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Tagesanbruch: Reinhard Grindel, der Donald Trump des deutschen Fußballs?


Was heute wichtig ist
Grindel, der Donald Trump des deutschen Fußballs?

MeinungVon Florian Wichert

Aktualisiert am 25.03.2019Lesedauer: 8 Min.
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
DFB-Präsident Reinhard Grindel.Vergrößern des Bildes
DFB-Präsident Reinhard Grindel. (Quelle: Christian Schroedter/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages – heute von mir als Stellvertreter von Florian Harms:

WAS WAR

"Ich habe manchmal das Gefühl, dass er der Donald Trump des deutschen Fußballs ist. Ein Populist par excellence." (Ex-DFB-Pressesprecher Harald Stenger im "Doppelpass")

"Es gibt beim DFB leider Funktionäre, die sich wichtiger finden als das Große und Ganze." (Rekordnationalspieler Lothar Matthäus)

"Er genießt es, bei den Großen dabei sein zu dürfen, den Verantwortlichen der Nationalmannschaft und der Bundesliga. Für die Großen ist er aber ein ganz Kleiner, der nur mitspielen darf, weil er den Ball mitgebracht hat." (Portrait in der "Rheinischen Post")

Die Rede ist von einem früheren CDU-Bundestagsabgeordneten, der heute das höchste Amt im deutschen Fußball bekleidet: Reinhard Grindel, Präsident des größten Sportverbandes der Welt, des DFB. Grindel hatte eigentlich gerade die heftige Kritik nach dem WM-Desaster 2018 ausgesessen. Zäh wie Karamell klebte er auf seinem Sessel. Nun rollt die nächste Entrüstungswelle über ihn hinweg.

Erneut hat sich der DFB den Ärger selbst eingebrockt – mit einer desaströsen Kommunikationspolitik. Die Fünf-Minuten-Rauswürfe der Nationalspieler Boateng, Hummels und Müller, von denen Grindel zunächst nichts wusste. Bundestrainer Löw, der anschließend versäumte, seinen Schritt zeitnah der Öffentlichkeit zu erklären. Grindel, der Löw dafür kritisierte – und dann zurückruderte. Das führt dann – neben weiteren Fällen – dazu, dass Grindel von keinem Geringeren als dem langjährigen Pressesprecher des DFB mit Trump verglichen wird.

Grindel und Trump also. Das klingt natürlich absurd. Zwei Menschen in ganz verschiedenen Sphären, auf einem ganz unterschiedlichen Niveau, die erst mal gar nichts miteinander zu tun haben. Doch je länger man darüber nachdenkt, desto mehr Parallelen fallen einem zumindest auf.

Beide sind imposante Erscheinungen mit 1,90 (Trump) und 1,92 Meter Größe. Beide sind oder waren Politiker. Beiden werden Geltungssucht und Egoismus vorgeworfen. Beide haben eine äußerst kurze Zündschnur – und ein schwieriges Verhältnis zu Medien. Ein kurzer Faktencheck.

Nervenkostüm: Trump ist für seine Ausraster bekannt – gegenüber Reportern, politischen Gegnern oder sogar seiner Frau, wenn sie den falschen TV-Sender (CNN) schaut. In sozialen Netzwerken oder auf Pressekonferenzen macht er seinem Ärger Luft. Grindel wird beim DFB eine aufbrausende Art nachgesagt. Er ist sicher kontrollierter, brach zuletzt aber ein Interview mit der Deutschen Welle wütend ab, weil ihm die Fragen nicht passten.

Verhältnis zu Journalisten: Beide haben offensichtlich ein schwieriges Verhältnis zu Reportern und Medien. Trump wollte dem CNN-Reporter Jim Acosta die Akkreditierung für das Weiße Haus entziehen und prägte den Begriff "Fake News", mit dem er den Medien eine nicht wahrheitsgemäße Berichterstattung vorwarf. Grindel bewegt sich sicherlich auf einem anderen Niveau. Der alltägliche Umgang von Grindel mit Journalisten gilt aber auch als schwierig – nicht erst seit dem abgebrochenen Interview. Dabei war Grindel einst selbst jahrelang journalistisch tätig, unter anderem als Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios.

Machtstreben: Immobilienmogul, erfolgreicher Unternehmer, US-Präsident – Trumps Biografie war ausgelegt auf Erfolg, Macht, Karriere. Er wollte mehr Erfolg haben als sein Vater – mit allen Mitteln. Grindel ging zunächst in die Politik, um Karriere zu machen. Als er dort nicht weiterkam, versuchte er es im Fußball – und wurde nach dem Skandal um die Finanzierung der WM 2006 ins Präsidentenamt gespült.

Egoismus: Trumps Motto heißt "America first" – viele seiner Vorhaben scheinen allerdings vor allem einem helfen zu können: ihm selbst. Beispiel ist der Mauerbau an der Grenze zu Mexiko. Trump kündigte sogar den Nationalen Notstand an, um seine Interessen durchzusetzen. Beim DFB-Präsidenten scheint das Motto "Grindel first" zu lauten. Er ändert schnell seine Meinung, um in der Öffentlichkeit besser dazustehen – und ignorierte alle Rücktrittsforderungen nach der Weltmeisterschaft 2018.

Geltungsbedürfnis: US-Psychologen behaupten, Trump habe eine narzisstische Persönlichkeitsstörung. Er legt großen Wert auf Statussymbole (Trump-Tower) und staatsmännisches Auftreten. Grindel ist sicher kein Narzisst, ist nicht für übertriebene Statussymbole bekannt. Aber: Er umgibt sich am liebsten mit wichtigen Persönlichkeiten und betont seinen Draht zu Kanzlerin Angela Merkel oder anderen einflussreichen Entscheidern.

Streit mit Sportlern: Trump bekriegt sich seit Jahren mit der NFL, der US-amerikanischen Football-Liga. Diverse Stars protestierten regelmäßig gegen seine Politik, indem sie bei der Nationalhymne vor den Spielen auf die Knie gingen – Trump beschimpfte sie im Gegenzug als "Hurensöhne". Grindel geriet mit Mesut Özil aneinander – rund um dessen Rücktritt aus der Nationalmannschaft. Özil warf Grindel letztlich sogar Rassismus vor.

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Fazit: Es sind nur ein paar Parallelen. Trotzdem klingt der Vergleich des ehemaligen DFB-Pressesprechers nicht mehr ganz so absurd.

Wie lange dürfen Trump und Grindel noch weitermachen? Auch diese Frage begleitet die vergangenen Monate und Jahre der beiden. Grindel will sich im September 2019 zur Wiederwahl als DFB-Präsident stellen, Trump im November 2020 als US-Präsident. Für ihn gab es gerade gestern Abend noch gute Nachrichten: Er ist in der Russland-Affäre entlastet worden. Nicht unwahrscheinlich, dass sowohl Trump als auch Grindel noch länger an der Macht bleiben werden.


Grindel steht weiter in der Kritik, die Nationalmannschaft aber hat gestern Abend einen großen Schritt aus der Krise gemacht. Lesen Sie hier den Spielbericht des 3:2-Sieges im ersten EM-Qualifikationsspiel in den Niederlanden. Und: eine Eins, eine Vier – hier sehen Sie die Noten für die Nationalspieler von Luis Reiß.


WAS STEHT AN?

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Woran denken Sie, wenn Sie an Großbritannien denken?

Lassen Sie mich raten: Sie denken sofort an den Brexit. An Nein-Sager. An eine Politik, die nicht weiß, was sie will – nur, was sie nicht will. An Bilder von Premierministerin Theresa May, die gerade in Brüssel ankommt oder abreist oder vor die Medien tritt. An den Sprecher des Unterhauses, John Bercow, der "Oooorder! Oooooorder!" brüllt. An Massendemonstrationen gegen den Brexit – so wie am Samstag. An Schreckensszenarien. An Schlagzeilen wie "Das Land versinkt im Chaos".

Interessant sind allerdings auch die Dinge, an die Sie vermutlich nicht zuallererst gedacht haben. An das Königshaus, an Meghan und Harry und den Nachwuchs, den sie erwarten. An den neuen James-Bond-Film mit Daniel Craig, der ab April gedreht wird. Wahrscheinlich haben Sie auch nicht an die wunderbare Musik des Engländers Ed Sheeran gedacht – den Weltstar, den wir in Deutschland nicht haben. An den tollen britischen Humor? Haben Sie wahrscheinlich auch eher nicht gedacht. Oder den englischen Fußball, der so stark ist wie seit Ewigkeiten nicht – mit vier Vereinen unter den besten acht verbliebenen in der Champions League. Und mit dem 5:0 der englischen Nationalmannschaft am ersten Spieltag der Qualifikation zur Europameisterschaft 2020 gegen Tschechien.

Eigentlich schade, oder? Und tragisch. Es zeigt, dass die Briten Tag für Tag noch viel mehr verlieren als ihre Zugehörigkeit zur EU. Sie verlieren ihr gutes Image. Ganz Europa macht Witze über den Brexit, verspottet die Briten oder ist nur noch genervt. Und das wird noch lange so weitergehen. Zum Beispiel gleich heute.

Als wären die vergangenen Wochen nicht schon dramatisch genug gewesen, schreiben die Zeitungen in Großbritannien von einer Schicksalswoche für May.

Britische Medien berichten übereinstimmend davon, dass sie zum Rücktritt gezwungen werden soll. Das Kabinett will demnach ihre Ablösung forcieren – heute soll sie damit konfrontiert und anschließend schnellstmöglich ersetzt werden. Ihr Stellvertreter David Lidington oder Umweltminister Michael Gove könnten demnach übernehmen.

An diesem Freitag ist der ursprünglich angesetzte Austrittstermin aus der EU. May steht wenige Tage vorher vor einer dritten Abstimmungsniederlage im Parlament mit ihrem Austrittsabkommen. Zwei Mal, Mitte Januar und Mitte März, war sie damit bereits krachend gescheitert. Die EU stimmte einer Verschiebung des EU-Austritts zu, doch in London scheint die Geduld am Ende.


In Paris findet heute ab 11 Uhr die erste Sitzung der Parlamentarischen Versammlung mit 100 Abgeordneten aus Deutschland und Frankreich statt. Die Versammlung war mit einem Parlamentsabkommen zwischen beiden Ländern vereinbart worden, kann keine bindenden Beschlüsse fassen, aber politische Impulse geben. Das Abkommen unterzeichnen um 10.45 Uhr Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und der Präsident der Nationalversammlung, Richard Ferrand. Ein toller Schritt in Zeiten, in denen mehr politische Partnerschaften in die Brüche gehen als entstehen.


Apple will bei einem Neuheiten-Event heute Abend ab 18 Uhr in Cupertino/Kalifornien voraussichtlich seinen Videostreaming-Dienst vorstellen. Zwei Milliarden Dollar soll der Konzern bereits in eigene Videoinhalte mit Stars wie Reese Witherspoon und Jennifer Aniston investiert haben. Damit wird Apple zu einem direkten Konkurrenten von Netflix und Amazons Videoangebot. Lassen wir uns überraschen.


WAS LESEN?

Wenn die Bundesregierung mit großen schönen Worten ein neues Arbeitsformat ankündigt, ist Skepsis angebracht: Stehen hinter den großen schönen Worten auch echte Maßnahmen? Oder sollen die großen schönen Worte nur ablenken, und eigentlich ändert sich nichts? Das "Klimakabinett" und die "Konzertierte Aktion Mobilität" sind große schöne Wörter, wie Jonas Schaible schreibt. In seiner aufschlussreichen Analyse erklärt er nicht nur, ob sie mehr sind als nur ein Ablenkungsmanöver – sondern auch, dass Kanzlerin Angela Merkel damit faktisch auch zwei Minister zumindest teilweise entmachtet hat.


"Ich habe das Internet kaputt gemacht, ohne etwas davon zu verstehen", steht auf einem Plakat mit einem Foto des jubelnden CDU-Europaabgeordneten Axel Voss, der die umstrittene EU-Urheberrechtsreform mit vorangetrieben hat, über die am Dienstag das Europaparlament abstimmt.

Zehntausende Menschen protestierten am Samstag in diversen deutschen Städten gegen die Reform, die tatsächlich das Internet, wie wir es kennen und nutzen, mit einschneidenden Bestimmungen nachhaltig verändern könnte. Bis dahin machen beide Lager mobil. Auf der einen Seite bei den Demonstrationen, die meine Kollegin Laura Stresing kommentiert hat: "Wer nicht hören will, muss wenigstens hinsehen." Auf der anderen Seite die Politik mit Verschwörungstheorien. Auch die hat meine Kollegin untersucht.


WAS AMÜSIERT MICH?

Pressekonferenzen im Sport werden immer langweiliger. Es sei denn, es mischen sich Kinder und die eigenen Spieler ein – so wie beim ehemaligen Bundesliga-Trainer Ralph Hasenhüttl in England.

Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Start in eine erfolgreiche Woche. Morgen schreibt wie gewohnt Florian Harms den Tagesanbruch, der für Sie diese Woche auch in London sein wird, um die Stimmung bei den Brexit-Briten einzufangen.

Ihr

Florian Wichert
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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