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Klebe-Proteste | "Letzte Generation" und Co.: Alles, was Sie wissen müssen


Deutschlandweite Klimaproteste
Was soll das?


Aktualisiert am 01.11.2022Lesedauer: 5 Min.
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Wut, Empörung und Zustimmung: Klimaaktivisten haben für ordentlich Wind in der Hauptstadt gesorgt. (Quelle: t-online)

Die Aktionen der "Klima-Kleber" sind derzeit in aller Munde. Mit unterschiedlichsten Interventionen fordern sie Maßnahmen der Bundesregierung. Ein Überblick.

Berufsverkehr lahmgelegt, an teuren Autos festgeklebt, Kartoffelbrei auf Gemälde geworfen: Klimaaktivisten machen aktuell mit zahlreichen Aktionen von sich reden. Ihre Eingriffe in das öffentliche Leben sorgen für teils emotionale Reaktionen – spätestens seit bekannt wurde, dass in Berlin ein Rettungswagen in einem Stau feststeckte, der durch eine Straßenblockade ausgelöst worden war.

Doch hinter den Aktionen stecken unterschiedliche Gruppierungen, die teils unterschiedliche Forderungen stellen. t-online gibt den Überblick.

Wer sitzt da auf der Straße?

Hinter den aktuellen Straßenblockaden steckt meist die "Letzte Generation". Die Gruppierung bildete sich vor der Bundestagswahl 2021, als mehrere junge Menschen in einen Hungerstreik traten, um die Kanzlerkandidaten so zum Gespräch zu zwingen.

Es beteiligen sich jedoch nicht nur junge Menschen. Unter den Aktivisten finden sich nach Angaben der Gruppe zum Beispiel auch Eltern, die nach eigenen Angaben für die Rechte ihrer Kinder protestieren.

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Die Straßenaktionen der "Letzten Generation" begannen bereits Anfang des Jahres: Die Aktivisten forderten ein Ende der Lebensmittelverschwendung und blockierten erstmals eine Autobahn in Berlin. Im Februar schlossen sich Aktivisten auch in anderen Städten den Protesten an. Seitdem hat sich ihr Protest auch auf fossile Energien und die Klimakrise generell ausgeweitet.

Sind das die gleichen Menschen, die in Museen protestieren?

Nur zum Teil. Im August klebten sich Aktivisten der "Letzten Generation" in Dresden, Frankfurt und Berlin an Gemälden fest. Auch die Aktionen im Oktober, bei der ein Monet-Gemälde in Potsdam mit Kartoffelbrei beworfen wurde und sich Aktivistinnen im Berliner Naturkundemuseum festklebten, gingen von der Gruppierung aus.

Die "Letzte Generation" ist vor allem in Deutschland aktiv. Der Angriff mit Tomatensuppe auf ein Van-Gogh-Gemälde in London und die Attacke auf das "Mädchen mit dem Perlenohrring" in Den Haag wurden von der Gruppe "Just Stop Oil" verübt. Die Aktivisten fordern von der britischen Regierung, keine neuen Öl- und Projekte mehr zuzulassen.

Keinen Hintergrund in der Klima-Protestbewegung hatte die Aktion in der Berliner Alten Nationalgalerie, wo ein Bild mit Kunstblut beworfen wurde.

Welche Aktionen gab es noch?

Im Oktober lösten die Aktivisten der "Letzten Generation" im Bundestag und im Verkehrsministerium den Feueralarm aus, um so nach eigenen Angaben auf den Klima-Notfall aufmerksam zu machen. Die Gruppe bekannte sich auch dazu, aus Protest gegen die Energiepolitik der Bundesregierung an mehreren Orten Ölpipelines abgedreht zu haben.

Weitere Protestaktionen, die für große öffentliche Aufmerksamkeit sorgten, kamen von "Scientist Rebellion", einem Ableger von "Extinction Rebellion". Die Gruppe ist eigenen Angaben zufolge ein 2021 gegründeter Zusammenschluss von internationalen Wissenschaftlern, die zur Umstellung der Wirtschaft und Gesellschaft hin zur CO2-Neutralität aufrufen.

Mitglieder von "Scientist Rebellion" klebten sich in Wolfsburg im Porsche-Pavillon einer Ausstellung fest, beschmierten in München sechs Autos in der BMW-Welt und klebten sich auch dort anschließend fest. Hinter der Blockade des Verkehrsministeriums Mitte Oktober steckten die Wissenschaftler ebenfalls. Dort vergossen sie rote Farbe und klebten sich fest.

Auch im Finanzministerium gab es Mitte Oktober eine ähnliche Aktion wie im Verkehrsministerium. Die Aktivisten dort gehörten jedoch zur Gruppe "Debt for Climate". Sie fordert einen Schuldenerlass für Länder des globalen Südens, die besonders unter den Folgen der Klimakrise leiden.

Unter der Dach-Kampagne "United Against Climate Failure" (Zusammen gegen das Klimaversagen) haben sich die unterschiedlichen Gruppen zusammengeschlossen und nehmen immer wieder an Aktionen der anderen teil.

Welche Folgen haben die Proteste für die Aktivisten?

Die Aktivisten werden vor allem bei den Straßenblockaden zur Zielscheibe von Beleidigungen und Bedrohungen, wie eine Beteiligte im t-online-Interview erzählt. Im Sommer machte der Fall einer Demonstrantin Schlagzeilen, die in Berlin von einem Autofahrer angefahren wurde.

Von der Polizei werden die Aktivisten häufig vorübergehend in Gewahrsam genommen und mit Bußgeldern belegt. In München werden seit der Aktion bei BMW derzeit mehrere Mitglieder von "Scientist Rebellion" von der Polizei festgehalten. Auf richterliche Anordnung sollen sie bis längstens Freitag in Gewahrsam bleiben. So sollen weitere, bereits angekündigte Aktionen verhindert werden.

In mehreren Fällen laufen zudem Anzeigen gegen die Aktivisten, unter anderem wegen Sachbeschädigung oder Hausfriedensbruchs. In Berlin zeigte der CDU-Abgeordnete Christoph Förster Mitglieder der "Letzten Generation" wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung an.

Wie werden die Proteste finanziert?

Bei der "Letzten Generation" tragen nach eigenen Angaben die Aktivisten, die es können, entstehende Kosten für die Aktionen und verhängte Bußgelder selbst. Jedoch sammelt die Organisation auch Spenden: Nach Angaben auf der Website der Gruppe sind dabei bereits mehr als 43.000 Euro zusammengekommen, eine Kampagne auf der Seite "Gofundme" steht aktuell bei mehr als 35.000 Euro (Stand: 1. November, 14 Uhr).

Auch "Scientist Rebellion" ist "in erster Linie auf privates Engagement und Spenden angewiesen", wie die Organisation auf t-online-Anfrage erklärt.

Beide Gruppen erhalten darüber hinaus Mittel aus dem "Climate Emergency Fund", einer zentralen, internationalen Spendeninitiative. Diese hat nach eigenen Angaben in diesem Jahr bereits vier Millionen Euro an 39 verschiedene Klimaschutzorganisationen ausgezahlt.

Wie werden die Proteste aufgenommen?

Bei vielen Autofahrern, die durch die Blockaden im Stau stehen, sorgen die Aktionen vor allem für Wut:

Video | Er verpasst 1000-Euro-Flug – wegen Straßenblockade
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Quelle: t-online

Gerade wenn Rettungskräfte durch die Blockaden nicht oder verspätet zu ihren Einsätzen kommen, nimmt die Empörung über die Protestaktionen zu. Der Vorfall vom Montagmorgen war nicht der erste dieser Art – allein im Juni und Juli gab es in Berlin mindestens acht Fälle, in denen Rettungswagen durch Straßenblockaden behindert wurden.

Die "Letzte Generation" wehrt sich jedoch gegen diese Kritik. "Es ist nie die Absicht, dass jemand gefährdet wird", erklärt eine Sprecherin im t-online-Interview. Die Sicherheit aller, auch aller Verkehrsteilnehmer, sei das oberste Gebot, heißt es in einer Stellungnahme der Gruppe. Auch wenn sich Aktivisten auf die Straße kleben, achte man auf das Freihalten einer Rettungsgasse.

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Wie gehen die Proteste weiter?

Im t-online-Interview erklärte Lilly Schubert von der "Letzten Generation": "Wir werden erst damit aufhören, wenn wir es geschafft haben, unseren Planeten und unsere Gesellschaft zu retten oder wenn die Regierung uns alle dafür eingesperrt hat."

"Scientist Rebellion" verweist auf t-online-Anfrage auf die Forderungen der Koalition "United Against Climate Failure": "Die Proteste hören auf, sobald die Bundesregierung einem Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen zustimmt und sich für die Streichung der Schulden der Länder des globalen Südens einsetzt." Diese Sofortmaßnahmen hatte auch die "Letzte Generation" Anfang Oktober in einem Brief an die Bundesregierung gefordert.

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Wie reagiert die Bundesregierung?

Aus der Bundesregierung gibt es bislang nur wenige Reaktionen. Als "Scientist Rebellion" Mitte Oktober die Eröffnung des Weltgesundheitsgipfels per Feueralarm unterbrach, erklärte Kanzler Olaf Scholz sogar, die Aktivisten ignorieren zu wollen. Nach dem Rettungswagen-Vorfall in Berlin erklärte der SPD-Politiker am Montag, er glaube, dass man kritischen Protest akzeptieren müsse. Aber: "Dass die Aktionen jetzt nicht auf sehr weitreichenden Beifall gestoßen sind, ist auch offensichtlich. (Auf) meinen auch nicht."

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) wollte sich auf t-online-Anfrage nicht zu den Protesten und den Forderungen der Aktivisten äußern. Ein Sprecher seines Ministeriums verwies darauf, dass man intensiv an einer Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket arbeite – aktuell ist ein 49-Euro-Ticket geplant. Ein generelles Tempolimit sei nicht vorgesehen, "nicht zuletzt deshalb, weil es keinem der Koalitionspartner so wichtig war, dass es Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hätte."

Erst am Montag war jedoch aus Kreisen des Wirtschaftsministeriums bekannt geworden, dass Wissings Klimaschutz-Sofortprogramm auch nach Nachbesserungen nicht ausreicht, um die Klimaziele im Verkehrssektor bis 2030 zu erreichen.

Radikalisiert sich der Klimaprotest?

Gegen den Vorwurf einer angeblichen Radikalisierung wehren sich sowohl "Scientist Rebellion" als auch die "Letzte Generation". Es handle sich um Diskreditierungsversuche, so eine Sprecherin der Wissenschaftler zu t-online. Die Wissenschaftskommunikation der letzten 50 Jahre habe nicht zu einem entschlossenen Handeln der Politik geführt. Die Aktivisten reagierten daher "angemessen auf die Radikalität der politischen Ignoranz gegenüber dem Zusammenbruch unserer Lebensgrundlagen." Es handle sich um "störende, aber gewaltfreie" Proteste.

Das betont auch die "Letzte Generation" immer wieder. Es gebe gemeinsame Werte, erklärte Sprecherin Lilly Schubert im t-online-Interview. "Da steht Friedlichkeit ganz oben."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Anfragen an Scientist Rebellion und das Bundesverkehrsministerium
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