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Diesel und Zuwanderung: Ein bisschen Frieden nach schwarz-roten Chaoswochen


Diesel-Lösung und Zuwanderungs-Konzept
Ein bisschen Frieden nach schwarz-roten Chaoswochen

dpa, Jörg Blank

Aktualisiert am 02.10.2018Lesedauer: 4 Min.
Horst Seehofer, Peter Altmaier und Hubertus Heil: Eine Stichtagregelung beim neuen Zuwanderungskonzept konnte die Union verhindern. Ansonsten zeigt die Groko Einigkeit.Vergrößern des BildesHorst Seehofer, Peter Altmaier und Hubertus Heil: Eine Stichtagregelung beim neuen Zuwanderungskonzept konnte die Union verhindern. Ansonsten zeigt die Groko Einigkeit. (Quelle: Michael Kappeler/dpa-bilder)
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Monatelang hat die Groko ihre Anhänger mit Dauerstreit vergrault. Kurz vor den Wahlen in Bayern und Hessen demonstriert die Regierung nun Handlungsfähigkeit. Wie lange hält die Harmonie?

Kein böses Wort kommt Horst Seehofer, Hubertus Heil und Peter Altmaier am Morgen danach über die Lippen. Der rauflustige CSU-Innenminister und seine Kollegen für Wirtschaft (CDU) und Arbeit (SPD) präsentieren am Dienstagvormittag den Kompromiss einer fast durchverhandelten Nacht im Kanzleramt. Es geht um die Eckpunkte für die Zuwanderung von Fachkräften. Und natürlich um den Zoff über den von der SPD vehement verlangten "Spurwechsel" abgelehnter Asylbewerber in den Arbeitsmarkt. War da was? Koalitionskrisen? Iwo.

Seehofer, Heil und Altmaier präsentieren sich als Trio der Harmonie. Ganz so, als habe es die Regierungskrisen nicht gegeben, an denen die vierte Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schon im ersten Jahr gleich zweimal fast geplatzt wäre.

Stichtagregelung vom Tisch

Auf Journalistenfragen, die eine klare Position zum "Spurwechsel" erzwingen wollen, gehen alle drei nicht ein. Selbst der CSU-Chef wiegelt ab: "Was soll die ganze theoretische Diskussion über Begriffe?" Heil sagt, Wechsel aus einem laufenden Asylverfahren in Arbeitsmigration werde es nicht geben. Auch eine Stichtagsregelung ist vom Tisch – die Union wollte beides unbedingt verhindern.

Als eine Stunde später Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) den Diesel-Kompromiss erklären, wirkt es zwar nicht so, als sei nun endlich großkoalitionäre Liebe entflammt. Bei der Formulierung des Kompromisspapiers soll die ausgleichende Art von Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben – wer weiß, wie die Einigung sonst ausgefallen wäre.

Doch immerhin: Schulze und Scheuer sprechen unisono von einem sehr großen Schritt und einem guten Konzept, das den Automobilherstellern die Möglichkeit biete, verlorenes Vertrauen wiederherzustellen.

Kompromisse aus blanker Panik

Der Auftritt zum Diesel-Kompromiss zeigt aber auch, wo die Koalition an ihre Grenzen stößt. Dabei hatten Scheuer und die Kanzlerin versucht, die Konzerne dazu zu bewegen, Nachrüstungskosten komplett zu übernehmen. Resonanz: Gleich null. Denn zwingen kann die Regierung Unternehmen in einer freien Marktwirtschaft nun mal nicht.

Die Koalition setzt deshalb jetzt auf jenen öffentlichen Druck, den eine nicht dauerzerstrittene Regierung ausüben kann. Schulze sagt, sie glaube, dass das Signal bei den Autobauern angekommen sei.

Die Kompromisse der Nacht dürften weniger von Sympathie getrieben gewesen sein als von blanker Panik angesichts weiter abschmierender Umfragewerte für CDU, CSU und SPD. Bis auf 7,5 Punkte ist die AfD an die Union in der jüngsten INSA-Umfrage von Anfang Oktober herangerückt. Die SPD liegt 2,5 Punkte hinter den Rechtspopulisten. Katastrophal für beide Seiten sei das, heißt es in der Koalition.

Als "letzte Chance", das Ruder vor den so wichtigen Landtagswahlen in Bayern in knapp zwei Wochen und in Hessen Ende Oktober doch noch herumzureißen, werden in Unionskreisen die aktuellen Koalitionskompromisse beschrieben. "Es war höchste Zeit, dass man den Bürgern Ergebnisse liefern konnte."

Auf SPD-Seite regiert das Prinzip Hoffnung. Und doch könnte es am Ende ein wenig so laufen wie im Fall des umstrittenen Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen, der fast zum Staatssekretär aufgestiegen wäre. Viel gefordert, wenig erreicht.

Kein Steuergeld für Kaufprämien

Beim Diesel-Thema haben sich die Genossen als Anwalt der Autofahrer mit kleinem Einkommen profiliert. Doch nun gibt es nur den Wunsch an die Hersteller, die Nachrüstung eines Euro-5-Diesel-Autos zu finanzieren, sofern das System "verfügbar und geeignet ist, um den Stickoxidausstoß auf weniger als 270 Milligramm je Kilometer zu reduzieren". Am Ende könnte es gerade bei der Nachrüstung neuen Ärger geben.

Aus Gerechtigkeitsgründen gegenüber den anderen Autofahrern hat Finanzminister Olaf Scholz (SPD) eine rote Linie gezogen: Kein neues Steuergeld für Kaufprämien oder Nachrüstungen. Das engt den Spielraum ein. SPD-Chefin Andrea Nahles steht zudem schwer unter Druck – die Wahlen in Bayern und Hessen könnten mit großen Pleiten enden.

Mangels Alternativen dürfte sich bei der SPD danach zwar personell wenig ändern. Doch der Druck für ein Aufkündigen der Koalition könnte weiter steigen, wenn nach der AfD auch die Grünen in Umfragen vorbeiziehen. Sollte danach auch die Europawahl im Mai schlecht enden, könnte nach Meinung eines einflussreichen Sozialdemokraten der Parteitag in rund einem Jahr zum Scherbengericht werden – und zum Ende der ungeliebten Koalition. Merkel weiß das. Nicht umsonst hatte sie kürzlich ihre bis dahin klar ablehnende Position gegen Hardware-Nachrüstungen aufgeweicht.

"Unser Problem heißt Horst Seehofer"

So groß in der CSU vor dem Koalitionsausschuss die Aufregung war, so unspektakulär sind am Tag danach die Reaktionen. Ministerpräsident Markus Söder spricht vorsichtig von "richtigen Grundsignalen" aus Berlin. Seit Monaten betont die CSU bei jeder Gelegenheit, wie sinnlos Fahrverbote seien und wie unverzichtbar die Autoindustrie für den Wohlstand. Selbst die Einigung zu den Fachkräften kommt im Kern gut an – letztlich deckt sie sich mit der gängigen Praxis im Freistaat, nach der gut integrierte Pflegekräfte bessere Chancen für eine Zukunftsperspektive haben. Straftätern und nicht Integrationswilligen droht schnelle Ausweisung oder Abschiebung.

Also alles eitel Sonnenschein? Nein. Die Umfragen sorgen weiterhin für Druck im Kessel. Darauf angesprochen, klingen die Antworten einiger CSU-Vorstände in etwa so: "Unser Problem heißt seit Wochen Horst Seehofer." Der Parteichef habe sich seit dem Wechsel nach Berlin vollkommen von der Basis entfernt, lebe und agiere wie ein freies Radikal in der Berliner Blase.

Verwendete Quellen
  • dpa
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