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Armin Laschet und Annalena Baerbock: Die schwarz-grüne Zweckhochzeit


Schwarz-grünes Bündnis
Die Zweckhochzeit


23.04.2021Lesedauer: 6 Min.
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Armin Laschet und Annalena Baerbock: Passt das?Vergrößern des Bildes
Armin Laschet und Annalena Baerbock: Passt das? (Quelle: Montage:t-online/imago-images-bilder)

Kaum sind die Kanzlerkandidaten verkündet, träumt schon mancher von einem Bündnis der Union mit den Grünen. Doch der Weg dorthin ist noch sehr weit. Zu weit?

Es ist Dienstag letzter Woche, als Armin Laschet glaubt, er müsse jetzt mal etwas klarstellen. Gerade läuft die Fraktionssitzung von CDU und CSU, Laschet sitzt mit seinem Kontrahenten Markus Söder vor den Bundestagsabgeordneten. Zu diesem Zeitpunkt wollen beide Kanzlerkandidat der Union werden. Und gleich zu Beginn sagt Laschet: "Wir dürfen nicht noch grüner sein als die Grünen!"

Laschet gilt in der CDU als eher liberaler Politiker. Als jemand, der dem linken Parteiflügel zuneigt und damit im Zweifel eher den Grünen als der CSU. Gerade deshalb sind solche Sätze von ihm kein Zufall. Mit seiner Attacke versucht Laschet, politisch Boden zu gewinnen.

Politiker wie Markus Söder oder Friedrich Merz, die vielen als konservative Haudegen gelten, haben Warnungen vor den Grünen eher selten nötig, sie stehen ohnehin nicht im Verdacht, eine übergroße Nähe zu Ökobewegungen zu pflegen. Für den politisch mittig positionierten Laschet sind solche Attacken ein Instrument, um zu zeigen: Ich bin nicht so links, wie ihr glaubt.

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Einen leichten Weg gibt es nicht

Es wird nicht die letzte Attacke bleiben, der Wahlkampf dürfte ungemütlich werden – auch wenn die Kontrahenten sich eine faire Auseinandersetzung versprochen haben.

Armin Laschet ist frisch gewählter Kanzlerkandidat der Union und will unbedingt regieren. Annalena Baerbock, die Grünen-Kanzlerkandidatin, will ebenfalls unbedingt regieren. Welche Partei wirklich stärkste Kraft bei der Bundestagswahl wird, ist offen.

Klar ist dagegen, dass eine der realistischsten Regierungsoptionen ab dem Herbst Schwarz-Grün sein dürfte. Oder Grün-Schwarz. Seit Monaten wird auch in den Parteien intern mit der Möglichkeit eines solchen Bündnisses gerechnet.

Es wäre der dritte Anlauf für eine Bundesregierung, an der Union und Grüne beteiligt sind: 2005 scheiterten Sondierungen für ein Bündnis aus Union, Grünen und FDP rasch, 2013 tauschten sich CDU/CSU und Grüne ebenfalls erfolglos aus. Und das Scheitern von 2017 für ein Jamaika-Bündnis ist inzwischen legendär.

Damals waren sich alle Beteiligten einig: Beim nächsten Mal muss es klappen. Ob zu dritt, oder eben mit Union und Grünen.

Doch nicht nur an den rhetorischen Angriffen von Armin Laschet zeigt sich: Einen leichten Weg dorthin gibt es nicht. Inhaltlich nicht, aber auch strategisch nicht.

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Von Castor-Blockierern und Lackschuhträgern

Dass sich gerade nicht nur die Union maximal von den Grünen absetzt, sondern umgekehrt die Grünen auch von der Union, scheint auf den ersten Blick widersprüchlich: Warum erklären sich Parteien, die nach der Wahl aufeinander angewiesen sein könnten, um zu regieren, wechselseitig zum Hauptgegner?

Die Absetzbewegungen haben einen realen, historisch gewachsenen Kern. Die Castor-Blockierer im Schotter der Gleisbetten konnten noch nie viel mit den Lackschuhträgern anfangen, die die Atomkraftwerke betrieben haben. Doch Castor-Blockierer geben bei den Grünen schon länger nicht mehr den Ton an. Und die Lackschuhträger setzen inzwischen selbst auf erneuerbare Energien. Schon deshalb, weil es ein gutes Geschäft ist.

Kulturell und inhaltlich sind sich Grün und Schwarz also näher als je zuvor.

Trotzdem ist das mit der gegenseitigen Erklärung zum Hauptgegner eine kluge Strategie: Wahlkampf lebt von Polarisierung – und die benötigt zwei Pole. Indem Union und Grüne so tun, als gehe es um eine Richtungsentscheidung für das Land, die je nach Wahlergebnis so oder so ausfällt, wollen sie möglichst viele Wähler auf die eine oder andere Seite ziehen.

Der Verlierer dieser Taktik heißt: Olaf Scholz, der für seine SPD eigentlich auch ganz gerne Kanzler werden würde. In der Rhetorik der Grünen ist die SPD deshalb auch vom Koch zum Kellner geschrumpft. Zu Zeiten von Kanzler Gerhard Schröder war das noch umgekehrt.

Als ebenbürtigen Konkurrenten sehen die Grünen die SPD nun nicht mehr. Sondern nur noch als Partei, mit der sie "inhaltlich die meisten Übereinstimmungen" haben. Die ihnen aber auch nicht gefährlich wird, so der Subtext.

Das Ergebnis der Schwarz-Grün-Polarisierung ist eine Scholz-SPD, die seit Monaten bei 15 Prozent festklebt.

Der anständige Herr Laschet

Ein Kanzlerkandidat Armin Laschet schadet der Annäherung zwischen Grün und Schwarz nicht gerade, trotz der behaupteten Gegnerschaft. Schon die grünen Glückwünsche nach Laschets Nominierung lassen das erkennen.

"Was mich freut: Bei dir weiß ich, dass der Wahlkampf gegeneinander fair und nicht auf Kosten des Zusammenhalts ausgetragen wird", duzte der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir auf Twitter in Richtung Laschet. "Ich finde Sie anständig und schätze Ihre charakterliche Integrität", siezte der Grünen-Finanzexperte Danyal Bayaz – nicht weniger freundlich.

Als Laschets schmerzvoller Machtkampf gegen Söder noch nicht entschieden war, sprang ihm sogar Grünen-Chef Robert Habeck auf einer Pressekonferenz bei – ohne, dass er danach gefragt worden wäre. "Die Häme, die Armin Laschet in Person entgegengeschlagen ist", der schnelle Umschwung von Achtung zu Verachtung, das sei "doch sehr bedenklich", erklärte Habeck da. Und: "Wir brauchen eine handlungsfähige, konservative Partei."

Selbst für einen Grünen wie Habeck, der für sich in Anspruch nimmt, immer auch das Funktionieren der Demokratie insgesamt im Blick zu haben, sind das zwei bemerkenswerte Aussagen.

Kein Sehnsuchtsort – für viele

Die betonte Hauptgegnerschaft entlastet die Grünen nun auch vom Vorwurf, es laufe ja ohnehin alles auf Schwarz-Grün oder Grün-Schwarz zu. Dieser Vorwurf ist gefährlich für sie, weil eine Koalition mit der Union für ihr großes linkes Wählermilieu kein Sehnsuchtsort ist.

Auch in der Partei gibt es natürlich Politiker, die für Rot-Rot-Grün oder eine Ampelkoalition aus Grünen, SPD und FDP sind. Und auch welche, die warnen, dass Schwarz-Rot nach wie vor die wahrscheinlichste Option sei. Aber es gibt eben auch führende Köpfe, die länger überlegen müssen, wenn sie vor die Wahl gestellt werden: Schwarz-Grün als Juniorpartner oder eine Dreierkonstellation mit grüner Kanzlerin. Um dann maximal unverbindlich zu antworten: Käme auf die Inhalte an.

Das liegt sicher auch am Reiz des Neuen und der leichteren Kompromissfindung bei nur zwei Partnern. Doch eine Koalition mit der Union passt auch wie keine andere zum Anspruch der Grünen, "Bündnispartei" sein zu wollen, also verschiedene gesellschaftliche Gruppen zusammenzubringen und so Ausgleich statt Spaltung zu organisieren. Parteichef Habeck hat dem zuletzt ein ganzes Buch gewidmet.

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Dass sich bei vielen Fragen auch inhaltlich Kompromisse finden lassen, haben Grün und Schwarz schon bei den Verhandlungen einer Jamaika-Koalition 2017 ausprobieren können. Habeck, Baerbock und viele andere führende Grüne verhandelten schon damals mit. Eine Koalition scheiterte letztlich nicht an Union und Grünen, sondern an der FDP, die nicht mehr wollte.

"Ein schwarz-grünes Bündnis wäre alles andere als ein Selbstläufer", sagte Habeck damals nach dem Jamaika-Aus dem "Spiegel". "Trotzdem ist mein Gefühl, dass wir alle einen Lernprozess durchlaufen haben." Beim Thema Landwirtschaft etwa sei es "beinahe idealtypisch gelaufen". Der ausgehandelte Kompromiss habe "die Versöhnung von Tradition und Ökologie" widergespiegelt.

Kein Selbstläufer

Ein "Selbstläufer" würde Schwarz-Grün aber natürlich wirklich nicht. Es gibt durchaus einflussreiche Grüne, die erwarten, dass die Union letztlich doch lieber weitermachen wolle mit der SPD, wenn sie irgendwann mal einen Blick ins Grünen-Programm riskierte.

Und natürlich spielen auch Personen eine Rolle. Markus Söder säße jetzt als CSU-Chef offiziell mit am Verhandlungstisch bei Koalitionsgesprächen. Noch heute erzählt man sich in der Grünen-Führung, wie Söder bei den Jamaika-Verhandlungen Kompromisse per SMS aus München torpediert habe. Dabei war er im Streit mit dem Damals-Noch-CSU-Chef Horst Seehofer gar kein offizieller Teil der Verhandlungsdelegation der Partei. Nun säße ein Söder dabei, der gerade einen Machtkampf gegen Laschet verloren hat.

Und dem gewisse Rachegelüste nicht fremd sind.

Armin Laschet wiederum kennt die Grünen ebenfalls schon aus den Jamaika-Verhandlungen. Er war damals Wortführer der CDU in den Verhandlungen beim Thema Energie. Und es knirschte gewaltig. Laschet sagte an einem Punkt der Verhandlungen: "Wenn Braunkohlewerke in der Lausitz schließen und das die Erwerbsgrundlage für Tausende Menschen entzieht, dann haben Sie demnächst 30 Prozent AfD."

Die Grünen wollten etwa 20 Braunkohlewerke schließen – und bis zum Jahr 2030 komplett aus der Kohleenergie aussteigen. Auch die FDP hatte Laschet damals an seiner Seite. Zu einer Einigung kam es nicht mehr, weil FDP-Chef Christian Lindner die Verhandlungen platzen ließ.

Doch auch diesmal wären die Energieversorgung und die Umweltpolitik Streitpunkte für eine mögliche schwarz-grüne Koalition. Laschet droht eine politische Zwickmühle. Einerseits kann er sich gut ein Bündnis mit den Grünen vorstellen, andererseits kann er seine Basis nicht völlig vergraulen. Und in der CDU galt eben lange: Lieber Arbeitsplätze retten als Emissionen senken.

Diese Devise bröckelt allerdings zunehmend. Parteiintern hat sich kürzlich die sogenannte "Klima Union" formiert. Eine Gruppe von Politikern, die sich das Ziel von maximal 1,5 Grad Erderwärmung gesetzt hat. Noch vor zehn Jahren hätten bei solchen Vorschlägen die meisten CDU-Politiker irritiert-lächelnd den Kopf geschüttelt.

Armin Laschet wäre nicht unbedingt darunter gewesen. Er hatte früh eine Nähe zu den Umweltschützern. Bekannt ist mittlerweile die sogenannte "Pizza-Connection". Laschet traf sich um die Jahrtausendwende immer wieder mit grünen Politikern in einem italienischen Restaurant.

Der gleiche Armin Laschet, der heute davor warnt, "nicht grüner als die Grünen" zu werden.

Er tut das aber eben vor allem aus strategischen Gründen. Wie viele betrachtet er den Erfolg der Grünen mit Sorge. In der Parteispitze haben mittlerweile viele erkannt, wie wichtig das Thema Umwelt ist, um von einem breiten Teil der Bevölkerung gewählt zu werden. Ein Bündnis mit den Grünen, so heißt es intern, könnte positiv auf die CDU abfärben: Seht her, wir regieren mit den Klimaschützern.

Ganz so weit ist man aber dann doch nicht.

Verwendete Quellen
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