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Die Rente mit 69 wird kommen - ganz sicher: Eine Analyse


Nach der Bundesbank-Forderung
Die Rente mit 69 wird kommen - ganz sicher

t-online, Eine Analyse von Bernhard Vetter

Aktualisiert am 17.08.2016Lesedauer: 4 Min.
Wir werden immer älter - ein späterer Rentenbeginn ist damit unausweichlich.Vergrößern des BildesWir werden immer älter - ein späterer Rentenbeginn ist damit unausweichlich. (Quelle: Symbolbild imago/Westend61)
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Da ist es wieder, das böse R-Wort: Die Bundesbank empfiehlt, das Rentenalter schrittweise auf 69 Jahre anzuheben. Jetzt regen sich wieder alle auf, und die Bundesregierung weist den Vorschlag zurück. Dabei führt an der Rente mit 69 kein Weg vorbei. t-online.de erklärt, wieso.

Die Menschen werden ja angeblich nicht gerne belogen. Aber wenn mal jemand die Wahrheit sagt, ist es auch wieder nicht recht. Das musste gestern die Bundesbank erleben. Sie empfiehlt einen Rentenbeginn mit 69 - konkret aber erst für das Jahr 2064.

Dieses Detail hat die Bundesregierung bei ihrer Zurückweisung aber wohl überlesen, als sie erklärte, man halte an der Rente mit 67 fest. Denn dieses Rentenalter gilt ja bereits ab 2031, also mal schlanke 33 Jahre früher.

Wer 1964 oder später geboren ist, kann erst mit 67 Jahren in Rente gehen. Die Rente mit 69 würde diejenigen betreffen, die ab 1995 geboren wurden.

Wir werden immer älter

Und hier lohnt sich ein Blick auf die durchschnittliche Lebenserwartung, die in den vergangenen 100 Jahren stark gestiegen ist und derzeit auch noch weiter ansteigt. Ein Mann, Jahrgang 1964, hatte bei Geburt die Chance, 70 Jahre alt zu werden, bei Frauen waren es etwas mehr als 73 Jahre. Sie könnten demnach nur drei bis fünf Jahre ihre Rente genießen.

Wer 1995 geboren wurde, wird wahrscheinlich 73 (Männer) bis 79 (Frauen) Jahre alt. Die Zeit als Rentner ab 69 betrüge damit etwa vier Jahre als Mann und acht Jahre als Frau. Die Änderungen wären also vor allem für Männer wenig gravierend. Doch ganz so einfach ist die Rechnung nicht.

Mit zunehmenden Alter steigt nämlich die Wahrscheinlichkeit, noch älter zu werden. Klingt paradox, ist aber relativ einfach zu erklären, denn früh Gestorbene ziehen den Durchschnitt nach unten. Wer beispielsweise Unfälle im gefährlichen Mofa- und Auto-Anfängeralter überstanden, ansonsten gesund gelebt und gute Gene mitbekommen hat, der hat auch mit 65 noch eine Restlebenserwartung von fast 18 Jahren (Männer) und 21 Jahren (Frauen). Der medizinische Fortschritt tut ein übriges.

Wer es bis 85 geschafft hat, kann locker noch weitere fünf (m) bis sechs (f) Jahre leben. Das geht aus den aktuellen Sterbetafeln des Statistischen Bundesamtes hervor.

Versicherungsmathematiker rechnen - aus Gründen der Vorsicht sowie gesetzlicher Vorgaben - sogar mit noch höheren Werten: Wer 1995 geboren wurde und es schafft, 69 Jahre alt zu werden, hat demnach eine Restlebenserwartung von 29,6 Jahren als Mann und von fast 33 Jahren als Frau.

Rentenzeit hat sich fast verdoppelt

Das bringt uns zur Rentenbezugsdauer. Noch 1960 konnten Rentner ihre Altersbezüge nur rund zehn Jahre genießen - 9,6 Jahre bei Männern und 10,6 Jahre bei Frauen. 2006 war die Dauer bereits auf über 17 Jahre gestiegen - 14,8 Jahre bei Männern und 19,6 Jahre bei Frauen, wie Zahlen der Deutschen Rentenversicherung zeigen.

Die logische Schlussfolgerung daraus müsste eigentlich sein: Wenn wir länger leben, müssen wir auch länger arbeiten und entsprechend später in Rente gehen. Denn wenn das nicht passiert, muss in der - vermeintlich - fixen Lebensarbeitszeit von etwa 40 Jahren oder auch weniger das Geld für immer langlebigere Rentner erwirtschaftet werden. Und das bei derzeit zunehmend geburtenstarken Rentner- und geburtenschwachen Beitragszahler-Jahrgängen. Wie soll das gehen?

Schon jetzt sinkt das Rentenniveau immer weiter, um die Beitragszahler nicht über Gebühr zu belasten - zumal diese ja auch noch privat vorsorgen sollen, weil es später noch weniger Beitragszahler gibt, wenn sie einmal in Rente gehen. Was vielen anscheinend immer noch nicht bewusst ist: Das deutsche Rentensystem ist umlagefinanziert. Das heißt, Arbeitnehmer sparen nicht ihre eigene Rente irgendwo an, sondern finanzieren mit ihren Abgaben direkt die Rentnerinnen und Rentner von heute.

Wir werden länger arbeiten müssen

An einer längeren Lebensarbeitszeit führt also kein Weg vorbei, wenn die Lebenserwartung weiter steigt. Und spätestens hier kommt dann der Dachdecker ins Spiel - das offenbar ultimative Beispiel dafür, dass man nicht bis 67 oder gar 69 arbeiten könne. Das ist auch sicher richtig. Und bei Gerüstbauern ist es vielleicht sogar noch schlimmer.

Aber auch hier hilft ein Blick in die Statistik, um Verhältnismäßigkeit herzustellen: In Deutschland sind derzeit mehr als 43 Millionen Menschen erwerbstätig, davon aber weniger als 96.000 Dachdecker und sogar kaum 12.000 Gerüstbauer.

Natürlich gibt es auch noch andere Berufe mit schwerer körperlicher Arbeit. Millionen von Menschen gehen andererseits Tätigkeiten nach, bei denen sie körperlich nicht außergewöhnlich gefordert sind. Hier können dann Faktoren wie gutes Sehen oder Stressbelastung in den Vordergrund rücken. Oder sogar zu viel körperliche Inaktivität - etwa im Büro oder im Lkw.

Experten plädieren deshalb dafür, von den starren Altersgrenzen abzurücken. Und andere Forscher prophezeien schon multiple Karrieren: Vielleicht arbeitet man 20 Jahre als Dachdecker und macht dann etwas anderes. Vielleicht lassen sich Dächer in Zukunft aber auch mit Roboterhilfe ganz leicht decken.

Senioren sind fitter als früher

Eines ist sowieso offensichtlich: Die heute 60- oder 70-Jährigen sind mit ihren Altersgenossen früherer Generationen nicht zu vergleichen. Sie sind geistig fit, körperlich aktiv und wollen nicht nur auf den Tod warten.

Nicht zuletzt findet man immer wieder Beispiele von älteren Menschen, die Spaß am Arbeiten haben: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (Jahrgang 1942) könnte seit 2007 in Pension sein. Der Journalist Heiner Bremer (Jahrgang 1941) hat erst kürzlich verkündet, nun etwas kürzer zu treten. Der berühmte Feuerbekämpfer Red Adair setzte sich erst mit 79 zur Ruhe - und starb mit 89.

Ende vielleicht erst bei Rente mit 73

Fazit: Die Rente mit 69 wird kommen - so sicher wie das Amen in der Kirche. Und es wird wohl nicht das Ende der Skala sein. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln glaubt sogar, dass wir bereits im Jahr 2041 bis 73 arbeiten müssen, damit das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentnern nicht zu sehr aus den Gleichgewicht gerät. Immerhin: Danach könnte das Rentenalter dann bei 73 konstant gehalten werden, schätzt das IW.

Dass beides - Lebenserwartung und Rentenalter - nicht unbegrenzt steigen, davon sind Altersforscher überzeugt. Sie gehen davon aus, dass der Mensch genetisch bedingt nicht viel älter als 120 Jahre werden kann. Solange wir uns im Durchschnitt an diese Grenze herantasten, solange muss aber auch über nötige Anpassungen bei der Altersversorgung nachgedacht werden - auch wenn das unpopulär ist und die Politik deshalb davor zurückscheut.

Aber wir wollen ja nicht belogen werden.

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