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Robert Habeck: Kritik von Top-Ökonom Fuest an Industriestrategie


Top-Ökonom kritisiert Habeck
"Die Strategie enthält Widersprüche"


Aktualisiert am 24.10.2023Lesedauer: 3 Min.
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Wirtschaftsminister Robert Habeck: Mit seiner Industriestrategie will er die großen Linien der Wirtschaftspolitik abstecken.Vergrößern des Bildes
Wirtschaftsminister Robert Habeck: Mit seiner Industriestrategie will er die großen Linien der Wirtschaftspolitik abstecken. (Quelle: imago-images-bilder)

Wirtschaftsminister Habeck hat eine neue Industriestrategie für Deutschland vorgestellt. Der Ökonom Clemens Fuest hält diese für wenig überzeugend.

"Strategie" – das klingt nach großem Wurf, nach Rundumschlag, nach einem ausgeklügelten Papier, das keine Fragen offenlässt. So oder so ähnlich dürfte auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) das verstanden wissen wollen, was er am Dienstagmittag in Berlin präsentierte:

Die neue "Industriestrategie" seines Ministeriums soll die großen Linien seiner Wirtschaftspolitik abstecken und erklären, wie die Bundesregierung die Wirtschaft angesichts der vielen Herausforderungen unterstützen will – "vom Weltkonzern über die mittelständischen Hidden Champions bis zum Kleinbetrieb".

Das sind die wichtigsten Punkte der Industriestrategie

t-online liegt das 57 Seiten umfassende Dokument sowie eine Kurzzusammenfassung vor, die wichtigsten Punkte sind:

  • Großangelegte Förderprogramme, nicht zuletzt für den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft,
  • mehr Ansiedlungen von Industrien und Unternehmen, die für die Wertschöpfung in Deutschland essenziell sind,
  • ein staatlich subventionierter Billig-Strompreis für energieintensive Industriezweige,
  • weniger Bürokratie und schnellere Genehmigungsverfahren sowie
  • finanzielle Anreize für ältere Menschen, länger zu arbeiten, um so dem Fachkräftemangel entgegenzutreten. (Mehr zu den Details der Industriestrategie lesen Sie hier.)

Doch was auf den ersten Blick für viele gut klingen mag, ist in den Augen von Experten und Ökonomen nicht gerade der Weisheit letzter Schluss. Kaum hat Habeck die Industriestrategie am Dienstag vorgestellt, regt sich Kritik an ihr.

So hält etwa Top-Ökonom Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts, nur wenig von dem Vorstoß. "Die Industriestrategie enthält Licht und Schatten", sagte er am Dienstag t-online. Zwar sei die Industriestrategie eine "in vielen Punkten zutreffende Analyse" der Probleme des Industriestandorts Deutschland.

"Es fehlt aber eine überzeugende Strategie zur Überwindung dieser Probleme, teils enthält die Strategie Widersprüche." So beklage die Strategie einerseits zu Recht die hohe Bürokratiebelastung für die Unternehmen. Gleichzeitig aber begrüße das Papier das Energieeffizienzgesetz, obwohl dieses Gesetz die Bürokratielast für die Unternehmen weiter steigert, und das ohne überzeugende Begründung.

"Keine Ideen zur Minderung der Steuerlast"

"Das Papier verweist zu Recht auf die hohe Unternehmenssteuerbelastung, enthält aber keine neuen Ideen zur Minderung dieser Last", so Fuest weiter. "Das Papier räumt ein, dass Deutschland auch langfristig hohe Energiekosten haben wird, hält aber an der Idee des subventionierten Brückenstrompreises fest."

Am Brückenstrompreis scheiden sich unter Ökonomen die Geister. Fuest wie auch zahlreiche andere Ökonomen hatten die Vergünstigung zuletzt immer wieder kritisiert. Der Grund: Vor allem wegen des Atomausstiegs werden die Strompreise in Deutschland dauerhaft hoch bleiben.

Drückt der Staat die Strompreise für einzelne Industrien, hält er Wirtschaftszweige künstlich am Leben, die in ihrer aktuellen Form so aber nicht mehr zukunftstauglich sind. Besser, als weitere Staatssubventionen bereitzustellen, wäre es, so Fuest und andere Experten, die strukturellen Probleme anzugehen – und die deutsche Wirtschaft so umzubauen, dass sie langfristig trotz hoher Energiepreise reüssieren kann.

Das aber, so der Ifo-Präsident, komme in der Industriestrategie zu kurz: "Das Papier erkennt, dass die politische Steuerung von industriellen Investitionen problematisch ist, betont die Investitionslenkung durch Industriepolitik aber stärker als die Verbesserung der allgemeinen Standortbedingungen."

Andere Experten halten eine staatliche Vergünstigung für Strom derweil für vertretbar, so zum Beispiel der Geschäftsführer des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Hubertus Bardt. Mit der Industriestrategie erkenne das Wirtschaftsministerium viele Dinge sehr gut, aber, so Bardt zu t-online:

"Die beste Analyse bringt uns nicht weiter, solang der Bundesregierung der Mut fehlt, ihre eigenen Empfehlungen umzusetze. Statt Ampelstreit brauchen wir zügig Lösungen, um den Niedergang unserer Industrie zu verhindern. Der Brückenstrompreis wäre ein notwendiger Anfang."

Industrie begrüßt Habecks Pläne

Ungemach droht Habeck auch an anderer Stelle, nämlich bei der Finanzierung der staatlichen Förderungen. In Habecks Papier heißt es dazu: Die Förderprogramme müssten auch "langfristig durchgehalten werden, um volle Wirkung zu entfalten – und das ruft Finanzierungsfragen auf".

"Unsere Finanzverfassung ist in Zeiten entstanden, die noch von einer marktdominierten Globalisierung und von deutlich weniger geopolitischen Spannungen geprägt war." Deshalb müsse man diskutieren, "wie diese Regeln spätestens in der nächsten Legislaturperiode an die neuen Realitäten angepasst werden können".

Übersetzt heißt das: Habeck will für seine Industriepolitik neue Staatsschulden aufnehmen. Abermals stellt sein Ministerium damit die Schuldenbremse infrage – die wiederum im Bundesfinanzministerium unter Christian Lindner (FDP) als sakrosankt gilt. Der nächste Ampel-Streit scheint an dieser Stelle programmiert zu sein.

Zuspruch bekam Habeck derweil aus der Industrie selbst. Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) sagte am Dienstag zu dem Strategiepapier: "Als deutsche Industrie stehen wir voll hinter dem klaren Bekenntnis des Wirtschaftsministers zur Industrie als Basis des Wirtschaftsstandorts Deutschland." Nun müssten rasch die wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen daraus gezogen werden, damit die "Transformation der Industrie in Deutschland" gelinge.

Verwendete Quellen
  • Statement von Ifo-Präsident Clemens Fuest
  • Kurzfassung Industriestrategie BMWK
  • BMWK: Industriepolitik in der Zeitenwende
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