Innenpolitische Reaktionen Nach US-Angriff: Merz beruft Sicherheitskabinett ein

Kanzler Merz setzt im Konflikt mit dem Iran auf Verhandlungen. Die SPD-Linken Stegner und Mützenich sind kritischer. BSW-Chefin Wagenknecht spricht von "Verbrechen". Die Union hofft auf einen Regimewechsel in Teheran.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat nach den US-Angriffen auf den Iran eine diplomatische Lösung der Krise angemahnt. "Iran muss mit USA und Israel verhandeln und zu diplomatischer Lösung kommen", erklärte Merz am Sonntag.
"Die Bundesregierung geht davon aus, dass große Teile des iranischen Nuklearprogramms durch die Luftschläge beeinträchtigt wurden", teilte Merz' Sprecher mit.
Der Kanzler berief für Sonntagmorgen das Sicherheitskabinett der Bundesregierung ein. Im Laufe des Tages wollen sich Merz und die Minister des Sicherheitskabinetts demnach mit ihren Partnern in der EU und mit den USA "über weitere Schritte eng abstimmen".
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Der Angriff von US-Präsident Donald Trump löste innenpolitisch eine heftige Debatte aus. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht sagte t-online: "Donald Trump zündet den Nahen und Mittleren Osten an. Der Angriff der USA auf den Iran ist ein schwerer Völkerrechtsbruch, den die Bundesregierung scharf verurteilen muss."
Wagenknecht warf Trump Kriegsverbrechen vor und sah eine Doppelmoral: "Der Kriegseintritt der USA ist ein Verbrechen, das die gesamte Region ins Chaos stürzen könnte. Bei Russland zählt das Völkerrecht, bei Israel und den USA nicht: Diese heuchlerische Doppelmoral macht den Westen in der ganzen Welt unmöglich!"
Die US-Luftwaffe hatte in der Nacht iranische Atomanlagen in Isfahan, Natans und Fordo angegriffen. Der Iran hatte mit Raketenangriffen auf Israel reagiert. Weltweit wurde vor einer Eskalation der Gewalt in der Region gewarnt.
Kritik auch aus der SPD
Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Führung im Iran "die nächsten Tage nicht überstehen wird", sagte Mützenich der Zeitung. "Wahrscheinlich ist aber auch, dass die Region in eine Phase weiterer Kriege und Destabilisierung treten wird, mit den damit verbundenen Folgen für die Menschen und die natürlichen Lebensgrundlagen." Der Ansatz der europäischen Außenpolitik, den die Bundesregierung "zuletzt mit europäischen Partnern dankenswerterweise nochmals versucht hat", sei jedenfalls "gescheitert".
Kritik an Trumps Vorgehen kam nicht allein vom BSW. Auch der linke Flügel der SPD rügte die militärische Eskalation. SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich sagte der Berliner Zeitung "Tagesspiegel": "Der Versuch, die internationale Ordnung durch Zusammenarbeit, Kontrolle und Verträge zu stärken, wird um Jahrzehnte zurückgeworfen."
Mützenich ist entschiedener Verfechter einer Abrüstungspolitik. Schon in seiner Promotion "Atomwaffenfreie Zonen und internationale Politik" hatte er sich mit der Frage befasst. Zuletzt hatte er in einem "Manifest" genannten Papier die steigenden Rüstungsausgaben in Deutschland heftig kritisiert und damit auch SPD-Parteichef Lars Klingbeil unter Druck gesetzt.
Mitinitiator des Papiers war auch der SPD-Linke Ralf Stegner. Er sagte der "Rheinischen Post" aus Düsseldorf, das sei "kein guter Tag für alle, die auf Frieden hoffen".
Erst vergangene Woche hatten sich Deutschland, Frankreich und Großbritannien bei einem Treffen mit Irans Außenminister, Abbas Araghtschi, um eine diplomatische Lösung bemüht. Stegner sagte nun: Während Außenminister Johann Wadephul (CDU) noch am Freitag in Genf von "ermutigenden diplomatischen Gesprächen" mit dem Iran gesprochen hatte, habe Trump mit Luftangriffen auf iranische Atomanlagen "die Welt eines Schlechteren belehrt". Ob es nun noch gelingen könne, einen Flächenbrand im Nahen Osten oder eine darüber hinausgehende gefährliche Eskalation zu verhindern, "dürfte die entscheidende Frage in den nächsten Wochen sein".
Union weist Iran Verantwortung an Zuspitzung zu
Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, wies hingegen dem Iran die Verantwortung für die Eskalation zu. Er bewertete den US-Angriff als Reaktion auf mangelnde Verhandlungsbereitschaft des Mullah-Regimes. "Der Iran hat die ausgestreckte Hand von Wadephul und seinen Kollegen nicht ergriffen. Darauf reagierten die USA", sagte Hardt dem Nachrichtenportal t-online. "Beim nächsten Mal meinen es die Mullahs hoffentlich ernster mit Verhandlungen." Hardt betonte: "Bundesregierung, E3 und die USA agieren im Verbund."
Als E3 werden Deutschland, Frankreich und Großbritannien bezeichnet. Die drei Staaten hatten noch am Freitag in Genf mit dem Iran verhandelt.
Auch der CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter hält den Angriff der USA auf iranische Atomanlagen für gerechtfertigt. "Das Mullah-Regime hat alle Warnsignale ignoriert und nunmehr kein nukleares Druckmittel mehr", sagte Kiesewetter dem Nachrichtenportal t-online. Mit den Angriffen hätten die USA Israel geholfen, "die militärischen Nuklearfähigkeiten des Iran um Jahre zu verzögern beziehungsweise komplett zu zerstören".
Kiesewetter betonte: "Die Zerstörung der Anlagen ist gerechtfertigt, weil das Terrorregime in Teheran das Existenzrecht Israels ablehnt und sich nicht an internationale Absprachen im Rahmen des JCPoA gehalten hat." Das JCPoA ist ein Abkommen, das sicherstellen sollte, dass das iranische Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient.
Kiesewetter äußert Hoffnung auf Regimewechsel in Iran
Kiesewetter kritisierte zugleich das außenpolitische Handeln der Europäer. "Leider haben die Staaten der E3 – Frankreich, Großbritannien und Deutschland – den Snapback-Mechanismus, ein scharfes Sanktionsschwert, das nur bis Oktober wirksam ist, nicht ausgerufen", sagte der CDU-Politiker.

Das Atomabkommen mit Iran
2015 vermittelte die EU – unter Beteiligung der sogenannten E3 Gruppe Deutschland, Großbritannien und Frankreich – ein Atomabkommen mit dem Iran. Es billigte dem Land zivile Atomforschung zu, sah im Gegenzug aber strenge Kontrollen der Atomanlagen aus.
2018 war US-Präsident Donald Trump in seiner ersten Amtszeit aus dem Vertrag ausgestiegen. Der Iran hatte danach die Urananreicherung hochgefahren. Der Vertrag war auf zehn Jahre begrenzt und läuft im Oktober aus. Auch deshalb hatte sich die US-Administration zuletzt unter Vermittlung des Oman zwischenzeitlich um Atomgespräche mit Iran bemüht. Nach den US-Angriffen lehnt Irans Außenminister Abbas Araghtschi weitere Gespräche "im Moment".
Der Snapback-Mechanismus beschreibt die Rückkehr sämtlicher UN-Sanktionen gegen den Iran. Angesichts dieser "diplomatischen Schwäche des Westens" habe Israel den Präventivschlag gewählt, um seine Bevölkerung zu schützen. "Unsere Außenpolitik hätte dies erkennen müssen." Nun seien die E3 auf "ihre leider klassische Rolle als Zaungäste reduziert".
Deutschland und Europa sollten an einer Nachkriegsordnung mitwirken”, forderte Kiesewetter. Dazu gehörten diplomatische Bemühungen mit den Nachbarstaaten Israels, auch der Türkei, und eine Stärkung der iranischen Zivilgesellschaft sowie der Auslandsopposition. "Für die Zivilgesellschaft ist das nun die Chance, sich von dem Terrorregime der Mullahs zu befreien." Mittelfristig sorge das Vorgehen Israels und der USA für mehr Sicherheit in der Region, in dem das Mullah-Regime Terror verbreitet habe.
Kritik von den Grünen
Grünen-Fraktionsvorsitzende Agnieszka Brugger sprach am Sonntag unmissverständlich von einem "Terrorregime, das Israel und die eigene Bevölkerung mit Drohungen und Gewalt über Jahrzehnte terrorisiert". Ebenso unmissverständlich lehnte sie Trumps Vorgehen ab. Sie sah "die USA in der Pflicht, die völkerrechtliche Legitimation ihres Militäreinsatzes darzulegen". Brugger stellte klar: Die Frage nach der völkerrechtlichen Legitimation ist dabei keine rein akademische Debatte, sondern hat Auswirkungen darauf, ob und welche Gültigkeit die Regeln aus der UN-Charta in unseren unfriedlichen Zeiten noch haben."
Mit Blick auf die Debatte, ob die Angriffe vom Völkerrecht gedeckt seien, erklärte Brugger: Es mehrten sich "Hinweise aus den US-Geheimdiensten, dass es aktuell keine neuen Erkenntnisse für eine unmittelbaren Angriff und eine sofortige Atombombe gegeben hätte. Deshalb sollte auch Israel dringend Beweise und Begründungen vorlegen, mit der sie diese Militärschläge als präemptiv und als völkerrechtskonform rechtfertigen".
Brugger kritisierte aber auch das Krisenmanagement der schwarz-roten Regierung von Kanzler Merz. "Weder hat es die Bundesregierung bisher für nötig gehalten, den Nationalen Sicherheitsrat als ihr vielgepriesenes Mittel für mehr Klarheit einzurichten, noch hielten Bundesregierung, Bundestagspräsidentin und Koalitionen es für notwendig, letzte Woche zu Sondersitzungen der zuständigen Ausschüsse zusammenzukommen oder Fraktionsvorsitzende zu unterrichten, obwohl sich eine solche Eskalation mit Ausrufezeichen angekündigt hat."
Merz hatte im Wahlkampf angekündigt, einen Nationalen Sicherheitsrat im Kanzleramt anzusiedeln. Der Koalitionsvertrag dazu ist aber vage. Brugger kritisierte deshalb: "Die Bundesregierung wirkt in diesem Moment selbst widersprüchlich und unsortiert. Wenn man sich die vielen widersprüchlichen Äußerungen von Kanzler, Außenminister und Verteidigungsminister anschaut, ist Deutschland entfernt von der groß versprochenen Außenpolitik aus einem Guss."
- Nachrichtenagenturen Reuters, AFP, dpa
- Eigene Recherche