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Kreml: Moskau empfängt AfD – eine Retourkutsche für Maas


Moskau empfängt AfD-Politiker
Die kleine russische Rache am deutschen Außenminister

dpa, Anne-Beatrice Clasmann und Ulf Mauder

Aktualisiert am 08.12.2020Lesedauer: 4 Min.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow (l) empfängt den AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla: Der Besuch eines Rechtspopulisten könnte erneut Russlands Ruf schaden.Vergrößern des BildesRusslands Außenminister Sergej Lawrow (l) empfängt den AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla: Der Besuch eines Rechtspopulisten könnte erneut Russlands Ruf schaden. (Quelle: Russian Foreign Ministry/Reuters-bilder)
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Zwischen den Außenministern Heiko Maas und Sergej Lawrow herrscht weitgehend Funkstille. Dann heißt Russlands oberster Diplomat eben die AfD willkommen. Ein solcher Besuch ist allerdings ungewöhnlich.

Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla hat bei einem Treffen mit Russlands Außenminister Sergej Lawrow in Moskau die Sanktionen der EU und der USA kritisiert. Vor allem die Folgen für seine Heimat Ostdeutschland seien wegen der einst engen wirtschaftlichen Verbindungen mit Russland schwer, sagte der Bundestags-Fraktionsvize aus Sachsen am Dienstag. "Wir leiden aktuell unter diesen Russland-Sanktionen, die von der EU und Amerika mit initiiert wurden."

Chrupalla sagte weiter: "Wir haben hohe wirtschaftliche Schäden davongetragen – gerade in Ostdeutschland." So seien infolge von EU-Sanktionen in Zusammenhang mit der Ukraine-Krise die Exporte um 60 Prozent eingebrochen. Auf diese Strafmaßnahmen hatte Russland unter anderem mit einem Lebensmittelembargo geantwortet, das zum Beispiel viele Milchbetriebe in Ostdeutschland traf.

"Wichtiger Besuch"

Der AfD-Vorsitzende dankte Lawrow dafür, dass Moskau die deutsche Einheit mit ermöglicht habe. Zudem sprach er sich für einen Weiterbau der Ostseepipeline Nord Stream 2 aus. Deutschland brauche russisches Gas. Lawrow nannte die AfD eine politisch "bedeutende Kraft". Er verwies darauf, dass Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) bei früheren Besuchen in Moskau auch die "nicht systemische Opposition" und andere Kritiker der russischen Regierung getroffen habe.

Als "wichtigen Besuch" lobte der Kreml den Empfang von Chrupalla bei Außenminister Lawrow. Die deutsch-russischen Beziehungen sind auf dem Tiefpunkt. Da kam der Besuch der Rechtspopulisten aus dem Bundestag zur rechten Zeit. Russlands oberster Diplomat konnte zeigen, dass sein Land nicht isoliert ist – und es in Berlin auch andere Kräfte als die Bundesregierung gibt. Welche, die gegen Sanktionen und für bessere Beziehungen sind. Trotzdem fragen sich viele Russen, ob das Hofieren von Rechtspopulisten nicht dem Ansehen schadet.

Treffen gilt als Retourkutsche für Maas

Dass ein Außenminister eines so großen Landes demonstrativ die Opposition eines anderen Staates empfängt, ist ungewöhnlich. Üblich sind Kontakte auf Regierungsebene. Aber das Verhältnis zwischen Bundesaußenminister Heiko Maas und Lawrow ist eisig. Moskau sieht den SPD-Politiker als Anstifter einer anti-russischen Koalition in Europa. Dagegen sind die Verbindungen zu den Rechten in Europa seit langem vielfältig.

Dass Lawrow nun Chrupalla, der auch Fraktionsvize ist, und den außenpolitischen Sprecher der Fraktion, Armin-Paul Hampel, zum Mittagessen trifft, gilt als Retourkutsche. In Russland ist die Empörung stets groß, wenn Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Oppositionelle wie den vergifteten Kremlgegner Alexej Nawalny oder Swetlana Tichanowskaja aus Belarus empfängt. Der Unterschied aus russischer Sicht ist freilich, dass die AfD-Politiker gewählte Volksvertreter sind.

Kein Treffen mit Putin geplant

Eingeladen wurde die AfD-Leute von der Duma, dem russischen Parlament. Eines der Themen mit Lawrow: die Folgen der Sanktionen für die deutsche Wirtschaft vor allem in den östlichen Bundesländern. Der Besuch findet zu einem Zeitpunkt statt, da wegen der Corona-Pandemie einfache Bürger zwischen Russland und Deutschland nicht reisen können. Ein Treffen mit Präsident Wladimir Putin sei aber nicht geplant, heißt es im Kreml. Der Präsident hatte schon die französische Rechte Marine Le Pen mit Handschlag empfangen.

Im Bundestag und auch im Europaparlament gibt es AfD-Politiker, die gelegentlich fast wie Sachwalter russischer Interessen klingen. Sie plädieren für ein Ende der verhängten Sanktionen. Sie gehen auf Distanz zur Nato und beschwören eine "eurasische Partnerschaft". Besonders geschätzt werden in Russland die Besuche von AfD-Vertretern auf der 2014 annektierten Schwarzmeerhalbinsel Krim. Dies soll beweisen, dass es in Europa auch andere Stimmen gibt als nur pro-ukrainische.

Empfang ist mit Risiken behaftet

Nach der Vergiftung Nawalnys halten einige AfD-Vertreter die von russischen Stellen verbreiteten Verschwörungstheorien für glaubwürdiger als die von deutscher Seite gewonnenen Erkenntnisse. Lawrow hatte schon gesagt, dass Nawalny womöglich von deutscher Seite vergiftet wurde. Verbreitet ist in Moskau die Sicht, dass der Fall benutzt werde, um Russland international auszugrenzen.


Für Lawrow ist der Empfang der AfD-Vertreter nach Meinung des Experten Wladislaw Below aber mit Risiken behaftet. "Lawrow versteht die Gefahr, sich mit der stärksten Oppositionspartei des Bundestags zu treffen, weil sie verfassungswidrig werden könnte", sagt der Leiter des Deutschland-Zentrums bei der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau. Russland habe dabei sehr wohl im Blick, dass es in der AfD "Nazis" gebe, die den Wehrmachtssoldaten im Zweiten Weltkrieg huldigten.

Treffen von Lawrow und Gauland "hätte Image geschadet"

Treffen russischer Regierungsvertreter mit Rechten sind gerade wegen des großen Leids, das Hitlerdeutschland mit seinem Überfall vor 79 Jahren auf die Sowjetunion brachte, in Moskau umstritten. "Es ist die Rettung für Herrn Lawrow, dass er nicht Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland trifft. Das hätte seinem Image geschadet", sagt Below. Gaulands Teilnahme wurde aber aus "organisatorischen Gründen" abgesagt.

Dabei hat Russland längst die Bundestagswahl im nächsten Jahr im Blick – und unterstützt mehr oder weniger offen besonders gern antiliberale Kräfte. Einige AfD-Abgeordnete, die im Ukraine-Konflikt und nach der Krim-Annexion für Russland Partei ergriffen, haben familiäre oder berufliche Verbindungen nach Russland oder in andere Staaten der ehemaligen Sowjetunion.

Russland-Politik der Bundesregierung sei zu konfrontativ

Die Abgeordneten Anton Friesen und Waldemar Herdt, beide Russlanddeutsche, werben für mehr Zusammenarbeit. In der Fraktion finden auch Hampel, Markus Frohnmaier und Robby Schlund die Russland-Politik der Bundesregierung zu konfrontativ. Diese Haltung wird zwar nicht von allen führenden AfD-Mitgliedern geteilt, ist bei den Rechtspopulisten aber mehrheitsfähig.

Das bedeutet jedoch nicht, dass Funktionäre, die sich um enge Beziehungen zu Moskau bemühen, in der Partei besonders starken Rückhalt haben. Der frühere TV-Journalist Hampel scheiterte am Wochenende mit seiner Bewerbung um einen aussichtsreichen Platz auf der niedersächsischen AfD-Kandidatenliste für die Bundestagswahl im kommenden September. Auch Herdt konnte sich nicht durchsetzen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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