t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikAuslandKrisen & Konflikte

Israel: Erneuter Angriff auf den Iran geplant? Das haben sie wohl im Visier


Neue Angriffspläne?
Israel versetzt die USA in Aufruhr


12.06.2025 - 15:13 UhrLesedauer: 6 Min.
imago images 0809995761Vergrößern des Bildes
Donald Trump (l.) und Benjamin Netanjahu stehen vor dem Weißen Haus (Archivbild): Greift Israel den Iran ohne US-Beistand an? (Quelle: IMAGO/BONNIE CASH/imago)
News folgen

Die USA reagieren mit einem Teilabzug von Botschaftsmitarbeitern auf wachsende Spannungen im Nahen Osten. Steht ein neuer israelischer Angriff auf den Iran bevor? Israel könnte damit seinen wichtigsten Verbündeten vor den Kopf stoßen.

Die USA ziehen Botschaftsmitarbeiter und Angehörige von Militärs aus dem Nahen Osten ab. Das US-Außenministerium nannte in einer Reisewarnung "erhöhte regionale Spannungen" als Grund der Maßnahme. Präsident Donald Trump bestätigte den Abzug am Mittwoch: "Sie werden abgezogen, weil es ein gefährlicher Ort sein könnte, und wir werden sehen, was passiert", sagte er vor Reportern.

Loading...

Betroffen sind laut der Nachrichtenagentur Reuters die Botschaft in der irakischen Hauptstadt Bagdad sowie Angehörige von in Kuwait und Bahrain stationierten US-Militärs. Die Maßnahme erfolgt weniger als einen Monat, nachdem US-Geheimdienste eine erste Warnung ausgesprochen hatten: Der Sender CNN berichtete am 20. Mai unter Berufung auf Geheimdienstkreise, dass Israel einen Angriff auf Atomanlagen im Iran vorbereite.

Der nun angeordnete Teilabzug von US-Personal kommt inmitten eines brisanten Moments für die Region. Trotz neuer Verhandlungen der USA mit dem Iran über ein Atomabkommen mauert Teheran mit Blick auf sein Nuklearprogramm. Die Gespräche sollen am Sonntag im Oman fortgesetzt werden. Es ist unklar, ob dies eine weitere Eskalation noch verhindern kann. Israel scheint bereit, bald einen größeren Schlag gegen den Iran auszuführen – obwohl das Land damit den Bruch mit den USA riskiert.

Israel könnte einen Alleingang machen

Laut Berichten der US-Sender NBC und CBS ist Israel offenbar bereit, einen Angriff ohne Unterstützung der USA durchzuführen. Zuletzt hatten die Vereinigten Staaten Israel mehrfach bei Luftangriffen in der Region unterstützt, etwa durch eigene Schläge gegen die Huthi-Rebellen im Jemen, mittels Geheimdienstinformationen oder logistischer Hilfen. Laut US-Medienberichten gibt es derzeit jedoch keine solchen Pläne der Trump-Regierung.

Damit kann Israel bei einem neuen Angriff auf den Iran nun wohl nicht rechnen: Laut CNN soll Trump dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu in einem Telefonat am Montag von weiteren Drohungen oder einem Angriff gegen den Iran abgeraten haben, solange die Verhandlungen über ein Atomabkommen noch liefen. Möglicherweise ist aber der Verlauf ebenjener Gespräche ein Grund für Israel, den Angriff in Kürze auszuführen.

Atomgespräche zwischen den USA und dem Iran stocken

Die USA und der Iran hatten Mitte April Gespräche über eine neue Vereinbarung aufgenommen, die das von Trump während seiner ersten Amtszeit im Jahr 2018 aufgekündigte internationale Atomabkommen mit dem Iran ersetzen soll. Der Oman trat in den Verhandlungen als Vermittler auf. Die ersten fünf Verhandlungsrunden blieben jedoch ohne Ergebnis.

Ein zentraler Streitpunkt bei den Gesprächen ist die Urananreicherung. Teheran besteht darauf, Uran auf niedrigem Niveau für zivile Zwecke anzureichern, wie es das Abkommen von 2015 vorsah. Diese Urananreicherung im Rahmen seines "friedlichen Atomprogramms" sei für den Iran nicht verhandelbar, hieß es zuletzt aus Teheran. Die US-Seite bezeichnet die Urananreicherung hingegen als "rote Linie".

Loading...
Symbolbild für eingebettete Inhalte

Embed

Auch für Israel wäre das inakzeptabel, sodass das Land mit einem Angriff auf iranische Atomanlagen versuchen könnte, Fakten zu schaffen, bevor die USA dem Iran in dieser Frage möglicherweise Zugeständnisse machen. Möglich ist ebenso, dass die Berichte über israelische Vorbereitungen für einen Luftangriff Druck auf die Verhandler ausüben sollen.

Trump hatte sich zuletzt wenig zuversichtlich gezeigt, dass es noch zu einem Ergebnis mit dem Iran kommen könnte. "Sie dürfen keine Atomwaffe haben. Es ist ganz einfach, sie dürfen keine Atomwaffe haben", erklärte Trump am Mittwoch auf die Frage, ob die Spannungen in der Region noch gelöst werden können. Dennoch dürfte ein Alleingang Israels im Nahen Osten auf die Ablehnung der US-Regierung treffen.

Iran befindet sich in einem verletzlichen Moment

Ein zweiter möglicher Grund für einen baldigen israelischen Angriff auf den Iran wurzelt im vergangenen Oktober. Damals attackierte Israel Produktions- sowie Abschussanlagen für iranische Raketen. Dabei soll außerdem fast die gesamte Luftverteidigung des Iran, die hauptsächlich aus russischen S-300-Systemen besteht, beschädigt worden sein. Laut NBC sollen jedoch vor allem die Radaranlagen der Systeme getroffen worden sein, die verhältnismäßig leicht repariert oder ausgetauscht werden können. Womöglich schließt sich nun das Zeitfenster, in dem die iranische Luftverteidigung weitgehend ausgeschaltet ist.

Der damalige israelische Angriff galt als Vergeltungsschlag nach einer iranischen Attacke von Anfang Oktober, bei der das Land Hunderte Drohnen und Raketen auf Israel abgefeuert hatte. Ein Mensch kam in Israel ums Leben. Israels Luftverteidigung sowie die Hilfe vonseiten der USA und anderer regionaler Verbündeter verhinderten Schlimmeres. Die iranischen Waffensysteme flogen dabei auch durch den irakischen Luftraum.

Video | "Iron Dome": So funktioniert Israels Raketenabwehr
Russisches Luftabwehrsystem bei einer Übung im Süden des Landes.
Video lädt
Quelle: Glomex

Vermutlich genau deswegen haben die USA nun ihre Mitarbeiter teilweise aus dem Land abgezogen, sodass sie vor einer iranischen Reaktion geschützt wären. Teheran hatte bereits angekündigt, als Vergeltung auf einen möglichen israelischen Angriff US-Stützpunkte in der Region ins Visier zu nehmen. Ebenso drohte der Iran mit Angriffen auf Israels versteckte Nuklearanlagen. Die Drohungen zielen wohl darauf ab, Attacken Israels auf den Iran abzuschrecken.

Israel dürfte sich jedoch von seinem Angriff auf den Iran im Oktober sowie militärischen Fortschritten gegen Irans Stellvertreter in der Region – die Terrororganisationen Hamas im Gazastreifen sowie die Hisbollah im Libanon – bestärkt fühlen. Laut der US-Zeitung "New York Times" wähnen israelische Vertreter die Region in einem Schlüsselmoment, um ein jahrzehntealtes Problem für Israel zu lösen: Der Iran befindet sich in einem Augenblick der Schwäche, wie ihn das Land wohl seit der Islamischen Revolution nicht mehr erlebt hat.

Reicht das israelische Arsenal für Angriffe auf unterirdische Anlagen?

Jede weitere israelische Attacke auf das Land könnte potenziell noch effektiver sein: weil einerseits die iranische Luftverteidigung geschwächt ist und weil andererseits eine Reaktion des Iran aufgrund erschöpfter Raketenarsenale und beschädigter Produktionsanlagen für neue Geschosse voraussichtlich wenig durchschlagend ausfallen würde.

Loading...
Loading...

Dennoch bleibt die Frage offen, ob Israel militärisch überhaupt in der Lage ist, wichtige Nuklearanlagen im Iran zu treffen – denn diese sollen teils tief unter der Erde liegen. Der Direktor der Internationalen Energieagentur (IAEA), Rafael Grossi, erklärte der Zeitung "The Jerusalem Post" kürzlich, dass eines über die Nuklearanlagen des Iran sicher sei: "Das [iranische Atom]Programm ist weitreichend und tiefgreifend." Viele dieser Anlagen seien extrem gut geschützt, führte Grossi aus. "Um sie zu zerstören, wäre eine überwältigende und verheerende Gewalt erforderlich."

Israels Luftwaffe gilt zwar als äußerst fähig und verfügt über bis zu 2.300 Kilogramm schwere Lenkbomben des Typs GBU-28 aus US-Produktion. Diese werden auch "Bunkerbrecher" genannt und dienen dazu, Anlagen unter der Erde zu zerstören. Möglicherweise könnte das für die iranischen Anlagen jedoch nicht ausreichen. Denn die Bomben penetrieren Böden je nach Beschaffung nur bis zu sechs Meter tief.

Der Iran ist bekannt dafür, militärstrategische Bauten weit unter der Erdoberfläche zu errichten – nicht nur Nuklearanlagen, sondern auch solche zur Entwicklung von Raketen.

Womöglich bleibt es bei einem begrenzten Schlag

Laut einer Analyse des Fachportals "The War Zone" aus dem Jahr 2023 würden dafür womöglich nicht einmal die schwersten "Bunkerbrecher" ausreichen, die nur die USA in ihrem Arsenal haben. Dabei handelt es sich um präzisionsgelenkte Bomben des Typs GBU-57 mit einem Gefechtsgewicht jenseits von 13 Tonnen. Diese wurde nach dem Irakkrieg entwickelt, um tief in der Erde liegende, gehärtete Bunkeranlagen attackieren zu können. Die Bombe soll bis zu 60 Meter tief in Böden eindringen können.

Beobachter vermuten jedoch, dass die wichtigsten iranischen Nuklearanlagen tiefer in der Erde oder in Bergen liegen dürften, so etwa die Natans-Anlage südlich von Teheran. Dort sollen in den vergangenen Jahren mehrere unterirdische Bauprojekte umgesetzt worden sein. Forscher des James Martin Center for Nonproliferation Studies in Kalifornien vermuteten damals im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AP, dass die iranischen Anlagen dort zwischen 80 und 100 Meter tief liegen könnten, manche Tunnel sollen noch tiefer gebaut worden sein.

Selbst mit der schwersten konventionellen US-Bombe wären also mehrere Einschläge notwendig. Darüber hinaus ist nicht bekannt, wie sehr der Iran die unterirdischen Anlagen etwa durch weitere Lagen verstärkten Betons oder anderer Materialien verstärkt hat. Auch das könnte die Wirkung von Bomben stark beeinträchtigen. Hinzu kommen mögliche Luftverteidigungssysteme, die Geschosse abfangen können.

Angesichts dessen scheint, wenn es überhaupt dazu kommen sollte, ein erneuter begrenzter Schlag Israels wahrscheinlicher als eine großangelegte Attacke. Damit könnte Israel dem Iran noch immer schwere Schäden zufügen: Auch die Raketenarsenale des Iran stellen für Israel eine Bedrohung dar. Erneute Angriffe auf Depots und Produktionsanlagen könnten diese Bedrohung längerfristig deutlich reduzieren.

Solch ein Angriff könnte auch einen Effekt auf das Nuklearprogramm der Iraner haben. Jedwede Zerstörungen an solchen Anlagen würden die iranischen Bemühungen womöglich deutlich zurückwerfen. Außerdem könnte auch schon die bloße Androhung möglicher folgenschwerer Attacken ausreichend Druck auf den Iran ausüben, in der Frage, um sein Atomprogramm einzulenken.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur AFP
  • reuters.com: "US to pull some personnel from the Middle East amid rising tensions with Iran" (englisch)

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Neueste Artikel
Deutschland im Nahost-Dilemma
Von Patrick Diekmann


Bleiben Sie dran!
App StorePlay Store
Auf Facebook folgenAuf X folgenAuf Instagram folgenAuf YouTube folgenAuf Spotify folgen


Telekom