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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Traditionsfirma Vorwerk Das steckt hinter dem Thermomix-Erfolg

Hunderttausende warten auf den neuen Thermomix. Die Küchenmaschine ist der Verkaufsschlager des Wuppertaler Unternehmens Vorwerk. Das steckt hinter dem Erfolg.
Dips, Suppen, Milchreis: Thermomix-Fans kommen aus dem Schwärmen darüber, was der Vorwerk-Bestseller alles kann, meist gar nicht mehr heraus. Kein Wunder also, dass auch das neue Gerät der Firma gefragt ist. Insgesamt 260.000 Vorbestellungen sind bei dem Unternehmen für die Küchenmaschine eingegangen. Nun müssen sich die Kunden teils mehrere Monate gedulden.
Stattliche 1.549 Euro soll der neue Thermomix TM7 kosten. Doch der Beliebtheit tut das offenbar keinen Abbruch. Das selbsterklärte Geheimnis hinter dem Erfolg der Firma Vorwerk liegt dabei vor allem in der Verkaufsstrategie.
Lange Familientradition
Bereits seit den 1930er-Jahren setzt das internationale Unternehmen mit Sitz in Wuppertal nämlich bei zwei seiner wichtigsten Sparten auf den sogenannten Direktvertrieb. Dabei verkaufen freiberufliche Berater die Geräte direkt an die Kunden ohne den Handel. Neben der Küchenmaschine Thermomix werden so auch Geräte der Gruppe Kobold vertrieben. Dazu gehören Staubsauger, Saugroboter, Saugwischer und Fensterreiniger. Darüber hinaus gehören zu Vorwerk noch die Bank afk und die Venture-Capital-Einheit Vorwerk Ventures sowie die Saugroboter-Marke Nexaro.
- Thermomix: Viel Hype, viel Hürde – das steckt dahinter
Lange befand sich das Unternehmen dabei in Familienhand. 1883 gründeten die Brüder Carl und Adolf Vorwerk die Barmer Teppichfabrik Vorwerk & Co. und verkauften zunächst Teppiche und Möbelstoffe. Nachfolger wurde Carls Schwiegersohn August Mittelsten Scheid, der mit der Produktion von Zahnrädern, Getrieben, Automobilachsen und elektrischen Motoren für Grammophone die Produktpalette erweiterte.
Im Krieg stellte Vorwerk auf Rüstung um
Durch das Aufkommen des Radios brachen in den 1920er-Jahren die Umsätze ein und das Unternehmen entwickelte die Motoren weiter, sodass sie in einen elektrischen Handstaubsauger passten. Der erste Kobold war geboren. Zwischen 1930 und 1935 wurden 100.000 Exemplare verkauft.
Während des Zweiten Weltkriegs stellte Vorwerk Rüstungsgüter her. Dazu wurden Zivilarbeiter, Ostarbeiter und auch Zwangsarbeiter eingesetzt. Nach dem Krieg wurde dann die Produktion und der Vertrieb der Kobold-Reihe wieder aufgenommen, und 1949 wurde die Millionenmarke geknackt. Sogar in die Kultur hielt das Produkt Einzug. Der deutsche Humorist Loriot griff die Kobold-Staubsauger in seinem Sketch "Vertreterbesuch" von 1978 auf. Darin vertreibt ein Herr das Modell "Heinzelmann", was an das Vorwerk-Produkt angelehnt ist. Zwei weitere Handelsvertreter verkaufen Wein und Versicherungen.
Vorwerk verkauft "das Erlebnis"
In der Zwischenzeit hatte Vorwerk auch das erste Modell des Thermomix 1971 auf den Markt gebracht. Und verbreiterte in den Folgejahren das Auslandsgeschäft. 1992 überstieg der Umsatz erstmals zwei Milliarden D-Mark. Seit Ende 2005 wird Vorwerk nicht mehr von einem Familienmitglied geführt. Der aktuelle Chef Thomas Stoffmehl leitet die Geschäfte seit 2021.
Er verteidigte das Konzept des Direktvertriebs leidenschaftlich. Statt eines reinen Küchengeräts verkaufe Vorwerk "das Erlebnis, die Experience mit unserem Gerät" inklusive Beraternetzwerk und Zugang zur Rezeptplattform "Cookidoo" mit weltweit mehr als 100.000 Rezepten. Der direkte Kontakt zu Kundinnen und Kunden sei entscheidend.
Eine Platzierung im Elektromarkt lehnte Stoffmehl strikt ab: "Das einzige Differenzierungsmerkmal im Regal ist der Preis." Derzeit sind rund 100.000 selbstständige Berater für Vorwerk tätig.
Das Unternehmen ist in mehr als 60 Ländern aktiv. Mittlerweile wird mehr als die Hälfte des Umsatzes im Ausland erwirtschaftet. Neben dem Direktvertrieb verkauft das Unternehmen seine Produkte auch im eigenen Online-Shop und in eigenen Geschäften in den Innenstädten.
Gute Zukunftsaussichten
Für das Unternehmen läuft es ausgesprochen gut. Zuletzt wurde ein neues Werk in Frankreich errichtet. Damit sollen die Produktionskapazitäten weiter gesteigert werden, so Stoffmehl. Ziel seien 1,5 Millionen Geräte im Jahr. 2024 erwirtschaftete die Gruppe allein mit dem Thermomix 1,7 Milliarden Euro – bei einem Gesamtumsatz von 3,2 Milliarden Euro.
Für die Zukunft hat das Unternehmen bereits Ideen. So sollen bereits in diesem Jahr die ersten Anwendungen für den neuen Thermomix kommen. Laut dem Unternehmenschef ist dabei etwa ein Kühlschrank-Scanning mit Rezeptvorschlägen denkbar.
Die aktuellen US-Zölle von zehn Prozent machen Vorwerk indes keine Angst: "Unser amerikanischer Markt ist zum Glück noch sehr klein. Wir haben im vergangenen Jahr in den USA weniger als 20.000 Geräte verkauft, in Deutschland mehr als 300.000", sagte Stoffmehl der "Süddeutschen Zeitung". Erhebliche Chancen sehe das Unternehmen aber in China.
- Eigene Recherche
- sueddeutsche.de: "Ich würde im Leben nicht auf die Idee kommen, mein Steak im Thermomix zu braten" (Bezahlinhalt)
- Mit Material der Nachrichtenagentur AFP