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Tourismus-Expertin: Flug- und Reisepreise werden steigen


Ende der Billigflüge?
"Aus dem Zeitalter des totalen Dumping-Reisens sind wir raus"


Aktualisiert am 05.08.2022Lesedauer: 5 Min.
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Passagiere auf dem Weg zu ihrem Flieger: Gas-, Corona- und Klimakrise lassen auch Flugpreise steigen. (Quelle: IMAGO/Christopher Neundorf)

Neben Lebensmitteln, Strom und Gas wird auch das Reisen immer teurer. Wird Urlaub bald zum Luxusgut, das sich nur noch wenige leisten können?

Endlich wieder Urlaub: Ein Blick an die vollen Flughäfen und in die ausgebuchten Reiseorte zeigt, dass viele Deutsche nach zwei Jahren der coronabedingten Einschränkungen so denken. Doch so günstig wie noch vor der Pandemie ist das Reisen heute nicht mehr – und die Preise werden wohl laut Branchenexperten noch weiter steigen.

"Flugangebote wie: 'Für zehn Euro nach Mallorca' wird es nicht mehr geben", sagt Tourismus-Wirtschaftsexpertin Ina zur Oven-Krockhaus im Gespräch mit t-online. Dazu habe aber auch der intensive Wettbewerb geführt, das sei nicht allein der aktuellen Entwicklung geschuldet.

Ähnlich hatte sich zuletzt auch der Chef des Stuttgarter Flughafens, Walter Schoefer, geäußert. Er hatte ein Ende der extremen Schnäppchen-Flüge vorhergesagt – und machte das auch an der schwierigen Personalsituation in der Branche fest.


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"Preise für Flüge verändern sich aktuell im Sekunden- oder Minutentakt."


Prof. Dr. Ina zur Oven-Krockhaus, Tourismus-Expertin


Billig-Airlines werden weiter bestehen

Interessant ist aber: Sowohl Expertin zur Oven-Krockhaus als auch Flughafenchef Schoefer glauben daran, dass Billig-Airlines weiter bestehen können. "Auf der anderen Seite bietet Ryanair aktuell Flüge für durchschnittlich 37 Euro an – das würde ich durchaus auch als Schnäppchenpreis definieren", sagt zur Oven-Krockhaus. Gerade die "Low-Cost-Airlines" seien im Vergleich zu Linienfluggesellschaften gut durch die Corona-Krise gekommen und könnten auch jetzt noch günstigere Preise anbieten. "Ein Flug wird auch künftig nicht nur noch etwas für Reiche sein", betont sie.

Die Preisanstiege würden eher im mittleren und oberen Segment deutlicher zu spüren sein. "Ich denke, es wird auch in Zukunft noch attraktive Angebote für Reisende geben – aus dem Zeitalter des totalen Dumping-Reisens sind wir raus", erklärt sie, das sei allerdings sozial auch nicht mehr erwünscht.

(Quelle: IU Internationale Hochschule)

Prof. Dr. Ina zur Oven-Krockhaus

Prof. Dr. Ina zur Oven-Krockhaus ist seit 2015 Professorin und Studiengangsleiterin für Tourismusmanagement im Dualen Studium an der IU Internationalen Hochschule. Zur Oven-Krockhaus ist gelernte Reiseverkehrskauffrau, studierte Diplombetriebswirtin und promovierte Kommunikationswissenschaftlerin. Ihr Fachwissen im Bereich Tourismuswirtschaft hat sie unter anderem in verschiedenen Leitungsfunktionen bei Tui erlangt.

Unterschiedliche Faktoren sorgen für Preisanstieg

"Preise für Flüge verändern sich aktuell im Sekunden- oder Minutentakt, da spielen zahlreiche Faktoren mit rein", erklärt die Expertin. "Natürlich sind jetzt in der Hochsaison die Preise extrem hoch – das hat mit Angebot und Nachfrage zu tun." Allerdings spielen auch der Reisehunger nach der Corona-Krise sowie beispielsweise Flughafengebühren eine Rolle.

Die Entwicklung der Öl- und Gaspreise zeige sich im Tourismus allerdings eher als schleichender Prozess. "Fluggesellschaften sichern sich Kerosin durch hedging ab, was bedeutet, dass sie dann den Treibstoff zu einem im Voraus festgesetzten Preis beziehen." Deshalb würden nicht ad hoc höhere Preise für Flüge verlangt.

Aber auch auf anderer Ebene schlägt sich die Gaskrise nieder: Hoteliers müssen jetzt schon für den Winter vorsorgen, wenn Hotelzimmer, Pools und Restaurants beheizt werden müssen und fordern bereits jetzt, da die Nachfrage hoch ist und Kunden bereit sind, in der Feriensaison mehr zu zahlen, höhere Preise für Übernachtungen.


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"Der Bedarf ist jetzt in der Spitzensaison da, sind aber die Ferien vorbei, brauchen die Flughäfen das Personal gar nicht mehr."


Prof. Ina zur Oven-Krockhaus


Die Preiserhöhungen für Flüge kommen der Expertin zufolge aber eher schleichend und hängen auch von Streckenlängen und Klassen ab: Bei Eurowings sollen sich die Flüge ihr zufolge beispielsweise um rund zehn Euro pro Strecke verteuern. Lufthansa hingegen habe schon angekündigt, Economy-Tickets um 30 Euro, Business-Class-Tickets um 100 Euro und First-Class-Tickets um 200 Euro zu verteuern.

Mehr Personal für weniger Chaos am Flughafen?

Wer in den vergangenen Wochen in den Urlaub geflogen ist oder dies noch plant, hat die Chaos-Bilder verfolgt oder sogar selbst erlebt. "Die Airlines wollten die große Nachfrage nach Corona bedienen und haben deshalb zu viele Bälle in der Luft gehabt, von denen nun zu viele wieder zu Boden fallen", sagt Luftfahrtexperte Philipp Goedeking, Gründer der Beratungsagentur Avinomics, t-online. Wozu das geführt hat, wurde in den vergangenen Wochen überdeutlich: Bei den Airlines fehlt es an Personal.

Und auch am Boden herrscht Personalmangel. An den Flughäfen fehlen Fachkräfte für die Abfertigung und im Sicherheitsbereich. Laut Flughafenverband ADV ist dort etwa jede fünfte Stelle unbesetzt, konkret geht es um 5.500 Mitarbeiter, die es derzeit eigentlich noch braucht.

Lufthansa-Mitarbeiter machten ihrem Ärger in einem Brandbrief Luft. "Die Mitarbeiter sind zu Recht aufgebracht", sagt Goedeking dazu. "Was sie gerade abfangen müssen, ist extrem, das geht auf Dauer nicht." Doch treibt das zusätzlich die Preise?

Lohnkosten können sich auf Ticketpreise auswirken

"Die Lohnkosten werden deutlich steigen, dann kommen noch hohe Energiepreise und Umweltauflagen hinzu: Flugtickets werden deutlich teurer", so Goedeking. Dass die Lohnkosten tatsächlich deutlich steigen, will unter anderem die Gewerkschaft Verdi sicherstellen.

Mit Warnstreiks des Lufthansa-Bodenpersonals in den vergangenen Wochen begleiteten sie ihre Forderung nach mehr Geld. Auch die Pilotenvereinigung Cockpit startete vor wenigen Tagen in den Arbeitskampf.

Tourismus-Wirtschaftswissenschaftlerin zur Oven-Krockhaus macht deutlich: Natürlich würden höhere Löhne Personalprobleme lösen. Allerdings sei das von vielen Flughäfen nicht immer gewollt. "Denn der Bedarf ist jetzt in der Spitzensaison da, sind aber die Ferien vorbei, brauchen die Flughäfen das Personal gar nicht mehr."

Expertin: Flüge mindestens so teuer wie Bahnfahrten

Neben den Nachwehen der Corona-Pandemie und den Auswirkungen des Ukraine-Krieges wirkt sich auch die Klimakrise auf Reisepreise aus. Flüge sind bisher nicht nachhaltig, auch neue Technologien sind noch nicht markttauglich. Strenggenommen müsste ein Flug deutlich teurer sein, als es aktuell der Fall ist. Das lasse sich laut zur Oven-Krockhaus nicht in Zahlen benennen, sie betont aber: "Mindestens so viel, wie eine Bahnfahrt auf der Strecke kosten würde." Das ist eine weite Spanne.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt aber: Aktuell profitiert die Flugbranche noch von deutlichen Subventionen und Zugeständnissen. So wird nur auf innerdeutschen Flügen die Mehrwertsteuer fällig, bei Flügen ins Ausland entfällt sie komplett.

Noch deutlicher fällt das beim Kerosin auf, also dem Treibstoff für Flugzeuge. Während Autofahrer für Benzin pro Liter 65 Cent und für Diesel pro Liter 47 Cent Energiesteuer zahlen müssen (durch den Tankrabatt aktuell etwas weniger), fallen solche Kosten für Fluggesellschaften nicht an. Kerosin und Flugbenzin sind steuerfrei.

Zu besteuern gäbe es hingegen genug. Im Jahr 2019 – also vor der Pandemie – flogen deutsche Fluggesellschaften insgesamt über 333 Milliarden Passagierkilometer und verbrauchten dabei fast zwölf Milliarden Liter Kerosin, rechnet der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft vor.

CO2-Kompensation noch am Anfang

Dabei ist der CO2-Ausstoß noch gar nicht mitbedacht. Seit einigen Jahren sind verschiedene Anbieter auf dem Markt, die eine freiwillige Kompensation für Flüge anbieten. Die Nutzer können dazu ihre Flugdaten eingeben und bekommen einen Betrag genannt, der benötigt wird, um klimaschützende Projekte in geeignetem Umfang zu unterstützen. Bei Atmosfair etwa wird für die Strecke zwischen Frankfurt am Main und Palma de Mallorca ein Betrag von 14 Euro veranschlagt. Damit sollen die durchschnittlich 568 Kilogramm CO2 ausgeglichen werden, die auf dieser Strecke pro Passagier entstehen.

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Das Angebot für jeden einzelnen Reisenden ist also da. Auch große Touristik-Unternehmen wie FTI bieten diesen Schritt bei der Buchung an – auf freiwilliger Basis. Im Interview mit t-online berichtet FTI-Chef Ralph Schiller allerdings: "Die Bereitschaft dazu ist aber leider sehr gering."

Ob solche Modelle in Zukunft die Regel werden, bleibt abzuwarten. Dass sich etwas tut und Bewegung in der Branche ist, da ist sich Expertin zur Oven-Krockhaus sicher. "Wir werden jetzt eine rasante Entwicklung sehen – in der sich bestimmt auch neue Konzepte entwickeln." Allerdings glaube sie nicht daran, dass es künftig gar keine günstigen Angebote mehr geben wird. "Dafür haben wir auch zu viele Anbieter im Tourismusbereich, die um Marktanteile konkurrieren."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Ina zur Oven-Krockhaus, Tourismus-Wirtschaftswissenschaftlerin
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