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Merkel und Scholz schinden Zeit

Ein Gastbeitrag von Fabio De Masi

Aktualisiert am 15.11.2018Lesedauer: 4 Min.
Das deutsche Büro von Google in Hamburg: Mit zahlreichen Steuertricks bezahlen die Tech-Unternehmen aus den USA nur minimale Steuern in Europa.
Das deutsche Büro von Google in Hamburg: Mit zahlreichen Steuertricks bezahlen die Tech-Unternehmen aus den USA nur minimale Steuern in Europa. (Quelle: Florian Gaertner/photothek.net/imago-images-bilder)
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"Sei nicht böse" lautete einst das Motto von Google. Dass Google kaum Steuern in Europa zahlt, ist jedoch nicht böse, sondern Ergebnis schlechter Politik.

Die Steuertricks von Konzernen verursachen in der EU Steuerausfälle von Hunderten Milliarden Euro. Konzerne wie Google oder Apple zahlen in Europa oft weniger als einen Prozent Steuern auf ihre Gewinne, weil sie durch fiktive Zinsen oder Lizenzgebühren Gewinne über Landesgrenzen in Briefkastenfirmen in Niedrigsteuerländern schieben. Allein bis Ende 2016 betrugen die unversteuerten Auslandsgewinne von Google 60 Milliarden US-Dollar, so hoch wie die jährlichen Steuereinnahmen von Tschechien oder Neuseeland. Apple zahlte 2014 in Irland 0,005 Prozent Steuern – 50 Euro für jede Million Gewinn.

Das System der internationalen Unternehmensbesteuerung ist überholt: Die unterbesetzten Steuerbehörden müssten tausende konzerninterne Finanzflüsse darauf abklopfen, ob Zinsen oder Lizenzgebühren üblichen Marktpreisen entsprechen oder der Gewinnverkürzung dienen. Denn 60 Prozent des Welthandels findet innerhalb von Konzernen statt. In der Digitalwirtschaft existiert aber häufig kein vergleichbarer Preis für Suchmaschinen-Algorithmen oder Smartphone-Patente, da Google, Apple & Co. Quasi-Monopolisten sind.

Fabio De Masi ist stellvertretender Vorsitzender und finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Deutschen Bundestag. Bis 2017 war er Europaabgeordneter.

Tech-Giganten zahlen laut EU-Kommission im Schnitt 9,5 Prozent Steuern auf ihre Gewinne im Vergleich zu 23,2 Prozent für übrige Konzerne. Das Problem wird dadurch verschärft, dass Werbeanzeigen von Google ohne Betriebsstätte in Deutschland vertrieben werden, die für die Besteuerung maßgeblich ist. Die deutschen Nutzerdaten sind aber der Rohstoff maßgeschneiderter Werbung und tragen so zur Wertschöpfung bei.

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Die Ansätze der EU-Kommission laufen ins Leere

Die EU-Kommission verfolgt zwei Ansätze: Eine kurzfristige Ausgleichssteuer von drei Prozent auf den Umsatz mit bestimmten Nutzerdaten sowie die Einführung einer virtuellen steuerlichen Betriebsstätte. Die Ausgleichssteuer soll die Zersplitterung des EU-Binnenmarkts verhindern, da Länder wie Italien bereits nationale Abwehrmaßnahmen gegen Gewinnverschiebungen der Digitalkonzerne eingeführt haben.

Zuletzt hat selbst Großbritannien die Einführung einer nationalen Digitalsteuer ab 2020 beschlossen. Betroffen wären Dienstleistungen, die durch kostenlose Nutzerdaten veredelt werden, etwa Werbung bei Google oder Facebook. Wo Nutzer ein Produkt kaufen, wie bei Netflix, fällt die Steuer nicht an.

Steuerpflichtig wären Unternehmen mit mehr als 750 Millionen Euro Jahresumsatz und mehr als 50 Millionen Euro Umsatz mit digitalen Dienstleistungen in der EU. Die Steuer fiele dort an wo die Nutzer sitzen, nicht wo die Werbung bezahlt wird. Die Ausgleichssteuer soll bei der Körperschaftsteuer anrechenbar sein.

Fabio De Masi, Die Linke: "Olaf Scholz verhindert derzeit auch, dass Konzerne Umsätze, Gewinne oder bezahlte Steuern für jedes Land veröffentlichen müssen."
Fabio De Masi, Die Linke: "Olaf Scholz verhindert derzeit auch, dass Konzerne Umsätze, Gewinne oder bezahlte Steuern für jedes Land veröffentlichen müssen." (Quelle: Jens Jeske/imago-images-bilder)

Eine virtuelle Betriebsstätte macht Sinn, um das internationale Steuerrecht an digitale Geschäftsmodelle anzupassen. Doch die Ausgleichssteuer hat Schwächen: Es droht eine Überwälzung auf Konsumenten. Manche Länder könnten gar mehr an Körperschaftsteuer verlieren, als sie an Ausgleichsteuer gewinnen. Dies ist jedoch nicht der Grund, dass Frankreich auf eine Lösung drängt, während der deutsche Finanzminister Olaf Scholz die Digitalbesteuerung blockiert.

Neues Steuerprinzip wäre gut für Deutschland – und für Entwicklungsländer

Denn Scholz verhindert derzeit auch, dass Konzerne Umsätze, Gewinne oder bezahlte Steuern für jedes Land veröffentlichen müssen (country by country reporting). Dies ist bereits Pflicht im Banken- und Rohstoffsektor und legt offen, in welchen Ländern etwa hohe Gewinne anfallen, aber kaum Steuern entrichtet werden. Der Finanzminister fürchtet, dass auch Indien oder China Ansprüche bei deutschen Konzernen anmelden, die etwa Autos in Deutschland produzieren, aber im Ausland verkaufen. Außerdem befürchtet er einen Steuerkrieg mit Donald Trump, da Deutschland wegen seiner hohen Exportüberschüsse in der Kritik steht.

Deutschland verfügt als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt jedoch über einen großen Binnenmarkt mit viel Produktion und Konsumenten vor der eigenen Haustür und würde daher von einem Bestimmungslandprinzip (Besteuerung am Ort des Umsatzes) auch profitieren. Das aktuelle Modell aus den 1920er Jahren zur Besteuerung am Konzernsitz (Herkunftslandprinzip) benachteiligt überdies Entwicklungsländer, deren Rohstoffe und Infrastruktur genutzt wird während die Gewinne in die Industrieländer fließen.


Stattdessen schinden Minister Scholz und Kanzlerin Merkel Zeit und fordern globale Mindeststeuern im Industrieländerclub OECD. Dies ist aber wenig realistisch, da es in der OECD noch mehr Steueroasen als in der EU gibt und die USA blockieren. Eine Mindeststeuer von zehn bis 15 Prozent wäre zwar gut, um 0-Prozent-Steueroasen auszutrocknen. Aber es besteht das Risiko, dass Länder mit höheren Steuersätzen für Konzerne, wie Deutschland, diese nach unten anpassen.

In der EU drohen letztlich beide Kommissionsvorschläge am Einstimmigkeitsprinzip zu scheitern. Selbst wenn Deutschland einlenkt, werden Steueroasen wie Irland oder Luxemburg europäische Lösungen blockieren. Um international Druck aufzubauen, braucht es daher auch nationale Abwehrmaßnahmen, die aufgrund der Bedeutung des deutschen Marktes durchsetzbar sind.

So könnte die Steuerbasis durch Quellensteuern auf Zahlungen aus Deutschland in Niedrigsteuerländer verteidigt werden. Dann würden etwa die Kosten für eine Werbeanzeige bei Google bereits in Deutschland mit 25 Prozent besteuert. Google Irland erhielte das Geld für die Werbung abzüglich der bereits bezahlten Steuer und die Steuertricks laufen ins Leere. Alternativ könnte die Abzugsfähigkeit etwa einer Werbung auf Google als Betriebsausgabe verwehrt werden, wenn Google in Irland nicht angemessen besteuert wird.

Googles Marktmacht könnte bei Abwehrmaßnahmen zu Preiserhöhungen führen, ein vollständiges Abwälzen auf die Kunden ist aber unwahrscheinlich. Sonst hätten die Tech-Monopole ja die Preise bereits erhöht. Und bei Quellensteuern steigen bei höheren Werbepreisen auch die Steuereinnahmen. Nationale Schutzmaßnahmen wirken überdies nicht nur in der digitalen Wirtschaft.


Doch gibt es auch Fälle, die Quellensteuern nicht erfassen, etwa wenn keine Zahlung aus Deutschland geleistet wird, aber hiesige Nutzerdaten in die Wertschöpfung einfließen. Die EU-Ausgleichssteuer könnte in diesen Fällen eine sinnvolle Ergänzung von Quellensteuern sein.

Fakt ist: Auch Finanzminister sollten böse werden, wenn es der Steuergerechtigkeit dient.

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