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Tagesanbruch: Erdogan küsst Özil, Europa brennt, Juncker trifft Trump


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Ruediger Schmitz

Aktualisiert am 25.07.2018Lesedauer: 6 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Recep Tayyip Erdogan mit llkay Gündogan, Mesut Özil und Cenk TosunVergrößern des Bildes
Recep Tayyip Erdogan mit llkay Gündogan, Mesut Özil und Cenk Tosun (Quelle: Kayhan Ozer/Presidential Palace/Reuters-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Tag drei nach dem Beben: Die Özil-Welle ebbt langsam ab. Jetzt geht es nur noch am Rande um den Fußballer Mesut Özil, jetzt übernimmt die Politik.

Die europäische Presse schreibt viel über Rassismus im deutschen Fußball im Besonderen und in Deutschland im Allgemeinen, Außenminister Heiko Maas versucht, mit markigen Worten jedes Anzeichen mangelnder Integration wegzureden: "Ich glaube nicht, dass der Fall eines in England lebenden und arbeitenden Multimillionärs Auskunft gibt über die Integrationsfähigkeit in Deutschland."

Und auch Angela Merkel hat etwas gesagt und gleichzeitig eigentlich nichts gesagt.

Der türkische Ministerpräsident Erdogan hat sich ebenfalls zu Wort gemeldet: "Es ist unmöglich, diese rassistische Gesinnung gegenüber einem jungen Mann zu akzeptieren, der so viel Schweiß für den Erfolg der deutschen Nationalmannschaft gegeben hat. Das ist nicht zu tolerieren", diktierte er Medienvertretern nach einem Telefonat, das er nach eigener Aussage mit Özil geführt hat.

Dessen Rücktritt begrüßte er mit blumigen Worten: "Seine Haltung ist national und patriotisch. Ich küsse seine Augen."

Erdogans Freude ist verständlich, ihm hätte gerade nichts Besseres passieren können. Die Debatte um Özil wird nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa wahrgenommen. So hat die Türkei auf einmal doch noch Chancen, die EM 2024 ausrichten zu können.

Noch vor zwei Monaten war die Türkei so gut wie chancenlos gegen Deutschland. Jetzt werden die Karten neu gemischt. Die Uefa achtet gerade genau darauf, was sie da aus Deutschland über das Thema Rassismus hört. Es würde Deutschland helfen, beim DFB reinen Tisch zu machen. Das aber geht so kurz vor der Entscheidung auch schlecht.

Aus Özil, dem Sportler, ist Özil, das Symbol geworden. Jeder versucht ihn für seine Zwecke zu vereinnahmen.

Die Uefa wird am 27. September entscheiden, wer die EM ausrichten darf.

Aus dem Kreise der DFB-Verantwortlichen dagegen meldet sich niemand. Nicht einmal der Mann, dessen Schützling Özil war. Warum – und wie lange? – schweigt Jogi Löw noch?

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"Flammeninferno", "Hölle", "Schutt und Asche im Großraum Athen": Die Schlagzeilen der griechischen Presse beschreiben das Ausmaß der Feuersbrunst in ihrer ganzen Wucht. Und selbst diese dramatischen Worte können das Grauen kaum erfassen – bislang kamen bei den verheerenden Waldbränden im dicht bewohnten Feriengebiet im Osten und Westen von Athen mehr als 70 Menschen ums Leben, 150 wurden verletzt.

Dutzende werden noch vermisst, das Feuer hinterlässt in vielen Orten nur verkohlte Häuser und ausgebrannte Autos. Viele Menschen sind auf der Flucht, darunter auch Touristen, die sich teilweise ins Meer vor den Flammen flüchteten.

Die Griechen sind Waldbrände gewohnt, aber trotzdem fragen sich viele, wie es dieses Mal so schlimm kommen konnte. Die Vorzeichen standen schon vor dem Waldbrand schlecht: Es hatte fast zwei Wochen lang nicht geregnet. Überall war das Gras vertrocknet, es herrschten Temperaturen um die 39 Grad Celsius. Am Montag kam dann starker Wind hinzu. Die Regierung unter Ministerpräsident Tsipras möchte die Ursachen klären. Ein schwacher Trost für die Opfer.

Die EU spricht von finanzieller Hilfe, mehrere Länder entsendeten Löschflugzeuge und Hilfstruppen. Auch in Schweden und Lettland brennen die Wälder, der Qualm ist bis ins Weltall zu sehen, erklärt die Weltraumbehörde Esa. In den nächsten Tagen könnte zumindest in Griechenland das Wetter mithelfen, die Flammen in den Griff zu kriegen: Am Mittwoch soll es stark regnen.

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Der Verfassungsschutz hat gestern seinen Bericht für 2017 vorgelegt. Der größte Aufreger ist gleichzeitig die größte Schein-Nachricht: Im Vorjahr zählten die Verfassungsschützer noch 10.000 Reichsbürger, jetzt schon 16.500.

Wächst die Szene also, wie in einigen Medien vermeldet wurde? Nein, nicht unbedingt. Der Geheimdienst schaut nur genauer hin, hat aber nach eigener Auskunft immer noch kein volles Bild der Szene.

So ist es mit einigen Teilen des Berichts: Man lernt vieles, aber entscheidende Informationen fehlen. Was im Bericht steht und was nicht, hat mein Kollege Jonas Schaible für Sie zusammengetragen.

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"Wäre, wäre, Fahrradkette", weiß Sprachakrobat Lothar Matthäus. Was-wäre-wenn-Gedankenspiele sind müßig. Trotzdem lohnt es sich vielleicht, darüber nachzudenken, wie unsere Welt heute aussehen würde, wenn die USA in den Fünfzigerjahren nicht den Schah von Persien als willige Marionette genutzt hätten, um ihren Ölhunger zu decken. Wenn sie dafür nicht den demokratisch gewählten Präsidenten aus seinem Amt entfernt hätten.

Wäre der Westen dann heute auch das große Feindbild der Region? Wäre der islamistische Terror so stark, wie er es heute ist?

Mein Kollege Ali Roodsari hat die lange Geschichte der Feindseligkeiten zwischen den beiden Staaten in unserem Format "Hintergrund" für Sie aufbereitet – von der "Operation Ajax", bei der 1953 der iranische Ministerpräsident Mohammed Mossadegh entmachtet wurde, bis zum Atomabkommen von 2015.

Roodsari hat Nahostwissenschaften in München studiert und familiäre Wurzeln in Iran. "Die gesellschaftlichen Entwicklungen resultierten letztendlich in der iranischen Revolution von 1979", analysiert er. "Der Schah und seine Monarchie wurden gestürzt und durch Ajatollah Khomeini und die islamische Republik ersetzt." Den kompletten Text lesen Sie hier.

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WAS STEHT AN?

Vor zwei Monaten erregte das ungewollte Karriere-Aus der polnischen Juristin Malgorzata Gersdorf großes Aufsehen. Die Präsidentin des Obersten Gerichtes der Republik Polen war zwangspensioniert worden. So wie ihr ging es 27 von 72 Richtern – was von Kritikern so gedeutet wurde, dass die Regierung unliebsame Richter loswerden wollte.

Auf einem juristischen Umweg könnte nun geklärt werden, wie rechtsstaatlich die polnische Justiz unter Staatspräsident Andrzej Duda tatsächlich noch ist.

Drei mutmaßliche polnische Drogenkriminelle wehren sich in Irland gegen die Auslieferung auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls nach Polen – mit der Begründung, sie hätten dort kein faires Verfahren zu erwarten. Der irische High Court bat den Europäischen Gerichtshof in einem Eilverfahren um Rat.

Die irischen Richter erwarten wohl, die Kriminellen nicht ausliefern zu müssen: In ihrer Anfrage formulierten sie, dass es Beweise gebe, dass das polnische "Justizsystem nicht mehr im Einklang mit dem Rechtsstaatsprinzip steht". Heute verkündet der EuGH seine Entscheidung.

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Auch in einem anderen Fall, nicht ganz so schwerwiegend, entscheidet der EuGH heute. Und zwar, ob der vierrippige Schokoriegel Kitkat europaweit geschützt werden kann. Dafür muss er nämlich in jedem Land erkennbar sein.

Das ist dem Kitkat-Hersteller aber nur in Deutschland, Frankreich, Spanien und den Niederlanden gelungen. In Belgien, Irland, Griechenland und Portugal dagegen sei die Erkennbarkeit nicht nachgewiesen, findet Konkurrent Mondelez, und beantragt die Löschung der Marke. Der Streit zieht sich jetzt seit mehr als zehn Monaten, Pardon: Jahren hin.

Das Euipo, also das EU-Amt für geistiges Eigentum, habe es sich zu einfach gemacht, argumentiert Mondelez, woraufhin … ach, wissen Sie was: Ich verweise in dieser wunderschönen Nacht einfach auf die Urteilsverkündung am späten Vormittag und denke einen Augenblick darüber nach, ob man die Zeit und Energie der hoch bezahlten Juristen, die in diesem Prozess steckt, nicht auch anders hätte nutzen können. Zum Beispiel, um sich ein wenig mit der Wohnungsnot zu beschäftigen, mit der sozialen Spaltung in diesem Land, dem Massenbetrug der Autohersteller oder dem Geschäftsgebaren der Internetkonzerne.

Oder sich ein paar gute Ratschläge für EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker auszudenken, der heute Abend in Washington Donald Trump trifft, um die transatlantischen Handelsbeziehungen zu verbessern. Darüber dann mehr im nächsten Tagesanbruch.

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WAS LESEN?

In diesen sommerlichen Tagen reden viele über die Temperaturen. Auch meine Kollegin Stefanie Schlünz beschäftigt sich in ihrer Sprachkolumne "Die Orthografin" diese Woche unter anderem mit diesem Thema und erfüllt damit den Wunsch mehrerer Leserinnen und Leser: "Von heißen Temperaturen – oder wenn der Verstand baden geht". Ihren Text können Sie heute Vormittag auf unserer Seite lesen.

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WAS AMÜSIERT MICH?

Bei all dem Hickhack um Özil und den DFB vergisst man schon mal, dass Fußball nicht ohne Grund der beliebteste Sport der Welt ist. Um sich daran zu erinnern, genügt es, sich sechseinhalb Minuten Maradona anzuschauen. Den alten Maradona, wohlgemerkt. Also, den jungen. Den, der als Spieler die unglaublichsten Tore schoss und mit seinen Gegnern machte, was er wollte. Die Magie dieser Szenen erklärt sich auch daraus, dass die Aktionen sich in der jeweiligen Situation erst ergaben – da war nichts geplant oder einstudiert. 18 Millionen Zuschauer hatte der Clip bereits. Trotz Anti-HD. Viel Vergnügen!

Ich wünsche Ihnen einen entspannten Mittwoch

Ihr Rüdiger Schmitz-Normann
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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