in Montenegro, das jüngst den Nato-Beitritt schaffte, fühlen sich bedeutende Bevölkerungsteile eher zu Russland hingezogen als zur EU.
  • Russland empfindet das Werben der EU um die Balkanstaaten als Provokation und als Angriff auf seine eigenen Interessen. Grund sind die engen Verbindungen, die das Land zu den Balkanstaaten hat. Wenn Serbien & Co. blockfreie Staaten blieben, würden sich die angespannten Beziehungen zwischen der EU und Russland zumindest nicht weiter verschlechtern.

Welches Balkanland hat eine Chance auf den EU-Beitritt?

Doch wie groß sind die Chancen der einzelnen Balkanländer auf einen EU-Beitritt? Welches Land brennt wirklich für die europäische Idee und für wen ist die EU nur ein loses Lippenbekenntnis?

Serbien ist das größte und wichtigste Land der Region. Neben den vielen innenpolitischen Reformbaustellen gibt es offene Grenzfragen mit beinahe allen Nachbarn. Ein besonders schwerer Brocken ist die Zukunft des vor zehn Jahren abgefallenen Kosovos mit fast nur noch albanischen Bewohnern.

Albanien sorgt immer wieder für Erstaunen in Washington und Brüssel, wenn das Gespenst eines "Großalbaniens" an die Wand gemalt wird. Zurzeit läuft eine beispiellose Justizreform, in der die korrupten Richter und Staatsanwälte gefeuert werden. Nach vielen erfolglosen Anläufen in den Nachbarländern könnte das ein Modell werden – wenn die Reform denn auch bis zum Ende durchgehalten wird.

Montenegro ist als jüngstes Nato-Mitglied gemeinsam mit Serbien einem EU-Beitritt bis 2025 am nächsten. Allerdings führt Milo Djukanovic, gerade in einer umstrittenen Wahl zum Staatspräsidenten bestimmt, gemeinsam mit seiner engsten Familie das Land wie sein Privatreich.

Mazedonien hat nach der Ablösung des in kriminellen Machenschaften verstrickten Regierungschefs Nikola Gruevski durch die neue Reformkoalition gute Chancen, zügig auf Nato und EU zuzugehen. Voraussetzung ist allerdings die Einigung mit dem EU-Nachbarn Griechenland im jahrzehntelangen Streit um den Staatsnamen.

Bosnien-Herzegowina ist seit vielen Jahren nahezu unregierbar, weil sich seine drei Völker (muslimische Bosniaken, orthodoxe Serben, katholische Kroaten) nach Kräften streiten und blockieren. Alle vom Ausland angestoßenen Reformversuche sind daran bisher gescheitert.

Kosovo bleibt ein unvollendeter Staat, obwohl die EU und die USA Milliarden Euro und ein Heer von Diplomaten, Soldaten sowie Experten aller Art geschickt hatten. Symptomatisch für die Lage ist der Rückzug der größten und teuersten EU-Auslandsmission: Eulex war es nicht gelungen, demokratische Strukturen aufzubauen, Korruption und Kriminalität nachhaltig zu bekämpfen und Kriegsverbrechen aufzuarbeiten. Schlagzeilen machte diese "Rechtsstaatsmission" dagegen mit eigenen Korruptionsfällen.

Verwendete Quellen
  • dpa
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