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Zentralbankchef: Taliban haben keinen Zugriff auf Staatsgelder


Bargeld wird knapp
Taliban haben laut Zentralbankchef keinen Zugriff auf Staatsreserven


18.08.2021Lesedauer: 4 Min.
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Ansage im Staatsfernsehen: Das haben die Taliban laut eigener Aussage jetzt vor. (Quelle: t-online)

Die Taliban kontrollieren Afghanistan – aber nicht die Staatsreserven. Laut dem Chef der afghanischen Zentralbank, Ajmal Ahmady, wird das Bargeld knapp. Die Ersparnisse liegen vor allem in den USA.

Die Taliban haben nach den Worten des afghanischen Zentralbankchefs keinen Zugriff auf die milliardenschweren Devisenreserven des Landes. Die Notenbank kontrolliere etwa neun Milliarden Dollar, schrieb deren ins Ausland geflohener Gouverneur Ajmal Ahmady am Mittwoch auf Twitter.

Davon befänden sich allein sieben Milliarden Dollar in Form von Bargeld, Gold, Anleihen und anderen Investitionen bei der US-Zentralbank (Fed). Auch der Restbetrag liege überwiegend nicht in afghanischen Tresoren herum, sondern befinde sich auf anderen internationalen Konten – etwa bei der in der Schweiz ansässigen Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die als Bank der Notenbanken gilt. Nur maximal 0,2 Prozent der Reserven seien den Taliban zugänglich.

Afghanistan ist aufgrund seiner starken Importe auf physische Bargeldlieferungen angewiesen, die seit vergangenen Freitag aufgrund der Lage eingestellt wurden. "Der Betrag des verbleibenden Bargelds ist nahezu null, da die Lieferungen eingestellt wurden, nachdem sich die Sicherheitslage verschlechterte." Die internationalen Reserven seien nicht gefährdet. "Kein Geld wurde von einem Reservekonto gestohlen", fügte Ahmady hinzu.

USA hat Milliarden Dollar eingefroren

Nach Berichten der "Washington Post" hat die USA am Dienstag mehrere Milliarden Dollar der afghanischen Geldreserven eingefroren, damit die Taliban keinen Zugriff auf die Gelder erhalten. Afghanistans Zentralbank verfügte nach Angaben des Internationalen Währungsfonds Ende April über Reserven von 9,4 Milliarden Dollar.

Ajmal Ahmady gehörte zur Elite Afghanistans – und dennoch konnte er den plötzlichen Zusammenbruch des Landes in den vergangenen Tagen nicht vorhersehen. Der Chef der afghanischen Zentralbank versuchte noch am Samstag, die Banken zu beruhigen, um Chaos an den Devisenmärkten zu vermeiden. Später schrieb er auf dem Social-Media-Plattform Twitter: "Ich kann nicht glauben, dass das der Tag war, bevor Kabul fiel."

Der Zentralbankchef rekapituliert die Ereignisse der vergangenen Tage aus dem Ausland – denn Ahmady musste nur einen Tag, nachdem er den Devisenmarkt vorm Zusammenbruch bewahren wollte, selbst überhastet aus Afghanistan fliehen.

Taliban suchten gezielt nach Ahmady

Für das Chaos kritisiert er die afghanische Regierung – von der er über Jahre selbst ein Teil war – hart. "Ich bin angeekelt von dem Mangel an Planung der afghanischen Führung. Es hätte so nicht enden müssen", schreibt er in einer Reihe von Twitter-Einträgen.

Ahmady ist in Afghanistan geboren und studierte später an der UCLA und Harvard, er arbeitete an verschiedenen prestigeträchtigen Stationen in der Finanzbranche, unter anderem für die Weltbank und das US-Finanzministerium. In Afghanistan war er für vier Jahre ein enger wirtschaftlicher Berater des ehemaligen afghanischen Präsidenten Ghani und arbeitete unter ihm als Minister für Industrie und Handel.

Das macht ihn auch zur Zielscheibe für die Taliban. "Jemand hat mir eine Nachricht geschrieben, in der stand: 'Die Taliban sind heute in Region X gekommen und haben nach dir gesucht. Sie fragten nach Ajmal Ahmady, Chef der afghanischen Zentralbank' ", schrieb Ahmady bei Twitter.

Afghanen warten stundenlang vor Banken und Automaten

Ahmady versuchte nach eigenen Angaben bis zuletzt, einen Zusammenbruch des Finanzsystems in Afghanistan zu verhindern, aber scheiterte offensichtlich. Am Dienstag rutschte die Landeswährung Afghani auf ein Allzeittief zum US-Dollar.

Diese Abwertung des Geldes könnte sich für viele Afghanen in all dem Chaos zum weiteren Problem entwickeln. Bereits am Wochenende stürmten viele Afghanen die Geldautomaten und Banken, um sich ihre gesammelten Ersparnisse auszahlen zu lassen. Lange Schlangen bildeten sich vor den Banken, vielfach waren die Geldautomaten aber leer.

Gerüchte wurden laut, dass der Zentralbankchef Ahmady bereits das Land verlassen hatte. Laut seiner Schilderung arbeitete Ahmady bis Sonntag durch – am Samstag habe ihn seine Familie gewarnt, dass ein Großteil der Regierung bereits geflohen sei.

Ahmady kaufte sich Flugtickets für Montag, als Sicherheit, wie er sagt. Er wusste nicht, dass bereits am Sonntag die Taliban Kabul erobern würden. Während er am Sonntagmorgen noch zur Arbeit ging, fand er sich am Abend bereits am Chaos am Flughafen wieder – und entdeckte viele Gesichter der afghanischen Regierungselite.

Zentralbankchef ist mitten im Flucht-Chaos am Flughafen

Das Chaos brach aus, als bekannt wurde, dass der ehemalige Präsident Ghani das Land verlassen hatte. Ahmady kritisiert den ehemaligen Präsidenten, dem er vier Jahre als enger Berater gedient hatte, dafür scharf: "Sobald die Flucht des Präsidenten bekannt gegeben wurde, wusste ich in Minuten, dass Chaos folgen würde. Ich kann ihm nicht verzeihen, so ein Chaos verursacht zu haben, ohne eine Übergangsplan zu haben."

Von der Regierung erhielt der Zentralbankchef keine Unterstützung. "Ich fragte den Palast, ob es einen Evakuierungsplan gibt. Nach sieben Jahren Staatsdienst begegnete man mir mit Schweigen", schreibt Ahmady. Er selbst schaffte es über einen Militärflieger aus dem Chaos am Kabuler Flughafen, in den ihn nach seinen Schilderungen enge Mitarbeiter von ihm aus einer Traube an Menschen schubsten.

Aus dem Ausland schaut Ahmady mit Sorge auf sein Land – nicht nur wegen der Bedrohung der Taliban. Alle Strukturen seien zusammengebrochen. "Präsident Ghani hatte großartige Ideen, aber eine schlechte Umsetzung. Sollte ich meinen Teil dazu beigetragen haben, übernehme ich anteilig die Schuld dafür", schreibt Ahmady.

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