Merz-Drama im Bundestag Von "sehr, sehr froh" bis "peinlich" – Reaktionen auf die Kanzlerwahl

Friedrich Merz ist neuer Kanzler. Zum Regierungsstart gab es Glückwünsche, Küsschen und freundliche Mahnungen von Bundespräsident Steinmeier. Nur eine schert aus.
Nach der turbulenten Wahl von CDU-Chef Friedrich Merz zum Bundeskanzler gab es am Dienstag erst einmal Glückwünsche. Der scheidende Kanzler Olaf Scholz (SPD) gratulierte seinem Nachfolger im Bundestag mit einem freundschaftlichen Händedruck. SPD-Chefin Saskia Esken verband ihren Glückwunsch mit einer Umarmung und zwei Wangenküssen. Schließlich werden die beiden in den kommenden Jahren in einer schwarz-roten Koalition zusammenarbeiten. Merz war am Dienstag erst im zweiten Wahlgang gewählt worden.
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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier scherzte, in einer Demokratie verlaufen manche Tage aufregender als erwartet. Bei der Ernennung des neuen Kabinetts in Schloss Bellevue wünschte er der schwarz-roten Regierung "Mut für die neuen Aufgaben" und mahnte: "Sie wissen um die Größe der Herausforderung".
Erleichtert nach einem aufregenden politischen Tag zeigte sich auch Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU). Die Wahl sei "gut für Deutschland", sagte Klöckner dem Sender Phoenix. Sie sei mit Blick auf die Stabilität der Demokratie als Bundestagspräsidentin "sehr, sehr froh" über die Wahl. "Unabhängig von Parteizugehörigkeiten ist das schon ein Signal, dass Deutschland eine stabile Regierung hat", sagte Klöckner. "Das Ausland hat heute sehr stark auf Deutschland geschaut." Merz will schon am Mittwoch zu seiner ersten Auslandsreise aufbrechen.
Auch die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Heidi Reichinnek, gratulierte Merz direkt nach der Wahl strahlend und mit einem Händedruck. Glückwünsche samt Händedruck kamen auch von mehreren AfD-Politikern wie etwa von den beiden Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla und auch von Alexander Gauland, der sich vor Merz verbeugte.
Gratulation auch aus den Bundesländern
Gratulationen erhielt der neue Kanzler auch aus der Heimat – von einem Parteifreund, der selbst zwischenzeitlich als möglicher Kandidat gehandelt worden war. "Mit ihm kommt der zweite Kanzler aus Nordrhein-Westfalen – und einer, der für den Politikwechsel steht, den Deutschland braucht", schrieb Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) auf X. "Ich freue mich auf die gemeinsame Arbeit für unser Land."
Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) gratulierte Merz und wünschte ihm Erfolg. "Angesichts der historischen Situation, in der sich Deutschland befinde, habe ich kein Verständnis für das Scheitern des ersten Wahlgangs", sagte sie mit Blick auf die zunächst gescheiterte Wahl im Bundestag am Vormittag. Zugleich forderte sie die neue Regierung auf, rasch zu handeln. "Höchste Priorität müssen wirtschaftliches Wachstum und soziale Gerechtigkeit haben", sagte sie nach der Kanzlerwahl. "Es geht auch darum, Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates und der Politik zurückzugewinnen und das Land zusammenzuhalten."
Kritischer urteilte BSW-Chefin Sahra Wagenknecht. "Selbst Krücken aus der Opposition waren nötig, um den CDU-Vorsitzenden ins Amt zu hieven", erklärte sie. Das zeige einmal mehr, dass Merz "nicht kanzlertauglich" sei. Wagenknecht nannte die Vorgänge um die Kanzlerwahl von Friedrich Merz peinlich. Wagenknecht befürchtet zudem, dass der Christdemokrat zum "Aufrüstungskanzler" wird: "Rüstung statt Rente und Panzer statt Volkswagen werden Leitlinien der Merz-Kanzlerschaft."
"Herausforderungen wie Adenauer und Kohl"
Die Wirtschaft erwartet von der neuen Regierung Reformen. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger verband seine Gratulation mit der Forderung an die Regierungsparteien zu "mutigem und schnellem Handeln". "Diese Regierung steht vor historischen Weichenstellungen. Deutschland und Europa sind geopolitisch und ökonomisch massiv unter Druck", erklärte Dulger am Dienstag. "Merz steht bei genauerer Betrachtung nicht vor geringeren Herausforderungen als Konrad Adenauer und Helmut Kohl." Der CDU-Politiker müsse "Kanzler eines neuen Aufschwungs werden".
"Jede politische Maßnahme muss auf Wachstum und Bürokratierückbau ausgerichtet werden. Nur so wird sich Deutschland aus der Rezession herausarbeiten können", erklärte Dulger weiter. Merz habe zuletzt Sozialstaatsreformen angekündigt. "Darauf verlassen wir uns – und stehen als Sozialpartner für kostensenkende Reformen zur Verfügung", erklärte Dulger weiter.
"Nach dem holprigen Start kommt es jetzt umso mehr darauf an, zügig Verlässlichkeit und Gestaltungswillen zu zeigen", erklärte der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian. Die neue Bundesregierung müsse nun "wirtschaftliche Stabilität und Verlässlichkeit" schaffen.
"Nur so lassen sich Investitionen auslösen, Innovationen ermöglichen und Arbeitsplätze sichern", erklärte Adrian. "Auch international zählt: Unser Handeln heute entscheidet über die Wettbewerbsfähigkeit von morgen."
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP