Deal im Krieg Özdemir erinnert Putin eindringlich an Versprechen
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Moskau droht damit, ein wichtiges Abkommen mit der Ukraine aufzukündigen. Agrarminister Özdemir kritisiert "Putins falsches Spiel" – und will einen Streit in der EU lösen.
In Kriegszeiten ist es für die Ukraine eine der wenigen Einnahmequellen, zugleich sichert es die Versorgung vieler Entwicklungsländer: das Getreideabkommen zwischen dem Aggressor Russland und dem angegriffenen Land. Es ermöglicht der Ukraine die Ausfuhr von Weizen, Mais und Sonnenblumenkernen – doch immer wieder droht Moskau damit, den Vertrag aufzukündigen. Zuletzt nannte das russische Verteidigungsministerium als Grund dafür angebliche "Terrorattacken des Kiewer Regimes".
Die Bundesregierung kritisiert Wladimir Putins Methoden deutlich. Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) sagte t-online: "Putin nutzt das Schwarzmeer-Abkommen erneut bewusst als Druckmittel, um eigene Interessen durchzusetzen: Destabilisierung und ein Ende der westlichen Sanktionen."
Özdemir: "Russland muss das Abkommen fortsetzen"
Dass Russland das Abkommen vertragswidrig bereits Mitte Mai und damit 60 Tage vor der eigentlich vereinbarten Frist auslaufen lassen wolle, sei "schlicht unverantwortlich", so Özdemir. "Putin nimmt den Verlust von Menschenleben billigend in Kauf für seinen verbrecherischen Angriffskrieg."
Der Minister fordert Moskau dazu auf, das Abkommen einzuhalten: "Russland muss seiner vor der Weltgemeinschaft abgegebenen Verpflichtung gerecht werden und das Abkommen fortsetzen", sagte er. Das ukrainische Getreide müsse dort ankommen, wo es gebraucht werde – "nämlich in den Ländern des globalen Südens".
Zahlreiche Länder in Asien und Afrika sind auf das Getreide aus der Ukraine angewiesen, darunter viele ärmere Staaten. Politiker wie Menschenrechtsorganisationen warnten eindringlich vor weltweiten Folgen, Hungersnöten und Unruhen, bevor der Deal geschlossen wurde.
Streit in Brüssel
In der EU ist die Lage mit Blick auf das Abkommen inzwischen aber kompliziert. Mehrere osteuropäische Länder sehen durch die günstige Konkurrenz aus der Ukraine zu große Nachteile für die eigenen Landwirte. Auf ukrainische Waren werden aus Solidarität mit dem Land derzeit keine Zölle erhoben.
Ungarn, die Slowakei und Bulgarien haben deswegen bereits Importverbote gegen diese Produkte verhängt – und auch die polnische Regierung, einer der stärksten Unterstützer der Ukraine, ist diesen Schritt zeitweise gegangen. Der Warentransit auf zum Teil eigens geschaffenen Logistikwegen, den Solidarity Lanes, ist noch möglich, der Verkauf ukrainischen Getreides in den drei östlichen EU-Ländern aber nicht mehr. Damit entfällt für die Ukraine ein bedeutender Absatzmarkt bei der wichtigen Einkommensquelle.
Die EU-Kommission reagierte darauf mit harscher Kritik. Die Maßnahmen seien "inakzeptabel" und innerhalb der EU nicht abgestimmt, heißt es aus Brüssel. Seitdem kämpfen die Mitgliedsstaaten um eine gemeinsame Linie.
Abkommen für Ukraine "geradezu überlebenswichtig"
Özdemir dringt in dem Streit auf Zusammenhalt: "Putins falsches Spiel zeigt uns, dass wir gerade auch in der EU weiterhin solidarisch mit der Ukraine und auch untereinander sein müssen", sagte er t-online. "Wenn wir nationale Einzelinteressen fokussieren, verlieren wir am Ende alle."
Es brauche ein "abgestimmtes und regelbasiertes europäisches Vorgehen", wozu sich die EU-Staaten wiederholt bekannt hätten. Das heiße aber auch, dass die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten enger einbinden müsse. "Es hilft niemandem, wenn wir Probleme nur verlagern."
Für die Ukraine sei es "geradezu überlebenswichtig", dass sie ihre Produkte auf die internationalen Märkte bringen könne, um Einnahmen zu erzielen, so Özdemir weiter. "Es darf daher auch kein Nachlassen beim Ausbau der Solidarity Lanes geben, damit ukrainisches Getreide an die EU-Häfen zum Weitertransport nach Afrika und den Nahen Osten gelangt."
Wichtiger Stützpfeiler der ukrainischen Wirtschaft
Tatsächlich ist der Getreideexport besonders im Krieg einer der wenigen Stützpfeiler, die der Ukraine geblieben sind. Die Wirtschaft ist laut dem Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) 2022 um rund 30 Prozent eingebrochen. Für dieses Jahr prognostiziert das Institut der Ukraine immerhin ein Wachstum um 1,6 Prozent – dank besserer Energieversorgung, internationaler Finanzhilfen und nicht zuletzt: wegen des Abkommens für Getreideexporte.
Laut Europäischem Rat sind bis Anfang März durch das Getreideabkommen mehr als 23 Millionen Tonnen Nahrungsmittel aus der Ukraine ausgeführt worden. Mais machte dabei fast die Hälfte aus. Er musste zu Anfang des Krieges schnell abtransportiert werden, um die Silos zu leeren und Platz für den Weizen zu schaffen, der im Sommer geerntet wurde.
- tagesschau.de: "Moskau droht mit Aus für Getreideabkommen"
- deutschlandfunk.de: "Bulgarischer Importstopp für ukrainische Agrarprodukte in Kraft getreten"
- consilium.europa.eu: "Die ukrainischen Getreideausfuhren im Detail"