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Union im Umfragetief: Ist mit Armin Laschet das Kanzleramt verloren?


Union im Umfragetief
Die Panik vor dem Machtverlust


Aktualisiert am 07.05.2021Lesedauer: 6 Min.
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Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen bei einer Kundgebung: Reicht das, um Kanzler zu werden?Vergrößern des Bildes
Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen bei einer Kundgebung: Reicht das, um Kanzler zu werden? (Quelle: imago-images-bilder)

In immer mehr Umfragen ziehen die Grünen an der Union vorbei. Und der Kanzlerkandidat stolpert auch noch in seinen Wahlkampf. Viele in der CDU fürchten, dass mit Armin Laschet das Kanzleramt verloren ist.

Arnold Vaatz ist ein ausgeglichener Mann. So ausgeglichen, dass der 65-jährige CDU-Bundestagsabgeordnete von Kollegen gern als "Ruhepol" bezeichnet wird. Doch am Dienstag um kurz vor 17 Uhr in der Fraktionssitzung, da brach selbst aus Vaatz die Wut heraus: "Die Öffentlichkeit weiß ganz genau, dass wir nahezu alle Positionen der Grünen übernommen haben. In Ostdeutschland fragen sich die Leute, ob sie zwei grüne Parteien brauchen oder ob eine reicht." Einige Kollegen zuckten zusammen, die "Bild"-Zeitung berichtete groß über die Tirade.

Die Wut von Arnold Vaatz richtete sich gegen den Kurs der Union insgesamt. Doch indirekt war es auch eine zielgenaue persönliche Attacke: gegen Armin Laschet, den Parteichef. Er war der Sitzung aus seinem Büro zugeschaltet. Teilnehmer berichten, Laschet sei die Ruhe selbst gewesen, habe ein wenig geraucht und nebenher ein paar Akten unterschrieben. Daneben wirkte die Fraktionssitzung wie ein Hintergrundprogramm für ihn.

Laschet, glauben inzwischen viele Unionsabgeordnete, verliere langsam den Blick für die Prioritäten.

Dass Arnold Vaatz ausgerechnet jetzt der Kragen platzt, ist kein Zufall. Denn mit jedem Tag wird deutlicher, dass die Nominierung von Laschet kein Rückenwind ist, sondern eher eine steife Brise, die der Partei entgegenbläst.

Wie soll dieser Kandidat die Stimmung drehen?

Umfragen, die das zeigen, gab es bereits einige. Doch zwei Erhebungen gelten als besonders renommiert: der ARD-Deutschlandtrend und das ZDF-Politbarometer. Entsprechend genau werden sie beobachtet. Doch die Hoffnung, die manch einer in der Unionsspitze gehabt haben mag, dass alles doch nicht so schlimm ist, hat sich erledigt.

Am Donnerstagabend vermeldete der Deutschlandtrend: Grüne 26 Prozent, Union nur noch 23. Im "Politbarometer" von diesem Freitagmorgen sieht es für CDU/CSU mit 25 Prozent zwar etwas besser aus, doch auch hier liegen die Grünen mit 26 Prozent vorn.

Damit ist jetzt auch dem letzten Zweckoptimisten klar: Die Lage ist ernst. Die Pessimisten sind da schon ein paar Schritte weiter. Sie stellen sich die Frage: Wie soll dieser Kandidat die Stimmung bis zur Bundestagswahl im September eigentlich drehen?

Das Hauptproblem des Kanzlerkandidaten ist sein Image. Immer noch gilt Laschet als der Mann, der in der Corona-Krise zu früh lockerte und dann doch wieder einen Lockdown verhängen musste. Er ist immer noch der Politiker, der die Menschen nicht begeistern kann. Und der sehr oft unsichtbar bleibt. Ein Mitglied der Fraktionsführung sagt t-online: "Es ist unglaublich. Seit Tagen hört man von ihm praktisch nichts. Eigentlich müsste er sich mindestens einmal pro Woche in eine Talkshow setzen und zusätzlich ein Zeitungsinterview geben. Es ist doch Wahlkampf!"

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Allmählich läuft ihm die Zeit davon

Andere Parteimitglieder stöhnen nur, wenn man sie auf Laschet anspricht: "Ach, der Armin!" Der Armin kennt diese Stimmung genau. Und er hat sich ein Rezept dagegen ausgedacht. Statt in Talkshows setzt er sich abends lieber in Videokonferenzen: Fast wöchentlich spricht er mit verschiedenen CDU-Kreisvorsitzenden der einzelnen Bundesländer. Erst mal, findet Laschet, müsse er die eigenen Reihen schließen. Dann könne er auch gestärkt in der Öffentlichkeit auftreten.

Nur: Allmählich läuft ihm die Zeit davon. Ende Juni beginnen in den ersten Ländern bereits die Sommerferien dann zählt für die meisten Bürger vor allem der Urlaub in der Sonne. Und nicht, ob Laschet noch ein Statement mehr oder weniger abgibt.

Ein Mann, der von der mangelnden Begeisterung in der Bevölkerung erzählen kann, ist Norbert Altenkamp. Altenkamp war 14 Jahre lang Bürgermeister des Städtchens Bad Soden am Taunus, erst seit 2017 sitzt er im Bundestag. Er weiß, dass Laschet seine Bekannten im Taunus nicht vom Hocker reißt und sagt: "Manchmal ist Politik auch die Kunst des Aushaltens."

Aushalten, das kann Armin Laschet, im Kampf mit Söder um die Kanzlerkandidatur hat er das bewiesen. Doch reicht das jetzt noch? Altenkamp warnt: "An der Basis und bei den Wählern muss Armin Laschet jetzt liefern. Das wird nicht einfach, aber es ist möglich." Er klingt dabei wie einer, der zweifelt.

Die Botschaft: Bislang ungenügende Leistung des Kanzlerkandidaten

Weil er so defensiv auftritt, hat Laschet sein bescheidenes Image zum Teil selbst zu verantworten. Aber Markus Söder trägt ebenfalls einen gehörigen Teil dazu bei. Wäre der CSU-Chef nicht da oder würde er zumindest ein bisschen Rücksicht nehmen, würde der CDU-Chef wohl nicht halb so blass wirken. Doch Söder schweigt nicht nur nicht, er verteilt auch noch Aufträge an Laschet, die nahezu unerfüllbar wirken. In einem Interview forderte Söder, dass die Union bei der Wahl um die 35 Prozent holen solle. Mindestens. Und mit mutmaßlich nicht allzu freundlichem Hintergedanken fügt er hinzu: "Armin Laschet kann und wird für uns die Wahl entscheiden."

Die Unzufriedenheit in der CSU ist groß. Viele glauben, dass man mit Armin Laschet den falschen Kandidaten gewählt hat. Und sagen das, mal mehr, mal weniger deutlich auch.

Das Zündeln von Söder und seinen Leuten ist auch deshalb für die Union so gefährlich, weil Laschet den Kampf um die Kanzlerkandidatur nur knapp gewonnen hat. Durch Söders Attacken nährt dieser immer wieder den Glauben bei seinen Fans, er wäre der bessere Kandidat gewesen. So wirkt die Union immer noch wie ein zerstrittener Haufen.

Die CDU warnt vor den Grünen als Verbots-Partei

Letzte Woche offenbarte sich ein weiteres Problem für Armin Laschet: Am Donnerstag kippte das Bundesverfassungsgericht das Klimagesetz der Bundesregierung: Nachkommende Generationen würden überproportional belastet, das sei ungerecht. Es war eine Ohrfeige für die Klimapolitik der Bundesregierung, die von der CDU geführt wird.

Ausgerechnet jetzt. Denn für Laschet ist die Lage besonders verzwickt: Die Grünen sind der Hauptgegner. Doch ausgerechnet deren Kernthema, der Klimawandel, könnte das entscheidende Thema des Wahlkampfs werden.

Die CDU versucht sich daher gern in der Warnung vor der grünen Verbots-Partei. Auch Fraktionsvize Linnemann sagt im t-online-Interview: "Hauptsache, es werden keine Grillwürste mehr verspeist und jeder Deutsche fährt Elektroauto." Dabei hat ausgerechnet die Union in der Corona-Krise offenbart, wie schnell sie selbst mit Verboten hantiert.

In Laschets Lager glaubt man, dass der Hype sich schon bald legen und Annalena Baerbock Fehler machen werde. Doch überzeugt ist man in der CDU nicht. Am Mittwoch tauchte plötzlich ein internes Papier mit einer Analyse des Grünen-Wahlprogramms auf: "Das erinnert an einen Fliegenpilz: Sieht schön aus, ist aber ungenießbar." Es wirkt, als wolle die Partei ihren Mitgliedern Sprachregelungen vorgeben, wie sie etwa die Fragen von Journalisten parieren sollen. Doch vor allem zeigt das Papier: In der Union geht die Angst um.

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Der Spagat, den er bewältigen muss, ist weit

Um irgendwie wieder in die Offensive zu kommen, sehen viele nur einen Ausweg: Laschet müsse eine Art Schattenkabinett präsentieren. Politiker aus CDU und CSU, die für verschiedene Themen stehen und so von den Schwächen des Spitzenkandidaten ablenken.

Uwe Feiler, Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, macht schon mal Druck: "Ich würde mir wünschen, dass Laschet jetzt ein Team präsentiert, mit dem wir in den Wahlkampf können." Lediglich Friedrich Merz wurde von Laschet bislang benannt. Und selbst diese prestigeträchtige Personalie verkündete er in einer Videositzung mit dem Landesverband von Baden-Württemberg. Weitere Namen für das Team sind Norbert Röttgen, Julia Klöckner, Parteivize Silvia Breher und die stellvertretende Fraktionschefin Nadine Schön.

Und dann muss Laschet sich auch noch um andere Köpfe kümmern, die Ärger machen können. So wie der ehemalige Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen, der in Thüringen Direktkandidat für die Partei ist und sich in der Vergangenheit nicht klar von der AfD distanziert hatte. Der Spagat, den Laschet bewältigen muss, ist weit.

Mitte Juni wird die Union dann auch ihr Wahlprogramm präsentieren. Staatssekretär Feiler sagt: "Die Vorbereitungen dafür laufen schon, doch jeder Tag, den wir verlieren, ist schlecht."

Allmählich freunden sich einige in der Union mit dem Gedanken an, dass das Kanzleramt für die Partei nicht zu retten ist. Das Undenkbare, so scheint es, wird denkbar. Am Donnerstag enthüllte die "Süddeutsche Zeitung", dass Laschet die Wahl des neuen CDU-Chefs in Nordrhein-Westfalen bis nach der Bundestagswahl hinauszögern will. Man weiß ja nie. Doch ein Kandidat, der selbst an seinem Sieg zweifelt, wird die Zweifler kaum überzeugen.

Schon machen Überlegungen die Runde, ob nicht doch noch Friedrich Merz als Kandidat einspringen könnte. Beim einflussreichen "Parlamentskreis Mittelstand" diskutierten am Mittwochabend 43 Abgeordnete die großen Themen: Finanzen, Arbeitsmarkt, Energie. Es wäre ein klassischer Termin für den Parteichef gewesen, um Skeptiker zu überzeugen und auf Kurs zu bringen.

Doch der Mann, der den Kurs für den Wahlkampf vorgab, hieß an diesem Abend nicht Armin Laschet. Sondern Friedrich Merz.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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